In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz verkündeten die Verantwortlichen am Freitag das Aus für 2020. Nach den Regeln und Besucherzahlenauflagen, die die Bundesregierung am Freitag bekanntgab, wird ein Festivalsommer in gewohntem Ausmaß nicht möglich sein. Die Festspielverantwortlichen hatten stets betont, dass im Fall einer Absage das gesamte Programm nicht stattfinden wird.
„Rigoletto“ und „Nero“ werden verschoben
Die Erfolgsproduktion „Rigoletto“ auf der weltgrößten Seebühne am Bodensee soll aber in der nächsten Saison noch einmal gezeigt werden. Auch die Hausoper „Nero“ wird um ein Jahr verschoben, sagte Intendantin Elisabeth Sobotka. Das andere Programm könne jetzt noch nicht fixiert werden. Man habe am Freitagmittag nach der Pressekonferenz der Bundesregierung diese schwere Entscheidung aufgrund der Besucherbeschränkungen endgültig getroffen. Es sei klar gewesen, dass ohne die Seebühne kein Festspielsommer stattfinden könne. Die Seebühne sei das Herz und der Motor der Bregenzer Festspiele, sagt Sobotka. Um ein Jahr verschoben wird auch „Madame Butterfly“ als Spiel auf dem See, das eigentlich für das nächste Jahr geplant gewesen wäre.
Tickets können umgebucht werden
Für alle, die bereits Tickets gekauft haben, gibt es laut dem kaufmännische Direktor Michael Diem vier Varianten: Zum einen wird das Geld zurückerstattet, es kann ein Gutschein ausgestellt werden, das Geld kann gespendet werden oder es kann auf das nächste Jahr umgebucht werden. Die liebste Variante sei ihm der Umtausch für nächstes Jahr, sagt Diem. Start der Abwicklung per Festspiele-Internetseite ist am Montag, 18. Mai. Für „Rigoletto“ 2021 sind vorerst insgesamt 26 Vorstellungen mit der Option auf zwei weitere vorgesehen, 190.000 Tickets sind aufgelegt. Premiere ist am 22. Juli 2021, einen Tag nach der Hausoper „Nero“.
Metzler: Start in eine neues Phase
Für Festspielpräsident Metzler war der Freitag „nicht das Ende, sondern der Start in eine neue Phase“. Man wolle mit Land, Stadt und Bund als verlässliche Partner sprechen, „wie wir diese Saison, die mit Kurzarbeit begonnen hat, in Stärke überstehen“. Mitte Juni gebe es dazu eine Kuratoriumssitzung. Er sei zuversichtlich, dass sich Lösungen finden. Ob die Absage der diesjährigen Saison Auswirkungen auf die Sanierungspläne für die Seebühne und das Festspielhauses haben, wusste Metzler am Freitag noch nicht. Laut ursprünglichen Plänen sollte die Sanierung im Ausmaß von 55 Mio. Euro von 2021 bis 2023 erfolgen. „Im Hintergrund werden die Pläne weiterentwickelt, die Detailpläne werden im Herbst vorliegen“, sagte der Festspielpräsident.
Zur Situation der rund 80 Mitarbeiter sagte Diem, dass sich derzeit zwei Drittel in Kurzarbeit befänden, einen Teil davon werde man jetzt aber zurückholen müssen. Es durch die Absage einen großen Berg abzuarbeiten, verwies er etwa auf das Ticketcenter oder die Kommunikationsabteilung. Sämtliche für heuer angefertigte Drucksorten müssten eingestampft, stattdessen neue gemacht werden.
Festival wurde 1946 ins Leben gerufen
Das Festival wurde 1946 von engagierten Bürgern als „Bregenzer Festwoche“ ins Leben gerufen, die sich in einer „Festspielgemeinde“, dem Vorläufer des heutigen Freundevereins, zusammenfanden. In der ersten Auflage – ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs – wurde auf zwei Kieskähnen gespielt. Einer trug die Kulissen für Mozarts „Bastien et Bastienne“, auf dem anderen spielte das Orchester, schon damals die Wiener Symphoniker. Bereits die erste Auflage verlief erfolgreich: Die Notlösung, den See als Bühne zu wählen – Bregenz verfügte noch nicht über ein Theater – kam beim schon damals internationalen Publikum gut an. Talent zur Improvisation und die Unterstützung ihres Freundevereins brauchen die Festspiele nun wohl auch weiterhin.
