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Wirtschaft

„Corona-Prämie“: Diskussion um Mindestabstand

Rund um die „Corona-Prämie“ für Beschäftigte im Pflege- und Sozialbereich ist eine Diskussion um den Mindestabstand entbrannt. Die 300 Euro werden nämlich nur dann ausbezahlt, wenn sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über längere Zeit einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt haben.

Anfang Juli haben sich das Land Vorarlberg, der Arbeitgeberverein für Sozial- und Gesundheitsorganisationen (AGV) und die Gewerkschaft der Privatangestellten auf die Sonderzahlung geeinigt. Damals ist von einer Prämie gesprochen worden. Das sei aber der falsche Begriff, sagt der stellvertretende AGV-Obmann Walter Schmolly. Vielmehr handle es sich um eine Gefahrenzulage im Kollektivvertrag – und die sei an bestimmte Kriterien geknüpft.

Stundenausmaß und direkter Kontakt entscheidend

Die Gefahrenzulage erhalten jene Beschäftigten, die von Mitte März bis Ende Mai mindestens 40 Stunden direkt mit ihren Klienten gearbeitet haben und dabei den Sicherheitsabstand nicht einhalten konnten. Derzeit werde genau geprüft, welche Mitarbeiter diese Anforderungen erfüllen, sagt Schmolly.

Caritas-Direktor Walter Schmolly im Interview
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Caritas-Direktor Walter Schmolly

„Es ist den Einrichtungen ein großes Anliegen, dass die Mitarbeiter, denen die Zulage wirklich zusteht, nämlich aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos, die Zulage auch bekommen“, so Schmolly. Ihm zufolge sind die meisten Unternehmen zudem bereit, auch Mitarbeitern ohne Kollektivvertrag – also zum Beispiel Praktikanten oder Zivildienern – die 300 Euro zu bezahlen.

Kein Anspruch in Flüchtlingshilfe

Für Schmolly, der zugleich Direktor der Caritas Vorarlberg ist, ist der Mindestabstand zu den Klienten der entscheidende Punkt. In Bereichen wie der Flüchtlingshilfe sei das während des „Lock-downs“ kein Problem gewesen, weil dort unter anderem auf telefonische Beratung umgestellt worden sei. Daher bestehe für die Beschäftigten in diesem Bereich auch kein Anspruch.

Anders sieht es laut Caritas-Direktor in anderen Geschäftsbereichen aus: „Beispielsweise im Hospiz am See oder in Wohngemeinschaften für Menschen mit Beeinträchtigung oder in der Familienhilfe – also überall dort, wo pflegerische Tätigkeiten erforderlich sind – wird diese Gefahrenzulage bezahlt.“

Heinzle: „Was ist Abstand? Was ist persönlicher Kontakt?“

Der Gewerkschaft reicht das aber nicht. Die Auszahlung der 300 Euro dürfe nicht davon abhängen, was von den Unternehmen als direkter Kontakt mit den Klienten definiert wird. Auch in der Flüchtlingshilfe hätten sich Mitarbeiter Gefahren ausgesetzt, sagt Bernhard Heinzle von der Gewerkschaft der Privatangestellten.

Bernhard Heinzle
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Bernhard Heinzle von der Gewerkschaft der Privatangestellten

„Im Pflegebereich haben wir derzeit keine Schwierigkeiten, aber im Sozialbereich gibt es immer wieder Diskussionen: Was ist Abstand? Was ist ein persönlicher Kontakt?“, so Heinzle. Laut ihm hat die Gewerkschaft dazu eine klare Meinung: „Wenn jemand gegenübersteht und ich habe keine Glasscheibe dazwischen, dann ist es ein persönlicher Kontakt. Dann steht diese Prämie zu. Und da haben wir in diesen Tagen immer wieder Schwierigkeiten.“

Einigung bei Notschlafstelle

Heinzle stört bei der ganzen Diskussion vor allem eines: „Erstaunlich ist schon, dass das Land Vorarlberg binnen einer Woche für die Tourismusbranche 15 Millionen Euro ausbezahlt hat. Wir haben vereinbart, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 300 Euro bekommen, und müssen dann wochenlang diskutieren, wem das zusteht und wem nicht – obwohl das klar geregelt ist. Das verwundert und ärgert uns und die Mitarbeiterinnen und die Mitarbeiter“, so Heinzle.

Eine gute Nachricht gibt es für die Beschäftigten in der Caritas-Notschlafstelle. Nachdem für sie zuerst keine Sonderzahlung vorgesehen war, haben sich das Unternehmen und der Betriebsrat mittlerweile doch auf eine Lösung geeinigt. Nun bekommen auch dort die Mitarbeiter bis Ende September die 300 Euro ausbezahlt.