Sendungshinweis
„Kulturmagazin“,
Florian Rieder aus Dornbirn und sein Brief an Mohrenbräu, Mittwoch, 24. Juni 2020,
20.00 Uhr, ORF Radio Vorarlberg
„Die Deutungsmacht, wofür dieser Mohrenkopf steht, liegt nicht nur bei der Firma Mohrenbräu. Eine Botschaft, die in diesem Logo steckt, ist der klischeehafte Mohr, der alte Wurzeln hat. Wir kennen solche Darstellungen aus dem Mittelalter, das ist die Faszination des Exotischen, des Andersartigen, aber ausgehend von einer weißhäutigen Norm“, sagte Zeithistorikerin Ingrid Böhler im Interview mit ORF Radio Vorarlberg. Die Schwarzacherin leitet das Institut für Zeitgeschichte an der Uni Innsbruck und befasst sich überwiegend mit der jüngeren regionalen Vergangenheit.
„Mohr betont Ungleichheit“
Dieses Klischee betone Ungleichheit aus einem Gefühl der Überlegenheit und einem Machtgefälle, so Böhler: „Dieses Erbe, das in dieser Darstellung steckt, ist natürlich als problematisch anzusehen. Da können wir uns als Gesellschaft nicht wegducken, da kann sich aber auch die Firma Mohrenbräu nicht einfach wegducken.“ Persönlich plädiert Böhler dafür, in der Werbung auf solche Darstellungen zu verzichten.
Alltagsrassismus
Die derzeitige Polarisierung sei nur dadurch zu erklären, dass es einen aktuellen Auslöser gegeben hat, nämlich der gewaltsame Tod von George Floyd in den USA. Eigentlich gehe es um etwas anderes, nämlich um Alltagsrassismus, Vorurteile, um Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe. „Da ist das Logo von Mohrenbräu nur der Katalysator für etwas, was sowieso da ist“, sagte Böhler.

Hatespeech (Hassrede)- wie derzeit auf den Kanälen der Sozialen Netzwerke – sei alles andere als hilfreich, so Böhler. Trotzdem müsse man versuchen, die Debatte auf konstruktive Art und Weise fortzusetzen. Diejenigen, die für die Beibehaltung des Logos plädieren, sagen, dass sie selbst doch keine Rassisten seien. „Aber das würde ja auch niemand gern von sich zugeben“, sagte Böhler.
Rassismus ist eine europäische Erfindung
Viele stellten sich nun die Frage, was Österreich überhaupt mit der Kolonialvergangenheit zu tun habe, mit Traditionen von Ausbeutung oder Sklavenhandel; das habe sich alles doch ganz woanders abgespielt. „Aber so leicht können wir uns das nicht machen. Rassismus als eine Vorstellung einer Existenz verschiedener Rassen mit unterschiedlicher Hierarchie ist eine europäische Erfindung und damit ist sie auch Teil unseres geistig-kulturellen Erbes. Auch in Vorarlberg. Dem müssen wir uns stellen“, so die Zeithistorikerin.
Wer behaupte, so etwas habe es in Vorarlberg nicht gegeben, dem rät Böhler, sich alte Zeitungen anzusehen. „Dann würden auch diese Menschen lernen, dass diese Weltsicht in Vorarlberg genauso verbreitet war – und zwar nicht nur in der Nazi-Zeit, sondern auch davor und danach.“
Auch Traditionen verändern sich ständig
Mohrenbräu argumentiert mit Tradition. Tatsächlich erleben Traditionen ständig Aktualisierungen, sagte Böhler. „Und nicht alles, was gefühlt schon immer so war, ist es auch wert, beibehalten zu werden. Vorstellungen von Reformen, von Veränderung hin zu etwas Besserem, mussten immer gegen beharrende Kräfte erkämpft werden, z. B. die Durchsetzung des Frauenwahlrechts vor rund 100 Jahren. Das ist nicht von alleine gegangen“, so Böhler.
Sich der gesellschaftlichen Vielfalt stellen
Mit Geduld und der alemannischen Tugend der sachlichen Nüchternheit sollte es möglich sein, die Debatte zu entemotionalisieren. „Wir bekommen kein anderes historisches Erbe geregelt, wenn wir es verdrängen. Wir müssen uns der gesellschaftlichen Pluralisierung stellen und damit eben auch die Meinungen, die Empfindungen von Menschen, die eine andere Hautfarbe oder Herkunft haben und hier nun leben, anerkennen.“
Mohrenbrauerei startet Markenprozess
Die Vorarlberger Mohrenbrauerei wird in den kommenden Monaten eine mögliche Weiterentwicklung ihres Markenauftritts prüfen. Das kündigte das Dornbirner Traditionsunternehmen am Mittwoch in einem offenen Brief an. Der Entscheidung war in den vergangenen Tagen eine hitzige öffentliche Diskussion über das Logo der Brauerei vorangegangen, das Kritiker als rassistisch sehen – mehr dazu in Mohrenbräu als Auslöser für Rassismusdebatte.
„Weder lassen wir uns Rassismus unterstellen, noch lassen wir uns von Menschen mit ausländerfeindlicher Haltung vereinnahmen“, so das Unternehmen. Nachdem die Geschäftsführung bisher erklärt hatte, die Marke in ihrer bisherigen Darstellung beibehalten zu wollen, habe sich die Brauerei nun entschieden, „die Situation neu zu bewerten“. Man wolle in den kommenden Monaten gemeinsam mit unabhängigen Experten aus verschiedenen Bereichen „in Ruhe prüfen, ob und wie wir unseren Markenauftritt im Rahmen unserer Möglichkeiten weiterentwickeln“. Das Ergebnis des Prozesses sei offen.
Petition für und gegen neues Logo
Auf der Plattform change.org wurde nun eine Petition gestartet, die eine zeitgemäße Änderung des Logos fordert. Bis Donnerstagfrüh hatten knapp 500 Unterstützerinnen und Unterstützer unterschrieben.
Gesammelt werden aber auch Unterschriften für den Erhalt des Logos – Petition „Rettet das Mohrenbräu Logo“. Bis Donnerstagfrüh gab es über 9.300 Unterstützungserklärungen.