Alfried Längle
Regina Längle
Regina Längle
„Focus“

Hoffen als existenzieller Akt

„Hoffnung ist mehr als ein Gefühl“, sagt Dr. Dr. Alfried Längle. Thema der heutigen Focus-Sendung ist die Hoffnung, die eine Tat, ein existenzieller Akt ist. Das beschreibt Längle in seinem Vortrag „Hoffen als existenzieller Akt – die Beziehung zum Leben halten“, der in der Villa Falkenhorst in Thüringen aufgezeichnet wurde.

Sendungshinweis: „Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 16. April 2022, 13.00 bis 14.00 Uhr

In der Hoffnung will man dem Unglück und dem Leid nicht weichen, sondern dagegenhalten. Man hält die Beziehung zu einem Wert, man hält die Treue und somit ist Hoffen eine Aktivität. Und das ist laut Längle die Kunst: Aktiv zu sein, obwohl man nichts tun kann. Damit wird der Zukunft ein Raum eröffnet.

Hoffnung als tröstendes Gefühl

Die Hoffnung wird oft als ein tröstendes Gefühl verstanden, das das Leiden oder den Verlust beruhigt. Es steckt auch die Sehnsucht einer tiefen Geborgenheit darin. Hoffnung ist keine Erwartungshaltung, betont der in Götzis gebürtige Psychotherapeut und Arzt Alfried Längle, denn eine Erwartung ist berechnend.

Sie sei – ganz nüchtern betrachtet – eine erkenntnistheoretische Haltung, nämlich die Haltung der Offenheit. Hoffnung sei insofern also eine große Offenheit. „Der Gedanke ist ganz einfach“, erklärt Längle: „Was noch nicht eingetreten ist, ist nicht ausgeschlossen. Sicher ist nur, was eingetreten ist, was der Fall ist – was nicht da ist, ist noch nicht und was noch nicht ist, ist noch nicht sicher. Man gibt allen Möglichkeiten in der Hoffnung eine Chance, selbst dass ein Wunder geschehe.“

Man hofft, wenn man nichts mehr tun kann

Die Hoffnung wird dann wichtig, wenn man selbst nichts mehr zur Verbesserung seiner Situation tun kann. „Hoffnung ist zudem ein Beziehungsthema“, sagt Alfried Längle – es geht nämlich um die Beziehung zum Leben. Der Hoffende schlage sich auf die Seite des Lebens, sagt Professor Längle. „Ich halte meine Beziehung mit dem, was mir wertvoll ist (etwa dass ich gesund werde) und somit halte ich die Treue zu mir. Wer hofft, lässt sich nicht im Stich.“

Hoffen in der Untätigkeit, das bedeutet also: Abwarten, Vertrauen, sein lassen und Treue halten. Man kann nichts tun – und kann eben doch was tun, nämlich auf der Ebene des Geistigen. In einem größeren Kontext gesehen ist die Hoffnung sinnstiftend. Sie ist nämlich auf die Zukunft ausgerichtet. „Man fühlt sich geborgen und aufgehoben“, erklärt Psychotherapeut Längle.

Hoffnung als Medizin

Man hat erforscht, dass Hoffen auch gesund ist, weil es resilient macht. Menschen, die hoffen, sind viel weniger anfällig für Krankheiten und sie werden viel schneller gesund. „Hoffen ist also fast wie ein psychosomatisches Medikament“, sagt der Arzt Alfried Längle. Problematisch wird es nur, wenn man sich falsche Hoffnungen macht und den Realitätssinn verliert.

Das Gegenteil der Hoffnung ist die Resignation – das nimmt den Menschen die Vitalität und macht ihn krank und depressiv. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt – oder wie der römische Philosoph und Politiker Cicero einst sagte: „Dum spiro spero“ – solange ich atme, hoffe ich.