Wovor hatten Sie zuletzt Angst? Angst im Job zu versagen, Angst bei Glatteis sich den Fuß zu brechen, Angst sich mit Omikron anzustecken? Es gibt so viele Dinge, vor denen wir uns fürchten könnten und es manchmal durchaus auch tun.
Petra Ramsauer kennt die Angst. Nach ihrer Krebsdiagnose wurde sie Auslandsjournalistin und wagte sich in Kriegsgebiete wie Syrien oder Afghanistan. Furchtlos ist auch sie nicht, die Angst habe sie aber bei dieser Arbeit sehr spät eingeholt. Jetzt sagt die gebürtige Oberösterreicherin von sich selbst: „Ich bin ein extrem ängstlicher Mensch – und das hat mir auch mein Leben gerettet.“
Sendungshinweis: „Focus – Themen fürs Leben“ bei ORF Radio Vorarlberg, 29. Jänner 20212, 13.00 bis 14.00 Uhr
Situationen zum Fürchten gab es in Petra Ramsauers Einsatzgebieten wie in Syrien oder dem Irak zur Genüge und auch Petra Ramsauer selbst war immer wieder mal in Todesgefahr, was ihr oft erst danach bewusst wurde. Über ihre Zeit als Krisen- und Kriegsreporterin in Syrien wollte Petra Ramsauer eigentlich ein Buch schreiben. Bei ihren Vorträgen über diese Zeit wurde sie – zur ihrem Ärger – aber weniger über die Situation dort befragt, viel öfter sprach man sie auf ihre eigene Angst an, wie sie damit umgehe, wie sie diese aushalte.
Krebs zu überstehen, machte sie lebensmutig
Im Alter von 27 Jahren wurde Petra Ramsauer das erste Mal mit Todesangst konfrontiert. Ein Krebs in der Gebärmutter, der sich als halb-bösartig herausstellte und den sie gut überstanden hat. Sie sagt jetzt: „Es ist angsterlösend, wenn man eine schwere Krankheit überlebt“.
Diese Erfahrung ließ Sie auch ihr bisheriges Leben hinter sich lassen, um wagemutig etwas Neues anzugehen – den Beruf der Kriegsreporterin. Das Gefühl der Unverwundbarkeit habe eine Rolle gespielt, vor allem aber wollte sie nun ihren Traum leben und ließ dafür auch einen sicheren Job fallen.

„Es ist eine Kunst, richtig Angst zu haben“
Derzeit macht Petra Ramsauer die Ausbildung zur Traumatherapeutin. Sie möchte vor allem Menschen aus Kriegsgebieten helfen, ihre schrecklichen Erlebnisse besser verarbeiten zu können. Sie sagt: „Es ist eine Kunst, richtig Angst zu haben“.
Angst – sagt Petra Ramsauer – ist das komische Gefühl vor der echten Gefahr, nicht die Konfrontation damit. Nicht das fürchterliche Ereignis macht Angst, viel mehr die Erwartung. Insofern sind die Ängstlichen meist nicht Menschen in Gefahr, sondern jene, die sie mit allen Mitteln vermeiden. Das engt auch ein. Die Angst entscheidet – sagt Petra Ramsauer – über unsere Freiheit und unser Lebensglück.
Mut ist nicht das Gegenteil von Angst
Dem Phänomen Angst will Ramsauer nicht den Mut entgegenstellen, sondern die Gelassenheit oder die Besonnenheit – und mitunter auch den Trost. Der eigentlich sinnvolle Warnmechanismus Angst kann auch krankhaft werden. Stichwort Panikattacken. Die Angst als psychische Störung, die relativ häufig auftaucht. Vorsicht: Wenn man versucht sie wegzudrängen, wird sie umso größer.
Größte Angst: Nicht geliebt werden
Ob im Job, in der Schule oder auf Social Media: Immer öfter erleben vor allem junge Menschen dort das Gefühl nicht zu genügen. Hinter diesem Phänomen steckt in gewisser Weise auch eine der größten Ängste überhaupt – nämlich die Angst, nicht geliebt zu werden. Die ist – sagt Petra Ramsauer – noch gravierender als die Todesangst. Dabei sollte man nicht Angst vor dem Tod haben, sondern vor einem nicht gelebten Leben, einem in der Defensive gelebten Leben.
Angstmuskulatur trainieren
Petra Ramsauer rät, nicht vor der Angst zu fliehen, sich ihr nicht zu entziehen, sondern diese annehmen, sich ihr zu stellen und sie als Teil des Lebens zu akzeptieren. Es sei vollkommen normal und ok mitunter Angst zu haben, sagt Petra Ramsauer. Sie empfiehlt, die „Angstmuskulatur“ – wie sie das nennt- zu trainieren, diese nicht verkümmern zu lassen, denn frei sein von Angst ist eben nicht das Leben ohne Furcht, sondern das reife Aushalten der Angst.

Zur Person:
- Die gebürtige Oberösterreicherin Petra Ramsauer studierte in Wien Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Nahost, in Paris Journalismus.
- Nach Stationen beim ORF, bei Kurier und News, wo sie das Auslandsressort leitete, arbeitet sie seit 2009 als Autorin und freie Journalistin, u.a. für profil, Wiener Zeitung, Ö1, den Schweizer Rundfunk und Zeit online.
- Sie erhielt mehrere Preise, u.a. 2014 den Concordia-Preis für Menschenrechte.
- Im Vordergrund ihrer Tätigkeit steht seit 20 Jahren Krisen- und Kriegsberichterstattung, vor allem aus dem Nahen Osten. Seit 2011 berichtet sie aus Libyen, Ägypten, dem Irak und schwerpunktmäßig aus Syrien.
- Petra Ramsauer macht gerade eine Ausbildung zur Traumatherapeutin.