Teddybär (Symbolbild)
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„Focus“

Trauma kann Kinder und Jugendliche schwer treffen

Die psychischen Folgen von sexuellem Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung wiegen vor allem bei Kindern und Jugendlichen schwer. Das thematisierte Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Miriam Rassenhofer im Rahmen der Reihe „Wertvolle Kinder“ des Vorarlberger Kinderdorfs in Lustenau.

In ihrem Vortrag „Schritte in die Welt – Traumatisierte Kinder und Jugendliche“ sprach sie auch darüber, welche enormen Auswirkungen Missbrauch oder Vernachlässigung auf den weiteren Lebensweg von Kindern und Jugendlichen haben können.

Sendungshinweis:
„Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg

In der heutigen „Focus“-Sendung gibt die auf Kinderschutz spezialisierte Ärztin und Therapeutin, die mehrere Ratgeber zum Thema verfasst hat, anhand konkreter Fallbeispiele spannende Einblicke in ihre Arbeit. Sie erlaubt so einen faszinierenden Einblick in ganz neue Therapiemethoden.

Trauma als Verletzung oder Wunde

Rassenhofer erklärt außerdem, was ein belastendes Ereignis für Kinder zu einem Trauma macht, wie Eltern und begleitende Personen sie unterstützen können und wann es angesagt ist, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Das Wort Trauma kommt aus dem Griechischen und heißt nichts anderes als „Wunde“, „Verletzung“. Über Trauma wird so viel gesprochen, ohne dass oft klar ist, was damit wirklich gemeint ist. Das Thema scheint zu faszinieren: In fast jedem besseren oder schlechteren Fernseh-Krimi dichtet der Drehbuchautor dem Opfer oder mitunter auch dem Täter ein Trauma an.

Unterschiedliche Auslöser können Trauma verursachen

Miriam Rassenhofer
Privat
Psychologin und Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Miriam Rassenhofer

Es ist der Kontrollverlust, der zur Symptomatik führt und es gibt mehrere Ursachen für Traumata – etwa Naturkatastrophen, sehr schwere Unfälle und jegliche Art von Gewalt (auch wenn von dieser „nur“ Zeuge wird). Die durch andere Menschen zugefügten seelischen Verletzungen sind am gravierendsten.

Je nach Alter eines Kindes oder Jugendlichen fallen die Folgen auch unterschiedlich aus. Das Alter ist sogar entscheidender als das, was vorgefallen ist. Je nach Lebensalter zeigen sich dann die typischen Störungen: beispielsweise Regulationsstörungen bei einem Baby, ADHS beim Volksschulkind, Selbstverletzung in der Pubertät, usw.

Ganz klar ist auch, dass Belastungen in der Kindheit ganz deutliche Auswirkungen auf das Erwachsenenleben haben: Eine Mehrfachbelastung in der Kindheit erhöht das Risiko auf einen Suizid als Erwachsener um das zwölffache. Es sei ein weitaus größerer Zusammenhang als zwischen dem Rauchen und einem Lungenkrebs, sagt Rassenhofer.

Keine Schwierigkeiten trotz Trauma

Die Ulmer Universitätsprofessorin Miriam Rassenhofer arbeitet auch als Therapeutin und weiß daher, wie sehr das Risiko für ein Trauma sinkt, wenn Kinder und Jugendliche resilient sind. 35 bis 65 Prozent aller Menschen, die je ein traumatisches Erlebnis erlebt haben, sind resilient. Das heißt, sie haben entweder gar keine Schwierigkeiten oder können in Teilbereichen gut weiter am Leben teilhaben. Etwa 20 Prozent bis 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen überstehen Misshandlung, Vernachlässigung und Missbrauch ohne klinisch relevante Folgen oder Einschränkungen des Funktionsniveaus.

Ein wichtiger resilienzfördernder Faktor dabei ist die soziale Unterstützung. Ebenso schützen ein guter Selbstwert, Intelligenz und Optimismus. Hilfreich ist auch die Anerkennung des Leides. Wenn etwas (etwa die Erzählung über einen sexuellen Missbrauch) nicht geglaubt oder bagatellisiert wird, wird es laut Rassenhofer viel schwieriger für die Betroffenen, damit klarzukommen.

Unterschiedliche Möglichkeiten der Bewältigung

Rassenhofer zeigt auch auf, dass traumatisierten Kindern bei der Bewältigung sehr viel hilft: Etwa ein strukturierter Alltag. „Sie brauchen da insofern auch keine Sonderbehandlung“, sagt die Expertin. Geltende übliche Regeln sollen aufrechterhalten bleiben. Sehr hilfreich ist natürlich auch ein gutes Vertrauensverhältnis, das sich durch Verlässlichkeit zeigt.

Kindern und Jugendlichen hilft im Fall des Falles auch sehr gut eine Traumatherapie. Besonders wichtig ist dabei die Trauma-Konfrontation. Damit alles zum einen guten Ende kommt, schreiben die Kinder – oder malen – über jenen schlimmen Moment, jenes Ereignis, das sie letztendlich traumatisiert hat. „Ohne diese Konfrontation geht es nicht“, Rassenhofer.

Ziel ist letztendlich, dass Kinder und Jugendliche ihre traumatischen Erinnerungen mit weniger Angst erleben. Das Ereignis zu vergessen ist nicht möglich, sagt Rassenhofer, man kann es aber in sein Leben einordnen und den Stress beilegen.

Literaturliste zum Thema sexueller Missbrauch

  • Hanna und die Graue Wolke (Jörg M. Fegert, Ulrike Hoffmann, Elisa König, Miriam Rassenhofer – Psychiatrie Verlag- ISBN 978-3-86739-260-0)
  • Information für Eltern, Lehrer und Erzieher (Goldbeck, Marc Allroggen, Annika Münzer, Miriam Rassenhofer, Jörg M. Fegert: Hogrefe-Verlag; ISBN: 9783801716813)
  • Ratgeber Posttraumatische Belastungsstörung (Rita Rosner, Regina Steil; Hogrefe-Verlag; ISBN
    ISBN 978-3-8017-1819-0)
  • Ratgeber Misshandlung und Vernachlässigung: Informationen für Eltern, Lehrkräfte und weitere Bezugspersonen (Miriam Rassenhofer, Jörg M. Fegert, Ute Ziegenhain, Oliver Berthold, Ulrike Hoffmann, Andrea Kliemann; Hogrefe-verlag; ISBN: 9783801727123)