„Focus“

„So geht Veränderung – Was sich ändern muss für eine gute Zukunft“

Gast in der Sendung „Focus“ ist Dr. Kriemhild Büchel-Kapeller, Expertin für Sozialkapital und Nachhaltigkeit/ Enkeltauglichkeit. In ihrem Vortrag spricht sie über die Zukunft: „So geht Veränderung – Was sich ändern muss für eine gute Zukunft“

Büchel-Kapeller arbeitet im Büro für Freiwilliges Engagement und Beteilung im Amt der Vorarlberger Landesregierung. Sie hat langjährige Erfahrung in Gemeinde- und Regionalentwicklungsprozessen und kann zahlreiche Vortragstätigkeiten (u.a. Forum Alpbach und Club of Vienna) vorweisen. Sie hielt auch Gastreferate an der Hochschule Liechtenstein, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft und an der Fachhochschule Vorarlberg.

Wir leben über unsere Verhältnisse

Der Klimawandel stellt uns womöglich vor die größte Herausforderung der Menschheit. Der Veränderungsdruck ist groß, ein grundlegender Wandel dringlich. Wie lässt sich aber der Mensch bzw. die Menschheit ändern? Obwohl bereits seit Jahrzehnten klar ist, was wir gegen die Zerstörung unserer Natur, ja unseres Planeten tun müssten – nämlich anders leben und anders wirtschaften – ist das menschliche Beharrungsvermögen immens, etwas konkret zu verändern fällt uns extrem schwer.

Kriemhild Büchel-Kapeller
Petra Rainer
Dr. Kriemhild Büchel-Kapeller

Das vorarlberg museum hat daher die Reihe „Change! Aber wie?“ ins Leben gerufen. Dr. Kriemhild Büchel-Kapeller zeigt uns in ihrem Vortrag „So geht Veränderung – Was sich ändern muss für eine gute Zukunft“ einige Möglichkeiten und Veränderungsprozesse auf, die uns Mut geben Dinge anzupacken, um sie in eine positive Richtung zu verändern.

Diesmal braucht es einen Paradigmenwechsel, einen Systemwandel, weil wir an unsere Grenzen stoßen. Wir leben über unsere Verhältnisse. Nur ein Beispiel: Pro Tag sterben 70 bis 150 Pflanzen- und Tierarten aus. Es gibt aber bei beinahe täglichen Horrormeldungen eine gewissen Apokalypse-Ermüdung, sagt die Bregenzer Expertin für Nachhaltigkeit Büchel-Kapeller, man kann und will solche Dinge schon gar nicht mehr hören. Die Folge: der Mensch weist diese Tatsachen von sich und kommt nicht ins Handeln.

Wohlstand neu bewerten

Für den Wandel braucht es das Verständnis, dass die Dinge zusammenhängen und Wechselwirkung haben. Und bei allen Herausforderungen muss der Mensch im Mittelpunkt stehen, aber nicht im Sinne eines noch stärkeren Egoismus auf Kosten anderer, sondern im Sinne einer gelebten Enkeltauglichkeit, zu erkennen, dass Wirtschaft, Soziales und Umwelt zusammenhängen.

Es braucht auch Weitblick, sagt Büchel -Kapeller, denn wir haben diesen Planeten nicht von unseren Vorfahren übernommen, sondern noch mehr von nachfolgenden Generationen geliehen. Büchel-Kapeller zitiert dazu den indischen Philosophen Rabindranath Thakur: „Wer Bäume pflanzt, obwohl er weiß, dass er nie in ihrem Schatten sitzen wird, der hat zumindest damit begonnen, den Sinn des Lebens zu verstehen.“

Das bedeutet eine komplette Neuausrichtung der Wirtschaft. Auch die Vorarlberger Initiative „Moll des goht“, an der namhafte Unternehmen teilnehmen, hat sich dieser neuen Form des Wirtschaftens verschrieben. Letztendlich geht es um die Frage, wie unsere Wirtschaftsweise sein muss, dass wir ein zufriedenes, ein glückliches Leben haben. Dazu muss Wohlstand neu bewertet werden. Wohlstand ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt. Das fatale ist zum Beispiel laut Büchel-Kapeller, dass das BIP bei Katastrophen steigt, weil dadurch sehr hohe Reparaturkosten wieder anfallen. Das Ziel müsse – sagt Büchel-Kapeller – also sein, dass wir besser leben, anstatt noch mehr Besitz anzuhäufen.

„Verzicht ist ein schlechter Motivator“

Damit der Einzelne etwas für eine enkeltaugliche Zukunft unternimmt, damit er seine Gewohnheiten ändert, braucht es zunächst einmal Begeisterung, sagt Kriemhild-Büchel-Kapeller. Ausschlaggebend sind auch „Wirksamkeit-Konkret-Erfahrungen“. Man könne jemanden noch so lange erzählen, wie es ist selbst das eigene Gemüse oder Obst anzubauen, aber das sei nichts im Vergleich, wenn jemand selbst das Obst erntet und hineinbeißen kann. Die eigenen Erfahrungen selbst zu spüren – das hat eine große Veränderungskraft.

Sendungshinweis: „Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 26. Februar 2022, 13.00 bis 14.00 Uhr

Verzicht ist ein schlechter Motivator, sagt die Nachhaltigkeitsexpertin. Man müsse sich viel mehr fragen, was man bei weniger materiellem Wachstum auch gewinnt. Verbündete finden sei wichtig. Bei Photovoltaikanlagen hat man etwa festgestellt, nicht so sehr die Förderungen sind ein Ansporn eine zu errichten, sondern die „soziale Ansteckung“. Wenn der Nachbar eine Anlage auf dem Dach hat, zieht das Kreise, sagt Kriemhild Büchel-Kapeller, die beim Amt der Landesregierung arbeitet. Da wolle man mithalten.

Auch bei uns in Vorarlberg gibt es zahlreiche Initiativen, bei denen man Anregungen bekommt, was man vor Ort ganz konkret tun könnte. Wir dürfen andererseits nicht vergessen, dass wir in einer globalisierten Welt leben. Die Kraft zur Veränderung kommt vor allem in der Kooperation, im gemeinsamen Tun. Entweder wir schaffen es alle miteinander, sagt Kriemhild Büchel-Kapeller, oder wir werden verlieren.