Kälbertransport
ORF Vorarlberg
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Politik

„Qualvolle Tiertransporte sind eine Schande“

Tierschutzsprecherinnen und -sprecher von SPÖ, FPÖ und Grüne zeigen sich schockiert über die Transporte Vorarlberger Kälber in den Libanon. Vom Acht-Punkte-Paket des Landtags zur Verringerung der Transporte sei nichts zu spüren. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) wird aufgefordert, nicht länger tatenlos zuzusehen.

„Diese Tiertransporte sind eine Schande für unser Land, das sich Tierschutzland Nummer eins auf die Fahnen schreibt. Das Wegschauen muss ein Ende haben“, fordert der Grüne Klubobmann Daniel Zadra.

Der aktuelle Fall aus Lustenau sei kein Einzelfall. Die Tiertransporte durch ganz Europa seien seit mehreren Jahren allen Entscheidungsträgerinnen und -trägern bekannt und das logische Ergebnis einer ausschließlich auf die Milchproduktion spezialisierten Landwirtschaftspolitik.

Der lange Weg der jungen Kälber

In dieser Grafik wird der Weg der Kälber von Lustenau über Salzburg nach Spanien und von da aus in den Libanon aufgezeigt.

Schockierende Bilder und tatenloses Zusehen

Die SPÖ ist über den erneuten Fall eines skandalösen Tiertransportes mit Vorarlberger Kälbern schockiert. SPÖ-Tierschutzsprecherin Elke Zimmermann ortet ein Versagen auf ganzer Linie. Die Regelmäßigkeit, mit der Fälle von Tierqual bekannt würden, sei erschreckend.

Selbst die Task-Force, die medienwirksam vom zuständigen Landesrat einberufen worden ist, habe sich inzwischen als Rohrkrepierer herausgestellt, sagt Zimmermann. Tiertransporte aus Vorarlberg sollten gänzlich abgeschafft und das System der Milchwirtschaft umgestellt werden, fordert Zimmermann.

Elke Zimmermann, Tierschutzsprecherin SPÖ Vorarlberg
SPÖ Vorarlberg
SPÖ-Tierschutzsprecherin Elke Zimmermann nennt die Taskforce gegen Kälbertransporte einen Rohrkrepierer

Tierschutz ist Konsumentenschutz

Gefördert wird derzeit vor allem nach Fläche der landwirtschaftlichen Betriebe. Das sei ein großer Konstruktionsfehler der Förderpolitik, so Zimmermann. „Gefördert werden sollte nach Qualität und artgerechter Haltung. Damit steigt der Anreiz, für das Tierwohl zu sorgen und gleichzeitig werden damit biologische Fleischprodukte für die Konsumenten leistbarer. Tierqual-Betriebe sollten hingegen keinen einzigen Euro Steuergeld mehr erhalten."

Zuständiger Landesrat in der Pflicht

Der freiheitliche Tierschutz- und Landwirtschaftssprecher Daniel Allgäuer sieht vor allem den zuständigen Landesrat Christian Gantner (ÖVP) in der Pflicht.

Allgäuer verweist auf die Freiheitliche Landtagsinitiative zur Reduzierung von Tiertransporten mit 8 Punkten, welche im März 2019 einstimmig im Vorarlberger Landtag angenommen wurde. „Sieben Antragspunkte im eigenen Wirkungsbereich könnten von der schwarz-grünen Landesregierung sofort umgesetzt werden", so Allgäuer.

Billige Fleischimporte seien schuld

Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger schiebt den schwarzen Peter in eine andere Ecke. Im „Vorarlberg Heute“ Interview nennt er als Grundübel die billigen Fleischimporte.

Interview mit Josef Moosbrugger

Josef Moosbrugger, der Präsident der Landwirtschaftskammer, spricht über Kälbertransporte.

ÖVP verurteilt Transporte aufs Schärfste

Landwirtschaftssprecher Bernhard Feuerstein (ÖVP) verurteilt das Verbringen von Vorarlberger Kälbern in den Libanon und die Art der dortigen Behandlung der Tiere aufs Schärfste.

