Man giving a like to photo on social media or swiping on online dating app. Finger pushing heart icon on screen in smartphone application. Friend, follower or fan liking picture of a beautiful woman.
terovesalainen – stock.adobe.com
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„Focus“

Über Dating-Apps, Partnerbörsen und Pornos

Liebe digital? Ist die möglich? Mit dem großen Gefühl ist das im Internet so eine Sache. Fakt ist: In Sachen Sexualität hat die digitale Welt vieles verändert und bei der Pornoindustrie nahezu alles auf den Kopf gestellt.

Die bekannte deutsche Ärztin und Sexualtherapeutin Melanie Büttner hat bei den diesjährigen Lindauer Psychotherapiewochen, eine der größten Fortbildungsveranstaltungen im Bereich Psychotherapie weltweit, über das Thema „Liebe Digital“ referiert. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht, arbeitet als Dozentin für verschiedene Fortbildungsinstitute und wird als Expertin oft von deutschen Medien wie dem WDR, dem Spiegel oder Stern eingeladen. In „Focus“ spricht sie über Dating-Apps, Partnerbörsen und Pornos.

Regelrechter Boom auf Online-Dating

Die Pandemie war bislang die Zeit schlechthin für Online-Dating, es gab einen regelrechten Boom. Eine erste Annäherung, das Kennenlernen und auch das sich Verabreden funktionieren digital gut. Gerade in den Lockdowns war es für viele nur digital möglich ihre Liebe aufrecht zu erhalten, sagt Melanie Büttner. Das Internet war da ein Segen. Es hängt laut Büttner viel davon ab, wie man dem gegenüber eingestellt ist.

Sie kenne Menschen, für die es viel leichter ist über digitale Medien in eine Intimität zu gehen und es gibt ja auch Menschen für die Nähe nicht nur positiv ist, für die eine körperliche und emotionale Intimität auch etwas Beängstigendes darstellt. Die fühlen sich dann vielleicht in der digitalen Welt sicherer. Für viele wird es dann aber drängend, jemanden real zu fühlen und zu spüren, ein echtes Leben miteinander zu teilen.

Partnerbörsen im Internet funktionieren recht gut, sagt Sexualtherapeutin Melanie Büttner. Indem sie Geld nehmen, ist die Gefahr geringer, dass dort jemand nur Abwechslung, Zeitvertreib oder Sexkontakte sucht. Natürlich gibt es auch Menschen, die dort enttäuscht werden, sagt Büttner, aber nicht in einem größerem Ausmaß als bei der Partnersuche Offline das auch schon immer der Fall war.

Manche Menschen sind aber auch überfordert durch das Angebot, das besteht, das nennt sich dann „Choice-Overload-Effekt“. Manche Menschen wollen sich dann gar nicht mehr festlegen, weil sie glauben, dass hinter dem nächsten Mausklick immer noch eine bessere Person wartet. Da ist dann die Fallhöhe auch recht hoch. Für Melanie Büttner sind da die Partnerbörsen auch in der Verantwortung die Menschen ein Stück weit zu begleiten.

Pornos wurden zu einem Massenphänomen

Pornos sind zu einem Massenphänomen geworden. Sexfilme sind mittlerweile jederzeit mit einem Mausklick gratis zu bekommen. Damit ist es auch kaum mehr möglich, den Zugang zu steuern und zu limitieren, der Schutz von Jugendlichen und gar Kindern war bis dahin noch nie so ein Problem. Deutsche Studien haben ergeben, dass Jugendliche im Durchschnitt erstmals im Alter von 14 Jahren mit Pornofilmen in Berührung kommen – und das oft unfreiwillig. Teils kamen Kinder schon im Volkschulalter damit in Kontakt, sagt Ärztin und Sexualtherapeutin Melanie Büttner. Mitunter ist es ein Schock, den Kinder jahrelang nicht vergessen. Denn die in vielen Filmen gezeigten expliziten Szenen und die damit oft verbundene Gewalt können Minderjährige extrem verstören, das kann der Erfahrung nach dann auch eine Depression auslösen, sagt Sexualtherapeutin und Psychotherapeutin Büttner.

