Schwurgericht außen mit wartenden Prozessbeobachtern
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Chronik

Mordprozess: Urteil erwartet

Nach drei Verhandlungstagen wird am Mittwochnachmittag das Urteil im Mordprozess erwartet. Spannend wird die Frage, ob die Geschworenen die Tötung des 49-jährigen Sozialamtsleiters als vorsätzlichen Mord werten oder nicht. Auch der gerichtsmedizinische Gutachter wird seine Ermittlungsergebnisse vorstellen.

War es Mord, war es Totschlag oder war es absichtlich schwere Körperverletzung, die mit dem Tod des Opfers endete? Gab es einen Vorsatz, den Leiter der Bezirkshauptmannschaft zu töten, oder wollte der Angeklagte ihn nur verletzen und verursachte ungewollt seinen Tod? Das sind die Fragen, mit denen sich die Geschworenen seit Montag beschäftigen.

Faktoren für das Strafausmaß

  • für absichtlich schwere Körperverletzung kann die Strafe zwischen einem und zehn Jahren Haft betragen
  • für Totschlag sieht das Gesetz einen Strafrahmen zwischen fünf und zehn Jahren vor
  • für Mord liegt die Freiheitsstrafe bei zehn bis zwanzig Jahren oder lebenslang
Justizwachebeamte
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Der Angeklagte wird auch während des Prozesses von mehreren Beamten bewacht

Was für Körperverletzung mit Todesfolge spricht

Den Vorsatz hat der Angeklagte im bisherigen Prozessverlauf immer bestritten. Es sei ein Unfall gewesen, er habe dem Sozialamtsleiter nur eine Strafe geben, ihn nur verletzen wollen – so lauteten seine Erklärungen vor Gericht. All das spräche für eine absichtlich schwere Körperverletzung. Die Verteidigung sprach in dem Zusammenhang von einer „Beziehungstat“. Schließlich seien sich Opfer und Täter seit über 20 Jahren immer wieder in die Quere gekommen. So hatte das spätere Opfer unter anderem die Ausweisung des 35-Jährigen aus Österreich erwirkt.

Was für oder gegen Totschlag spricht

Andererseits argumentierte der Angeklagte auch mit einem „Blackout“: Es sei eine Kurzschlussreaktion gewesen. Das könnte als Argument für Totschlag gewertet werden. Denn den Totschlag bedingt eine „heftige Gemütserregung“. Ein Affekt, der zu Unzurechnungsfähigkeit führe, komme nur ganz selten vor, sagte Gerichtsgutachter Reinhard Haller am zweiten Verhandlungstag: „Das habe ich in 38 Jahren Gutachtertätigkeit nur zweimal gesehen.“ Es sei aber unstrittig, dass Emotionen im Spiel gewesen seien. Welche Rolle die Gefühle möglicherweise gespielt haben, müssen die Geschworenen jetzt abwägen.

Pensionierter Leiter der Mordgruppe im LKA Norbert Schwendinger und Gerichtsgutachter Reinhard Haller
Tarja Prüss/ORF Vorarlberg
Der pensionierte Leiter der Mordgruppe im LKA Norbert Schwendinger und Gerichtsgutachter Reinhard Haller

Mord
Das Gesetz kennt bei Mord keine qualifizierten Tatbestände der vorsätzlichen Tötung. Anders als in Deutschland oder der Schweiz sind keine verwerflichen Motive (Mordlust, Heimtücke) erforderlich.

Was für oder gegen Mord spricht

Für Staatsanwältin Konstanze Manhart dagegen ist der Fall klar: Der Angeklagte habe den Sozialamtsleiter gehasst und für sein eigenes Unglück verantwortlich gemacht. Das Motiv: Rache. Deswegen habe er nach der Tat auch die Tatwaffe demonstrativ auf dem Schreibtisch liegen gelassen – als Symbol für den Amtsmissbrauch, den der Sozialamtsleiter in den Augen des Angeklagten begangen haben soll.

Eine Rolle wird sicher auch spielen, ob die Geschworenen zu dem Schluss kommen, dass der Angeklagte die Tatwaffe bereits mit Tötungsabsicht ins Sozialamt mitgenommen hatte. Das würde wohl als Vorsatz gewertet werden.

Widersprüche

Mitarbeiter der BH Dornbirn hatten den Aussagen des Angeklagten widersprochen, vor allem, was den Tathergang anging – mehr dazu in Zeugen belasten Angeklagten.

Am Mittwoch wird Gerichtsmediziner Walter Rabl seine Erkenntnisse darlegen, ebenso wird ein toxikologisches Gutachten erörtert. Anschließend sollen die Schlussplädoyers und das Urteil erfolgen.