Philipp Blom
Peter Rigaud
Peter Rigaud
„Focus“

Philipp Blom über die Ausbeutung der Erde

Der in Wien lebende Philipp Blom ist – wie er selbst sagt – ein Historiker, der sich mit der Zukunft beschäftigt. In seinem Vortrag „Macht euch die Erde untertan. Aufstieg und Fall einer Idee“, den er bei den Goldegger Dialogen gehalten hat, hinterfragt er einen Satz aus der Bibel und zeigt auf, wie es mit der Ausbeutung unseres Planeten überhaupt so weit kommen konnte.

In der aktuellen „Focus“-Sendung hinterfragt der Historiker Philipp Blom den berühmten Satz aus der Bibel – ja man könnte beinahe sagen einen Auftrag an uns Menschen – der da lautete: „Macht Euch die Erde untertan!“. Der Einfluss des Menschen auf Ökosysteme besteht schon seit jeher. Die schonungslose Ausbeutung der Erde hat mittlerweile nicht nur tiefe Spuren hinterlassen, sie droht dem Menschen jetzt zum Verhängnis zu werden.

Zur Person
Philipp Blom ist Historiker, der sich nach eigener Definition mit der Zukunft beschäftigt. Er ist zudem Schriftsteller, dessen Bücher in 16 Sprachen übersetzt wurden, aber auch Journalist und Filmemacher. Auf Ö1 moderiert er regelmäßig die Diskussionsendung „Punkt Eins“. Seit 2007 lebt er in Wien.

„Wir sind alle damit überfordert“

„Wir leben in Zeiten einer technologischen, zivilisatorischen Beschleunigung, wie sie noch keine Gesellschaft erlebt hat und wir sind alle damit ziemlich überfordert“, stellt Philipp Blom fest. Nach 3.000 Jahren gehe jetzt aber die Idee des Satzes „Macht Euch die Erde untertan“ zu Ende.

Das habe nun auch psychologische Kosten, denn es sei uns ja bislang recht gut mit dem Satz gegangen, sagt Blom. Es war ja schön zu wissen, dass man hier der Chef ist, dass das alles für uns da ist, dass wir der Sinn des Universums sind, und unser Leben viel wichtiger als das aller anderen. Wenn das nun nicht so ist, stellt sich die Frage: Wer sind wir dann?

„Viel schlechter dafür ausgerüstet“

Wenn etwas zu Ende geht, beginnt aber immer auch etwas. In diesem Fall etwas, dessen Qualitäten wir noch nicht verstehen und begreifen können. Es ist aber nach Ansicht von Historiker Blom in jedem Fall eine Revolution, die viel größer ist als die kopernikanische – als wir herausfinden mussten, dass sich die Sonne nicht um die Erde dreht, sondern eben genau andersrum.

Wir seien nun allerdings viel schlechter dafür ausgerüstet, dieser Transition – also diesem Übergang – die Stirn zu bieten oder konstruktiv zu handeln, denn unser Handeln orientiere sich immer noch an Ideen, die wir aus der Bronzezeit erben, sagt Blom. Das sei – sagt der Historiker – nicht besonders hilfreich.

Eine Zeitreise

Zunächst nimmt uns der deutsche Historiker Blom aber mit auf eine Zeitreise. Die Idee, sich die Erde untertan zu machen, komme bereits im Gilgamesch-Epos, der ersten schriftlichen Geschichte der Menschheit, vor – und dann erst in der Bibel. Damals habe man nämlich eifrig voneinander abgeschrieben.

Wie der berühmte Bibel-Satz zu verstehen ist, wie man das mit dem untertan machen deuten und auslegen kann und soll – darüber debattieren Theologen immer noch. Für Philipp Blom ist aber klar: Gemeint war ein Unterwerfen – und zwar ein ziemlich gewaltvolles. Die sprachliche Überlieferung sei da sehr eindeutig. Die Erde sei plötzlich und erstmals zur Ressource geworden.

„Heillose Selbstüberschätzung“

Für lange Zeit etwas „untertan machen“ – eine heillose Selbstüberschätzung, sagt Blom. Denn lange gab es die nötigen technischen Mittel gar nicht, um in der Natur ernsthaft Schaden anzurichten.

Insbesondere das Christentum war für diese Ideen dann aber empfänglich. Anders als man meinen könnte, war es auch in der Epoche der Aufklärung nicht viel anders, sagt Blom. Im Grunde habe die Aufklärung nur die Ideen des Christentums quasi umetikettiert – und so hielten sie sich bis heute.

Verbreitung durch die Kolonialisierung

Damals wie heute gehe es also um die wissenschaftliche Naturbeherrschung und um die Denkweise, dass wir außerhalb der Natur stünden. Und das habe sich rasch weltweit durch die Kolonialisierung verbreitet. Viel drehte sich laut Blom um folgende Frage: Wer oder was ist Natur? Wenn unser Schicksal ist, Kultur zu werden und die Natur unsere Herkunft ist, dann ist es deutlich, dass die Kultur die Natur beherrschen muss.

Diese Denkweise sei äußerst effizient gerechtfertigt worden, sagt der deutsche Historiker. Heute würden ja immer noch viele denken, wir Menschen stünden über den Dingen – die Natur sei für uns einfach verfügbar. Diese Auffassung sei in der globalisierten Wirtschaft fest verankert, so Blom.

Technische Mittel durch die industrielle Revolution

Seit der industriellen Revolution war das Unterwerfen der Natur auch keine Selbstüberschätzung mehr. Plötzlich waren die technischen Mittel dazu da, vor allem dann durch Erdöl. Zwischen 1950 und 1960 setzt auch das CO2-Problem ein, alle Indikatoren fangen zu dieser Zeit laut Blum an, verrückt zu spielen.

Sendungshinweis: „Focus“, 15. Oktober 2022, 13.00 Uhr

Es folgte ein enormer technischer Fortschritt innerhalb kürzester Zeit – und das hat jetzt Folgen: Mit der Klimakatastrophe wird langsam auch dem Letzten bewusst, dass sich das so nicht ausgeht. Es ist unbestritten, dass sich viele Faktoren positiv nach oben entwickelt haben, sagt Blom, etwa im Bereich der Bildung oder der Gesundheit, aber oft zum Preis der Zerstörung unserer eigenen Lebensgrundlage. „Wie groß ist dann also dieser Fortschritt?“, fragt der Historiker.

Neues Buch
Das neue Buch von Dr. Philipp Blom erscheint am 26. September 2022 im Hanser Verlag.

Nicht nur die Natur, die die Menschen geplündert haben, scheint nun dem Untergang geweiht, sondern auch das liberale Wirtschaftsdenken, das diese Plünderungen ausgelöst und beschleunigt habe. Das liberale Projekt kollabiere. Wirtschaftswachstum ist für Philipp Blom keine sinnvolle Antwort mehr.

„Wenn wir die Erde nicht beherrschen können, weil uns die Natur jetzt sehr deutlich vor Augen führt, wie unmöglich das ist, wer oder was sind wir dann eigentlich?“, fragt Historiker Philipp Blom. Wo stehen wir? Wenn der Satz „Macht Euch die Erde untertan“ offensichtlich falsch ist, was haben wir dann noch? „Wir stehen nicht über der Natur, wir sind Natur“, zeigt Historiker Philipp Blom auf.