Prof. Dr. Niko Paech
MICHAEL MESSAL
MICHAEL MESSAL
„Focus“

„Blick in ein entrümpeltes Leben“

In „Focus“ spricht einer größten Wachstums-Kritiker und Gegner der Wegwerf- und Konsumgesellschaft: Der Wirtschafts-Professor für Plurale Ökonomie an der Universität Siegen, Niko Paech. Der Nachhaltigkeitsforscher setzt sich vor allem für die Sicherung der Lebensgrundlagen ein und sieht im Steigerungswahn den größten Feind.

Bei der Arbeiterkammer in Feldkirch hielt Paech den Vortrag mit dem Titel: „Blick in ein entrümpeltes Leben“. Seine Überlegungen lassen aufhorchen: Professor Paech glaubt nämlich nicht, dass man der Klimakrise etwa durch einen sogenannten Green-New Deal beikommen könne, also durchs Umrüsten auf grüne Technologien. Der Nachhaltigkeitsforscher entlarvt ein „grünes“ Wachstum als Mythos. Dabei gelten „grünes“ Wachstum und „nachhaltiger“ Konsum als neue Königswege. Doch den feinen Unterschied – hier „gutes“, dort „schlechtes“ Wachstum – hält Professor Paech für Augenwischerei. Paech verteufelt Ökologietechniken an sich zwar nicht, sie nützen seiner Ansicht aber nur, wenn zeitgleich die Wirtschaft nicht mehr wächst.

Professor plädiert für genügsames Leben

Der Begründer der Postwachstumsökonomie Professor Niko Paech von der Universität Siegen plädiert für ein genügsames Leben – eine Wirtschaft, die ständig unter Plünderung von Ressourcen wächst, hat sich dann überholt. Wir leben nämlich ruinös über unsere Verhältnisse. Der Ruf nach „mehr“ lässt Rohstoffe schwinden und treibt die Umweltzerstörung voran. Das wird uns mittlerweile auch regelmäßig mit Hilfe des sogenannten „Erdüberlastungstages“ aufgezeigt. Das ist jener Tag, an dem die menschliche Nachfrage nach Rohstoffen die Kapazität der Erde übersteigt. Österreich erreichte 2022 diesen Tag bereits Mitte April – vor Deutschland und dem Schnitt der EU. Paech sagt, dass es jetzt also eine Wachstumswende braucht, die wir im Sinne einer ökologischen Verantwortung herbeiführen müssen.

Globale Abhängigkeiten der Wirtschaft wurden uns zuletzt massiv aufgezeigt: Lieferengpässe bei verschiedensten Produkten auf Grund der Pandemie oder des Krieges. Schon deswegen werden wir laut Professor Paech überschaubarer wirtschaften müssen. Er nennt es eine resiliente Wirtschaft.

Sendungshinweis: „Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 18. März 2022, 13.00 bis 14.00 Uhr

Die Idee einer Wirtschaft, die nicht mehr wachsen soll, ruft natürlich auch Gegner auf den Plan. Deren Argumente: Das führt zu Arbeitslosigkeit und zu einem sinkendem Realeinkommen. Paech denkt deshalb über eine Arbeitszeitverkürzung nach, um der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Nur 20 Stunden pro Woche zu arbeiten, würde zwar weniger Geld bedeuten, aber Arbeit verteilen. Zudem würde das einen Zeitwohlstand bringen, meint Professor Paech – man hätte Zeit für Beziehungen.

Vier Zutaten für die Postwachstumsökonomie:

1) Die Suffizienz, also ein genügsames Leben. Es gilt zu schauen, wo man in seinem Leben quasi entrümpeln und Ballast abwerfen kann. Das ist nicht unbedingt konsumfeindlich – denn ein entschleunigtes Leben ohne Reizüberflutung erlaubt es nach Ansicht von Professor Paech überhaupt erst den Konsum zu genießen, andernfalls landen Menschen, die nicht mehr genießen können, in einem „Konsumburnout“.

2) Die Subsistenz. Es gilt Dinge wieder selbst zu machen, oder auch Obst und Gemüse selbst anzubauen – und das gemeinschaftlich. Solidarische Selbstversorgung ist ein Zauberwort: Dinge, die man besitzt zu teilen, Leistungen auszutauschen und – ganz wichtig – kaputte Dinge auch wieder zu reparieren, statt sie achtlos wegzuwerfen. Wir brauchen als Ergänzung zum genügsamen Leben eine „Reparaturrevolution“, sagt Paech. Diese Art zu wirtschaften, wäre genügsamer, aber auch stabiler und ökologisch verträglicher.

3) Selbst reparieren wird nicht immer gelingen, es wird auch Profis brauchen, die diesen Service anbieten – und es braucht seiner Ansicht nach eine Regionalökonomie. Die Wirtschaft dürfe sich nicht mehr global abhängig machen.

4) In einer Postwachstumsökonomie braucht es laut Wirtschaftsprofessor Paech natürlich auch eine Industrie – deren Aufgaben ändern sich allerdings: sie muss dauerhafte und konsistente Güter produzieren anstatt Produkte der Obsoleszenz. Es braucht technischen Fortschritt, der haltbarer macht.

Noch ist die Welt nicht bereit, von der Droge „Wachstum“ zu lassen, heißt es in einem der Bücher von Professor Paech. Aber die Diskussion über das Ende der Maßlosigkeit nimmt seit Jahren an Fahrt auf.

Professor Niko Paech spricht sich also für eine neue Lebenskunst aus – jenen Ballast abzuwerfen, der zur Überforderung führt. Es gilt seiner Ansicht nach viel genauer darauf zu achten, was sich ein Individuum an materiellen Freiheiten nehmen darf, ohne sozial und ökologisch über seine Verhältnisse zu leben.

Zur Person:

Prof. Dr. Niko Paech ist einer der profiliertesten Wachstumskritiker Europas und wurde mit seinem Buch „Befreiung vom Überfluss“ (2012) zum führenden Vordenker der Postwachstumsökonomie im deutschsprachigen Raum.
Paech ist außerplanmäßiger Professor im Bereich Plurale Ökonomie an der Universität Siegen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Umweltökonomie, der Ökologischen Ökonomie und der Nachhaltigkeitsforschung.

Buchtipps:

Die Befreiung vom Überfluß – Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, 2012 im oekom-Verlag

All you need is less: Eine Kultur des Genug aus ökonomischer und buddhistischer Sicht – gemeinsam mit Manfred Folkers – 2020 ebenfalls oekom

Wachstum – Streitfrage, gemeinsam mit Katja Gentinetta – 2022, Westend-Verlag

Niko Paech – Blick in ein entrümpeltes Leben
Aufgezeichnet in der Reihe „Wissen fürs Leben in der Arbeiterkammer in Feldkirch