In der Physiotherapiepraxis „Kreispunkt“ in Bregenz sitzt der Chef selbst vor dem Terminkalender – wo sich sonst täglich 140 Patienten die Klinke in die Hand geben, sind derzeit gerade einmal zehn vorgemerkt. Das seien Menschen, die dringend Hilfe brauchen, sagt Martin Steiner, der stellvertretende Obmann der Physiotherapeuten Vorarlberg.
Physiotherapeuten vor schwieriger Entscheidung
Erst vor wenigen Tagen wurde durch die Bundesregierung beschlossen, dass auch Physiotherapeuten ohne behördliche Anweisung finanzielle Unterstützung erhalten, wenn sie ihre Praxen schließen. 140 Betroffene im Land sind jetzt in der Zwickmühle, ob sie offen halten oder schließen sollen.
„Es gibt Notfallpatienten, Schmerzpatienten und solche, die jetzt aus der Rehaklinik zu uns kommen. Auf der anderen Seite gibt es das große Risiko der Ansteckung – selbst angesteckt zu werden oder andere anzustecken.“ Risikopatienten würden aber von vorneherein ausgeschlossen, das sei klar geregelt, sagt Steiner.
Schutzausrüstungen sind Mangelware
Mehrmals täglich desinfizieren ist derzeit die einzige Möglichkeit, etwas Sicherheit für Patienten und Therapeuten herzustellen, denn wie überall im Land sind Schutzausrüstungen Mangelware. Derzeit arbeiten nur zwei Therapeuten in der Bregenzer Praxis – vor der Coronakrise waren es 15 Teammitglieder.
Mitarbeiter müssen selbst entscheiden
Martin Steiner ließ seine Mitarbeiter frei entscheiden, ob sie arbeiten möchten oder nicht. Einige wollten die Verantwortung einer Ansteckung von sich selbst und anderen nicht übernehmen, sagt der Physiotherapeut. Andere wiederum hätten sich freiwillig bereit erklärt, sich weiter um ihre dringenden Patienten zu kümmern. Letzendlich aber sei beides nicht ganz richtig, so Steiner.
Zusperren oder nicht?
Vom Bundesverband der Physiotherapeuten gibt es die Empfehlung, die Praxen zu schließen. Die Therapeuten sind nun in der Zwickmühle: Zusperren um die Mitarbeiter zu schützen oder Offenlassen zum Wohl der Patienten? „Wenn jetzt der Erlass kommt zuzusperren, tue ich das natürlich auch“, sagt Steiner.
„Aber natürlich verstehe ich – und wir sollten das alle tun – wenn jemand seine Praxis zusperrt.“ Dafür gebe es gute Gründe, aber er verstehe auch jeden, der seine Praxis offen lasse und diese Verantwortung im Gesundheitssystem wahrnehme. „Es ist beides nicht richtig und nicht falsch“, so Steiner.
Derzeit wird bundesweit an einer Liste gearbeitet, in der stehen soll, wo hilfsbedürftige Patienten eine geöffnete Physiotherapiepraxis finden. In den nächsten Tagen soll diese Liste dann in allen Arztpraxen aufliegen.