Kühe auf der Weide, Heustadl
ORF.at/Roland Winkler
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Naturschutzrat verlangt Systemwandel

Der Vorarlberger Naturschutzrat fordert einen grundlegenden Wandel des derzeitigen Systems in der heimischen Landwirtschaft. In einer Studie zeigt Landschaftsplanerin Maria Anna Schneider-Moosbrugger sowohl die Schwächen der Landwirtschaft als auch Perspektiven für die Zukunft auf.

Die Landwirtschaft in Vorarlberg steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Sie muss diesen Wandel selbst vollziehen, weil sie bereits in vielen Bereichen „krankt“ und in einer Sackgasse angelangt ist – so die Analyse von Schneider-Moosbrugger.

Suche nach Ursachen für Tier- und Pflanzensterben

Der Naturschutzrat hat in seinen Berichten schon mehrfach auf Schwachstellen der Landwirtschaft hingewiesen. Das Ausmaß werde immer problematischer, sagt Vorsitzende Gerlind Weber. Die Landwirte seien für gravierende Beeinträchtigungen im natürlichen Haushalt verantwortlich. „Wir wollen einmal der Ursache nachgehen, warum einerseits sozusagen die Schutzgebiete immer größer werden und es andererseits aber kein Halten gibt beim Tier- und Pflanzensterben“, so Weber.

Strategiepapier für heimische Landwirtschaft präsentiert

Am Montag ist ein Strategiepapier für die heimische Landwirtschaft präsentiert worden. Diesem zufolge hat das System Schwächen. Um den Lebensraum und die Artenvielfalt zu erhalten, ist daher eine Wende der Landwirtschaftspolitik notwendig.

Studienautorin Maria Anna Schneider-Moosbrugger nennt als Grund die Entwicklung in der Milchwirtschaft. Ein Beispiel sei die Schnitthäufigkeit von Wiesen. Diese nehme durch den Klimawandel mancherorts immer mehr zu, sagt Moosbrugger-Schneider. „Es gibt durchaus noch Bereiche, in denen diese höheren Temperaturen, diese Durchschnittstemperaturen, dazu beitragen, dass noch weiter intensiviert werden kann – ganz eine verrückte Sache“, sagt die Studienautorin.

Vorsitzende Weber gibt aber auch zu bedenken, dass die Landwirtschaft in einem Dilemma stecke: Auf der einen Seite gebe es den Druck zu produzieren, auf der anderen Seite würden den Landwirten immer weniger Flächen selbst gehören. Oft bringe ein Bauprojekt den Besitzern mehr ein als das Verpachten an einen Bauern.

Höhere Produktpreise gefordert

Für den schlechten Zustand des Naturraumes sind laut Schneider-Moosbrugger Bürger, Wirtschaft, Politik und Landwirte gemeinsam verantwortlich. Die Landwirte müssten sich zu Unternehmern entwickeln und sich mit der Qualität ihrer Produkte behaupten. Die Produktpreise müssten deshalb höher sein, sagt die Expertin.

Moosbrugger-Schneider verlangt eine Neuformung und Neuorientierung von Gesellschaft und Landwirtschaft. Ein Schritt dazu sollen „Start-Ups“ sein, in denen die Landwirtschaft wieder regionalisiert wird. Die Umsetzung der Strategie, so die Studienautorin, werde mindestens zwei Generationen dauern.

Vorsichtig positive Reaktionen

Agrarlandesrat Christian Gantner (ÖVP) sagt, es seien bereits die Weichen für eine Landwirtschaft der Zukunft gestellt worden. „Ich denke hier an die Bodensicherung, ich denke hier auch an die Artenvielfalt, ich denke an die Ernährungssicherheit, die die Landwirtschaft durchaus auch ein Stück weit zu gewährleisten hat.“ Es brauche aber auch Wertschöpfung. Die Kundinnen und Kunden würden letztlich mit dem Einkaufszettel für oder gegen die Vorarlberger Landwirtschaft entscheiden.

Auch Umweltlandesrat Johannes Rauch (Grüne) weist darauf hin, dass in der Landwirtschaft schon viel für Umwelt- und Naturschutz passiere. Viele Landwirte würden sich ihrer Verantwortung stellen. „Und dann muss man Brücken bauen und Türen öffnen. Das heißt, man muss den Landwirten eine Chance geben, auch umzusteigen und einzusteigen in solche Programme.“ Das könne nur über Fördergelder geschehen.

Landwirte erkennen keinen Gegensatz

Stefan Simma, Direktor Landwirtschaftskammer, will die Vorschläge noch genau prüfen. Einen Gegensatz zwischen Landwirtschaft und Naturschutz kann er nicht erkennen. „Ich glaube, dass die Landwirtschaft da einen sehr großen Beitrag leistet.“ Schließlich würden die Landwirte 10.000 Hektar Wiesen- und 30.000 Hektar Alpfläche erhalten und auch auf das Tierwohl schauen.

Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger teilte am Nachmittag mit, dass die Studie keine neuen Erkenntnisse bringe. „Artenverlust und Rückgang an Biodiversität ist nachweislich am stärksten und massivsten durch die Klimaveränderung verursacht.“ Darunter würde gerade auch die Landwirtschaft leiden. Es brauche eine gemeinsame gesellschaftliche Kraftanstrengung. „Unsachliche Schuldzuweisungen sind fehl am Platz“, so Moosbrugger.

ÖVP-Landwirtschaftssprecher Bernhard Feuerstein zeigte sich seinerseits überrascht, dass die Landwirte auch für das Artensterben verantwortlich gemacht würden. Die Milchwirtschaft sei nicht der Sündenbock für alles, so Feuerstein.