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ORF.at/Georg Hummer
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Soziales

Kinderdorf: Krise verstärkt soziale Ungleichheit

Das Vorarlberger Kinderdorf fordert mehr Schutz für die Kinder in der Coronavirus-Krise. Eine aktuelle Erhebung des Kinderdorfs zur Situation in Familien zeigt, dass die soziale Ungleichheit von Familien durch die Krise verstärkt wird. Kinder seien indirekt am stärksten von den Folgen der Pandemie betroffen.

Das Vorarlberger Kinderdorf war im April mit 720 Familien und deren über 1.200 Kindern per Telefon und Videotelefonie in Kontakt. Dabei handle es sich um Familien, die über die unterschiedlichen Fachbereiche in Bezug zum Kinderdorf stehen und damit um unterschiedliche Gesellschaftsgruppen, so Simon Burtscher-Mathis von der Geschäftsleitung des Kinderdorfs.

Das seien einerseits Familien, die vom Familiendienst des Kinderdorfs betreut werden – dazu gehören laut Burtscher auch sozial benachteiligte Familien. Es handle sich aber etwa auch um wirtschaftlich gut gestellte Pflegefamilien. Insofern sei die Studie nicht repräsentativ für die Gesamt-Gesellschaft, aber dennoch aussagekräftig über die Situation vieler Kinder und Jugendlichen, so Burtscher-Mathis.

Isolation und Kontaktsperren

Anhand eines Leitfragebogens wurden die Belastungen während des Ausnahmezustandes von den Fachpersonen eingeschätzt. Zentrales Ergebnis der Erhebung ist laut Burtscher-Mathis, dass die stärksten Belastungen für Familien durch Isolation bzw. Kontaktsperren, fehlende Freizeitmöglichkeiten sowie einer fehlenden Tagesstruktur für die Kinder entstehen.

Die Erhebung zeigt weiters: Familien und Kinder sind sehr unterschiedlich von den Corona-bedingten Maßnahmen betroffen. Führten die Anfänge der Krise zur Entlastung in einigen Alltagsanforderungen (Schule, Mobbing, Leistungsdruck), so zeigten sich für manche Familien bald soziale und materielle Belastungen.

Mehrheit der Befragten geht es gut

Besonders schwierig ist die Situation für Familien mit wenig sozialen Beziehungen und wenig materiellen Ressourcen. „In der Krise nimmt soziale Ungleichheit zu, das bringen die Ergebnisse sehr deutlich zu Tage“, hält Burtscher-Mathis fest. Dementsprechend ging es zwar der Mehrheit der kontaktierten Familien (435 Familien, 60 Prozent) gut und 30 Prozent (207 Familien) immerhin mittelmäßig.

Gleichzeitig finden sich laut Einschätzung der Fachpersonen des Vorarlberger Kinderdorfs auf Basis des Gesprächs aber auch 73 Familien (zehn Prozent), denen es gerade durch die Krisenzeit verstärkt schlecht bis sehr schlecht geht.

Häusliche Gewalt in mindestens 20 Familien

In 20 Familien wurde häusliche Gewalt vermehrt genannt, wobei die Dunkelziffer weit höher einzuschätzen sei, heißt es seitens des Vorarlberger Kinderdorfs. Schuld- und Schamgefühle würden in vielen Fällen die Realität verdecken.

In den kommenden Monaten werde es insbesondere für Familien in prekären Lebenssituationen verstärkt Unterstützungsangebote brauchen. Das Vorarlberger Kinderdorf konnte nach eigenen Angaben bisher in Zusammenarbeit mit dem Land Vorarlberg belasteten Familien rasch und unbürokratisch Hilfestellungen zur Verfügung stellen.

„Perspektive der Kinder einblenden“

Die Kinderschutzeinrichtung betont in ihrer Aussendung, dass in der Maßnahmenplanung neben der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Perspektive auch soziale Aspekte berücksichtigt werden müssten. Dabei gelte es den Kinderrechten entsprechend am Wohl der Kinder Maß zu nehmen.

Viele Familien benötigten Hilfe bei familiären Spannungen, bräuchten medizinische und psychologische Begleitung sowie finanzielle Unterstützung, so Burtscher-Mathis.Insbesondere weist das Vorarlberger Kinderdorf darauf hin, dass Kinder indirekt am stärksten von den Folgen der Pandemie betroffen seien.

„Kinder leben im Jetzt“

Zudem werde das Recht der Kinder auf Bildung und Entwicklung nicht eingehalten, sowie die gesundheitliche Versorgung der Kinder aktuell stark vernachlässigt. „Die Isolierung von Kindern gefährdet ihre körperliche, psychische und soziale Gesundheit“, warnt Burtscher-Mathis. „Wer die Perspektive der Kinder ausblendet, missachtet die Würde der Kinder. Erwachsene können Krisen meistern, indem sie auf ein Ende hoffen. Kinder können das nicht, sie leben im Jetzt.“