Schutz durch Aufklärung

Da ist Schutz immens wichtig und der wird immer schwieriger. Aus Sicht von Therapeutin Melanie Büttner kommt der Aufklärung eine umso wichtigere Rolle zu. Die sollte ihrer Ansicht nach cirka im Volksschulalter beginnen, auf kindgerechte, behutsame und achtsame Art – damit ein Kind nicht zu sehr verstört wird, wenn es mit einem Pornofilm in Kontakt kommt. Das wäre die beste Vorsorge. Aus Sicht von Melanie Büttner wäre es wichtig, dass Kinder und Jugendliche eine Kompetenz in dem Thema aufbauen, ähnlich wie es etwa darum geht Kinder stark zu machen, damit sie Suchtgefahren wie Alkohol oder Drogen besser begegnen können. Zudem braucht es dann eine gute Begleitung von Familie und Freunden. Das ist bei diesem Thema vielleicht auch der effektivste Schutz von Kindern, denn der Zugang zu Pornos übers Internet ist allzu leicht möglich und trotz aller Sperrmechanismen kaum zu verhindern.

Ein Problem der digitalen Welt generell ist die Übereinstimmung oder eben nicht-Übereinstimmung mit der realen, der analogen Welt. Viele wollen die Realität zur Digitalität trimmen, wollen etwa so aussehen wie die Pornodarsteller und streben danach ihre Körper durch Schönheitsoperationen dorthin zu bringen. Andere wiederum versuchen sich etwas aus der digitalen Welt, also etwa von Pornos, abzuschauen und verlangen deswegen etwa nach brutalen Sexualpraktiken. Das sei ein Dauerthema in der sexualtherapeutischen Paris, sagt Sexualtherapeutin Melanie Büttner. Wenn das dann auch auf eine Frau trifft, die glaubt, sie müsse das aushalten, um die Wünsche des Mannes zu erfüllen, gibt das schwerwiegende Probleme.

Jemand dar ständig in der digitalen Welt unterwegs ist, verpasst zudem natürlich auch das echte Leben. Dennoch verlieren sich viele Menschen nicht nur im Internet an sich, sondern im Verlangen nach immer neuen Sexclips im speziellen. Es sind zudem vor allem, die brutalen, gewaltvollen Filme, die am meisten geschaut werden.
Pornos machen offenbar süchtig. Forschungen haben ergeben, dass die Suchtgefahr ähnlich groß ist, wie der Konsum von harten Drogen. Es werden nämlich die gleichen Belohnungszentren im Hirn aktiviert. Das Gesundheitssystem ist laut Ärztin Melanie Büttner damit völlig überfordert, weil es bislang auch keine anerkannte Diagnose war. Jetzt wird erstmals so eine Krankheit definiert, die zwanghafte Sexual-Verhaltensstörung. Das sei eine Chance, das Gesundheitssystem zu adaptieren. Derzeit laufe – sagt Melanie Büttner – noch sehr viel über Selbsthilfegruppen, da die Therapeutinnen und Therapeuten noch gar nicht entsprechend ausgebildet sind.

Melanie Büttner
Nicki Schäfer
Sexualtherapeutin Melanie Büttner

Zur Person:

Dr. med. Melanie Büttner ist eine Münchner Sexualtherapeutin, sowie Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und moderiert den Podcast „Ist das normal?“ von Zeit-Online in dem sie gemeinsam mit dem preisgekrönten Journalisten Sven Stockrahm. Themen der Sexualität diskutiert Büttner ist Inhaberin einer eigenen Praxis für Sexual-, Trauma- und Psychotherapie und Dozentin für verschiedene Fortbildungsinstitute. Als Expertin wird sie oft von deutschen Medien eingeladen wie dem WDR, dem Spiegel oder Stern.