Angeklagter in Begleitung der Justizwache
Tarja Prüss
Tarja Prüss
Chronik

Staatsanwältin: „Kein Platz für Selbstjustiz“

Im BH-Mordprozess plädiert die Staatsanwaltschaft auf kaltblütigen Mord. Die Verteidigung bestreitet das vehement und sieht in der Tat eine schwere Körperverletzung mit Todesfolge. Der 49-jährige Sozialamtsleiter der BH Dornbirn war im Februar 2019 in seinem Büro erstochen worden. Die Geschworenen zogen sich bereits zur Beratung zurück.

Staatsanwältin Konstanze Manhart wandte sich in ihrem Abschlussplädoyer mit deutlichen Worten an die Geschworenen: „Machen Sie mit Ihrem Urteil klar: Österreich ist kein Platz für Selbstjustiz, kein Ort für blutige Rache.“

Motiv war laut Staatsanwaltschaft Rache

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wollte der Angeklagte den Geschworenen weismachen, dass die Tat nur ein Unfall war. Besehe man den Tathergang, wie der Angeklagte mit einem Messer in das Büro des Opfers gestürmt sei, könne kein vernünftiger Mensch an einen Unfall glauben.

Als Beamtin gehe ihr die Tat wie allen Beamten sehr nahe, so die Staatsanwältin: Allein der Gedanke, dass man morgens ins Büro gehe und abends nicht mehr heimkomme – nur, weil jemand nicht zufrieden ist mit der Arbeit eines Beamten. Das Motiv sei Rache gewesen.

Staatsanwältin Konstanze Manhart
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Staatsanwältin Konstanze Manhart hält die Tötung für Selbstjustiz

Verteidigung spricht von Tragödie

Die Verteidigung dagegen sprach von einer „griechischen Tragödie“, eine Verkettung unglücklicher Umstände und Schicksale, „wenn man bedenkt, dass das Opfer immer wieder die Wege des Angeklagten gekreuzt hat“, sagte Verteidiger Ludwig Weh. „Da ist alles zusammengekommen, was schief gehen konnte.“

Der zweite Verteidiger des Angeklagten, Stefan Harg, ging ausführlich auf die diagnostizierte Persönlichkeitsstörung seines Mandanten ein. Er machte klar, dass sein Mandant nur „eingeschränkt zurechnungsfähig“ gewesen sei. Die Schädigung des Nervensystems erkläre den Overkill, der nach dem ersten Stich erfolgt sei. Zu bedenken sei auch, dass der Angeklagte unter Drogen gesetzt wurde, um „ihn für den Prozess fit zu machen.“

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Justizwachebeamte
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Hohe Sicherheitsvorkehrungen gelten während des Mordprozesses
Schwurgericht Feldkirch außen
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Polizei im und vor dem Schwurgericht
Angeklagter in Begleitung der Justizwache
Tarja Prüss
Der 35-jährige Angeklagte ist 15-fach vorbestraft
Anwalt Ludwig Weh
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Verteidiger Ludwig Weh
Schwurgericht außen mit wartenden Prozessbeobachtern
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Wegen der ausführlichen Kontrollen müssen die Prozessbeobachter draußen warten
Anwalt Stefan Harg
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Verteidiger Stefan Harg
Medien im Gerichtssaal
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Großes Medieninteresse am Geschworenenprozess
Schwurgericht außen mit wartenden Prozessbeobachtern
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Wartende Prozessbeobachter vor dem Schwurgericht

Lange Freiheitsstrafe

Eine lange Freiheitsstrafe fasse der Angeklagte in jedem Fall aus, sagte Verteidiger Weh. Die Frage sei, ob es sich um Mord, Totschlag oder absichtlich schwere Körperverletzung mit Todesfolge gehandelt habe. Nur, wenn die Geschworenen zu 100 Prozent sicher seien – unter Ausschluss aller Zweifel –, dass der Angeklagte einen Tötungsvorsatz hatte, dürften sie auf Mord erkennen.

„Riesenfehler gemacht“

Der Angeklagte selbst beteuerte neuerlich, dass ihm die Tat leidtue und er niemals die Absicht gehabt habe, „ein Leben zu nehmen“. Wenn er es könnte, würde er den Getöteten zurückholen, „ich schwöre es“.
Die Plädoyers und auch die gerichtsmedinischen Auführungen nahm er ohne sichtbare Regung hin.
Abschließend stellte der 35-Jährige fest: „Natürlich muss ich bestraft werden. Ich habe einen Riesenfehler gemacht. Ich bin einfach ausgerastet. Mehr kann ich nicht sagen“. Mit einem Urteil war in den Nachmittagsstunden zu rechnen.

Exzessive Wucht

Walter Rabl, Gerichtsmediziner aus Innsbruck, hatte die Obduktion des Leichnams vorgenommen und präsentierte am Mittwochvormittag die Ergebnisse.

Die Hauptstichverletzung im Brustbereich hat zum Tod geführt, fasste Rabl zusammen. Sie war 16 Zentimeter tief und hatte das Brustbein durchstochen. „Sie muss mit exzessiver Wucht erfolgt sein“, sagte Rabl. Todesursache war der hohe Blutverlust. Zahlreiche Schnittverletzungen unterschiedlicher Länge und Tiefe wurden zudem im Gesicht, am Hals und im Brustbereich festgestellt. Außerdem hatte Rabl Verletzungen an der linken Hand festgestellt, die seinen Angaben zufolge typisch sind für aktive Abwehrreaktionen.

Gerichtsmediziner Walter Rabl
Tarja Prüss
Gerichtsmediziner Walter Rabl stellte den Geschworenen die Obduktionsergebnisse vor

Rabl widerspricht Angaben des Angeklagten

Der Angeklagte hatte im Verlauf des Prozesses angegeben, dass der Hauptstich in die Brust nur deshalb so heftig ausgefallen sei, weil der Angeklagte sich auf ihn zu bewegt hatte. Rabl schließt eine solche Version ganz klar aus. „Es passt nicht zu einem dynamischen Geschehen, wo sich das Opfer wehrt“, sagte Rabl.

Toxikologisches Gutachten

Zu Beginn des dritten Prozesstages wurde auch das toxikologische Gutachten präsentiert. Dabei ging es darum, in wie weit der Angeklagte zur Tatzeit durch Rauschmittel, Medikamente oder Drogen beeinträchtigt war. Laut Gutachten hatte der 35-jährige am Tattag Beruhigungsmittel genommen, die sich jedoch im therapeutischen Bereich befanden. Die Untersuchung ergab zudem 1,08 Promille Alkohol im Blut. Dieser Wert deckt sich laut Gutachterin nicht mit den Angaben des Angeklagten, der zuvor ausgesagt hatte, dass er am Tag der Tat zwischen 14.00 und 15.00 Uhr zwei Bier getrunken hatte. Ihrer Ansicht nach muss der Angeklagte mehr getrunken haben.

Scharfe Sicherheitsvorkehrungen

Der Schwurgerichtssaal am Landesgericht in Feldkirch war bis auf den letzten Platz gefüllt. Über 100 Prozessbeobachter waren zum voraussichtlich letzten Prozesstag gekommen, darunter auch viele LKA-Mitarbeiter in Zivil. Auch zahlreiche Medien aus dem In- und Ausland berichteten vor Ort. Zur Sicherheit aller Beteiligten befanden sich zehn Polizistinnen und Polizisten im ganzen Saal verteilt. Im Vorfeld gab es auch am Mittwoch wieder sorgfältige Taschen- und Personenkontrollen.