Kulturlandesrätin respektiert Entscheidung
Die Vorarlberger Kultur-Landesrätin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) zollte den Verantwortlichen der Bregenzer Festspiele in einer ersten Reaktion „höchsten Respekt“ für ihre Entscheidung. Diese sei „nachvollziehbar, wenn auch traurig“, sagte sie am Freitag. Die Öffnungsschritte, die der Bund bekannt gab, bedeuteten aber für die übrige Kunst- und Kulturszene „wenigstens eine Perspektive“.
„‚Rigoletto‘ mit 300 Leuten auf der Tribüne – niemand kann sich Festspiele in klein vorstellen“, so Schöbi-Fink. Die angekündigten Schritte hin zu einer Öffnung des Kulturbereichs seien für die Kunst- und Kulturszene wichtig, aber die Bregenzer Festspiele seien als Großereignis so nicht durchführbar. „Da geht es auch um das Kulturereignis und -erlebnis als solches“, fand sie. Sie hoffe auf nächstes Jahr und freue sich, die Erfolgsproduktion „Rigoletto“ dann noch einmal sehen zu können. Das Land stehe ebenso wie der Bund und die Stadt Bregenz zu den gemachten Förderzusagen. Nach ihrem derzeitigen Wissensstand stünden die Festspiele aber wirtschaftlich solide da und bräuchten wohl keine zusätzlichen Mittel.
„Herber Schlag“ für Vorarlbergs Tourismus
Für die Vorarlberger Tourismusbranche sei die Absage der Bregenzer Festspiele ein „herber Schlag“, so Christian Schützinger, Geschäftsführer von Vorarlberg Tourismus. Acht bis zehn Prozent der Urlauber besuchen Vorarlberg explizit wegen einer Kulturveranstaltung. Gibt es keine Festspiele, keine Schubertiade usw. könnten bei 1,3 Mio. Gästen im Sommer also bis zu 130.000 Urlauber fehlen.
Die Bregenzer Festspiele spielen im Vorarlberger Sommer eine ganz wesentliche Rolle, nicht nur für die Übernachtungen in den Beherbergungsbetrieben. Sie ziehen laut Schützinger auch zahlreiche Tagesgäste aus der Bodenseeregion an, die wichtig für Gastronomie und Handel seien. Hier werde die Branche „stark in Mitleidenschaft gezogen“, und das gerade in Corona-Zeiten. Die Festspiele bringen der Region jährlich laut einer Studie eine Wertschöpfung von 100 Mio. Euro. „Diese Dimension zeigt schon, was für eine wirtschaftliche Kraft das Festival entfaltet“, sagte Schützinger. Zudem bringe die Festivalsaison einen „eigenen Spirit“ ins Land. „Die Festspielzeit bedeutet Atmosphäre, bedeutet Stimmung. Manche Häuser sind beflaggt, die Leute sind anders gekleidet. Das alles wird fehlen“, so der Touristiker.
Auf die Frage, ob sich der Tourismus nun auf Absagen oder einen Preisverfall einstellen müsse, meinte Schützinger, das müsse man beobachten. Laut seiner Einschätzung werden auch nicht alle Betriebe öffnen, wegen einer eingeschränkten Nachfrage könnte eine Öffnung für einige nicht rentabel sein. „Es wäre fatal, wenn es da auch noch eine Preisschlacht geben würde, ein Dolchstoß für die Branche“, so Schützinger.
Stufenweise Öffnung des Kulturbereichs
Nach dem Rücktritt von Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek haben Vizekanzler Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (alle Grüne) die stufenweise Öffnung für den Kultur- und Kunstbereich vorgestellt. Ab 1. August sind etwa Veranstaltungen mit bis zu 1.000 Besuchern und Besucherinnen möglich – aber unter Auflagen – mehr dazu in ORF.at.