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Wissenschaft

Forscher: Tierherden können Erdbeben vorhersagen

Die Suche nach Methoden, wie man sich rechtzeitig vor Erdbeben schützen und diese voraussagen kann, ist um eine Facette reicher: Forscher in Konstanz am deutschen Bodenseeufer haben herausgefunden, dass Tiere in Herden oder Rudeln ein Erdbeben vorhersagen können.

Dass Tiere möglicherweise Veränderungen im Inneren der Erde spüren, wurde schon in der Antike beschrieben. Nach dem Ausbruch des Vulkans Vesuv im Jahr 79 nach Christus hieß es, Schafe, Ziegen und Pferde hätten sich zuvor seltsam panisch verhalten. Insekten und Nager seien einen Tag zuvor vor dem mächtigen Ausbruch geflohen. Erwiesen war das bislang nicht.

Erdbeben-Warnung Stunden vorher

Jetzt haben Forscher der Universität Konstanz und des dortigen Max-Planck-Instituts in monatelangen Versuchen einen Zusammenhang herausgefunden. Dazu wurden 13 Tiere – Kühe, Schafe und Hunde – auf einem italienischen Bauernhof in einer Erdbebenregion mit Beschleunigungsensoren ausgestattet.

Das Ergebnis: Erstmals konnte anhand des Verhaltens der Tiere ein Erdbeben Stunden vor seinem Auftreten vorhergesagt werden. Die Forschenden haben bis zu 20 Stunden vor einem Beben auffällige Verhaltensmuster entdeckt.

Effekt nur bei Herden deutlich

Während des Beobachtungszeitraums gab es 18.0000 Beben in der Region, darunter auch 12 mit einer Stärke 4 oder höher auf der Richterskala. „Je näher sich die Tiere am Epizentrum der bevorstehenden Erschütterung befanden, desto früher änderten sie ihr Verhalten", so Studienleiter und Verhaltensbiologe Martin Wikelski.

„Das ist genau das, was man erwarten würde, wenn physikalische Veränderungen vermehrt am Epizentrum des drohenden Erdbebens auftreten und mit zunehmender Entfernung schwächer werden“, so Wikelski weiter. Dieser Effekt trat jedoch nur so deutlich auf, wenn die Tiere im Rudel oder in der Herde beobachtet wurden.

Veränderungen in der Luft möglich

Wie die Tiere die Beben erspüren können, ist noch unklar: Möglicherweise können sie über ihr Fell Veränderungen in der Luft wahrnehmen. Es sei aber auch denkbar, dass die Tiere Gase riechen können, die freigesetzt werden, so die Forscher.

Wie ein tierisches Erdbeben-Frühwarnsystem aussehen könnte, zeigen in Echtzeit gemessene Daten der Forscher. Ein Chip am Halsband schickt die Bewegungsdaten alle drei Minuten an einen zentralen Computer. Dieser löst ein Warnsignal aus, wenn er eine deutlich erhöhte Aktivität der Tiere über mindestens 45 Minuten registriert. Bevor das Tierverhalten zuverlässig genutzt werden kann, müssen allerdings noch zahlreiche weitere Tiere in verschiedenen Erdbebenregionen der Welt beobachtet werden.