Inge Patsch
Alexandra Serra
Alexandra Serra
„Focus“

„Tu weniger als du kannst“

„Tu weniger als du kannst“, sagt die Psychotherapeutin Inge Patsch. Sie gibt in einer Gesellschaft, in der es oft nur um Leistung geht, praxisorientiere Tipps, die nicht nur das eigene Denken anregen, sondern auch das Herz berühren und die seelische Widerstandskraft stärkt.

„Tu weniger als du kannst“- der Titel ihres Vortrages im Sonnenbergsaal in Nüziders im Rahmen von Kultur.LEBEN 2022 ist in unserer Zeit geradezu „frivol“, sagt die Gründerin und langjährige Leiterin des Tiroler Instituts für Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl, Inge Patsch. Schließlich leben wir in einer Leistungsgesellschaft.

Sendungshinweis: „Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 7. Mai 2022, 13.00 bis 14.00 Uhr

Der Druck immer was zu tun, ständig seine Leistung zu bringen, ist groß. Inge Patsch will diesen Druck etwas nehmen. Mit ihrem Vortrag setzt sie diesem Zeitgeist auf sehr persönliche Art und Weise etwas entgegen. Die Psychotherapeutin gibt eine praxisorientierten Lebensorientierung, die nicht nur das eigene Denken anregt, sondern auch das Herz berührt und die seelische Widerstandskraft stärkt. Ihren Vortrag will sie als eine Art Wegweiser zu sich selbst verstanden wissen, der Begeisterung und Freundschaft für das Leben weckt.

Wenn man weniger tut, als man kann, „dann kann mehr entstehen als das, womit wir rechnen können“ zitierte Inge Patsch einen Gedanken des deutschen Geigenbauers und Autors Martin Schleske. Mitunter einfach geschehen lassen, ungeplant etwas entstehen lassen, mehr auf seine Seele hören – dazu rät Inge Patsch.

Vertrauen auf das Gute

Vertrauen auf das Gute ist dabei eine Art Grundvoraussetzung. Im „Faust“ steht: „Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben.“ Inge Patsch unterstreicht die Bedeutung von Vertrauen mit einer persönlichen Geschichte. Zu einer Zeit, als ihr Sohn mit dem Auto viel unterwegs war, und sie sich deswegen großen Sorgen machte und dadurch schlecht geschlafen hat, hat ihr ihre Großmutter folgendes mit auf dem Weg gegeben: „Weißt du, wenn ihm nichts passiert, wirst du die nächsten Jahre schlecht schlafen – und das schadet dir. Und wenn ihm was passieren sollte, wirst du den Schlaf vorher dringend nötig haben!“ Da hat mir meine Großmutter das Leben zugemutet, sagt Inge Patsch.

Inge Patsch
Patsch
Inge Patsch

Seele baumeln lassen

Inge Patsch hält es für wichtig, sich nicht zu viel vorzunehmen, ausgelastet sind wir sowieso genug. Einfach mal auch die Seele baumeln zu lassen – denn nur so kann sie auch zu Kraft kommen, um dann wieder Kraft zu geben. Man muss aufpassen, dass nicht der eigene Gedanke an Arbeit einen am erholsamen Entspannen hindert, denn es gibt immer etwas zu tun. Das Ausrasten kann eine Bereicherung für das eigene Leben sein. Daran sollte man sich erinnern. Es gilt eine gute Passivität zu lernen. Die verlangt von uns die Fähigkeit in Ruhe nachzudenken – und zwar ohne sofort ein bestimmtes Ergebnis anzustreben. Das Nichtstun ist leichter, solange man noch freiwillig kann, sagt Inge Patsch, als wenn man in die Lage versetzt wird, nichts mehr tun zu können.

Zur Person:
Inge Patsch, geboren 1952, ist Logotherapeutin und bietet Seminare und Vorträge in der Erwachsenenbildung und in der Fortbildung in pädagogischen Akademien und Instituten an. 2001 gründete sie das Tiroler Institut für Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl und war 20 Jahre lang dessen Leiterin. Inge Patsch hat mehrere Bücher veröffentlicht.

Psychotherapeutin Inge Patsch hält es also wichtig auch Ruhe zu geben, um zur Ruhe zu kommen. Und um dann auch bereit zu sein für den Genuss. Den gilt es neu zu beleben, dem Genuss muss man Zeit geben. Genießen braucht auch Energie. Die sollte man also unbedingt im Leben haben.

Deshalb ist es sinnvoll auch gut mit seinem Umfeld auszukommen, eine Atmosphäre des Wohlwollens zu fördern, damit einem im menschlichen Miteinander nicht nötige Energie unnötig geraubt wird. Zu dieser Atmosphäre muss man selbst beitragen und dazu sollte man sich auch hinterfragen. Der spanische Philosoph und Soziologe José Ortega y Gasset hatte einst gewarnt: Ständige Gereiztheit und hartnäckige Übellaunigkeit sei etwa ein sicheres Zeichen dafür, dass man gegen seine Bestimmung lebt.

Manchmal trifft man im Leben auf andere Menschen, die sich überheblich fühlen, sich auf eine übergeordnete Stufe stellen und von oben auf einen herablassend blicken. Hier zuversichtlich auf Verständnis zu warten sein Energieverschwendung, sagt Inge Patsch.

Mit seiner Energie könnte man doch auch Dinge teilen, die man mag, seine Begeisterung für etwas mit Freunden teilen. Leben heißt zeigen was man liebt, sagt Inge Patsch. Das belebt Freundschaften und Freundschaften sind lau Max Frisch das, was am Ende bleibt.