Anlässlich des aktuellen TV-Berichts betont Feuerstein, dass aus Vorarlberg in der Vergangenheit keine Schlacht- oder Zuchttiertransporte in Drittstaaten abgefertigt wurden. Nichtsdestotrotz handle es sich bei den Transportbestimmungen um Bundes- und EU-Recht, worauf die Landespolitik keinen Einfluss habe.

Von 2018 auf 2019 konnten die Zahlen der außer Landes gebrachten Kälber um rund 20 Prozent reduziert werden. Jeder, der Tier- und Klimaschutz ernst nehme, sollte zu regionalen Lebensmitteln greifen, um nachhaltig an einer Veränderung mitzuwirken, so Feuerstein.

Kein Fehlverhalten der Veterinäre

Zum aktuellen Fall sei festzuhalten, dass die Vorarlberger "Veterinäre von einem Inlandstransport (Vorarlberg – Salzburg) nie Kenntnis erlangen, weshalb ihnen in diesem Zusammenhang auch kein Vorwurf zu machen ist“, erklärt Feuerstein. „Rechtlich ist auch die Vorgangsweise des Landwirts absolut in Ordnung. Dass das Kalb schlussendlich im Libanon landen würde, war ihm mit Sicherheit nicht bekannt.“

Bernhard Feuerstein ÖVP
Daniel Mauche
Landwirtschaftssprecher Bernhard Feuerstein (ÖVP) sieht kein Fehlverhalten der Vorarlberger Veterinäre

Landesveterinär Greber: Klares Nein zu Transporten

In die Verbringung des Ende 2018 von einem Landwirtschaftsbetrieb in Lustenau nach Bergheim/Salzburg und von dort nach Spanien transportierten Kalbes war die Vorarlberger Veterinärbehörde nicht eingebunden, da der Tiertransport innerhalb Österreichs keiner veterinärbehördlichen Bewilligung bedarf und die Abfertigung des Kalbes in Bergheim/Salzburg nach Spanien durch die Salzburger Veterinärbehörde erfolgt ist, betont Landesveterinär Norbert Greber.

Das Land Vorarlberg verurteile diese Verbringung in den Libanon und die Art der dortigen nicht tierschutzgerechten Behandlung der Tiere auf das Schärfste, so Greber.

27 Millionen Tiere
14.923 Tiertransporte hat es 2017 mit dem Ursprungsland Österreich gegeben. Davon waren knapp 27 Millionen Tiere betroffen, so die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“. Sie stützt sich dabei auf eine parlamentarische Anfrage der „Liste JETZT“.

Export in Drittstaaten boomt

In den Jahren 2008 bis 2018 sind den Tierschützern zufolge insgesamt 199.891 Kälber aus Österreich exportiert worden, 1.202 davon in Drittstaaten und 198.689 innerhalb der EU. Auffällig ist nach Angaben der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ jedoch, dass Spanien gerade in den letzten Jahren seine Rolle als Exporteur von Lebendvieh in Drittstaaten stark ausgebaut hat. Von 2016 auf 2017 stiegen die Lebendtiertransporte in Drittländer um knapp 78 Prozent auf fast 120.000 Tiere. Die Hauptdestination ist Libyen, gefolgt vom Libanon, der Türkei und Algerien.

Laut EU-Verordnung dürfen Rinder insgesamt 29 Stunden transportiert werden, wobei eine Stunde Pause eingehalten werden muss. Bei Schweinen beträgt die zulässige Transportdauer 24 Stunden. Nach einer Pause von 24 Stunden darf die Maximaldauer aber beliebig oft wiederholt werden. Auch nicht-entwöhnte, also noch säugende Jungtiere dürfen transportiert werden, kritisierte „Vier Pfoten“.

Bürgerforum in Feldkirch

Tierschutzaktivist Dieter Steinacher aus Nüziders kündigte unterdessen ein Bürgerforum mit Expertinnen und Experten, Vertreterinnen und Vertretern von Parteien und Tierschutzorganisationen an. Es findet am 18.3.2020 um 19.00 Uhr im Rösslepark in Feldkirch statt.