Das „Leichentabu“ dürfte damit zusammenhängen, dass die Menschen vor Jahrhunderten Angst davor hatten, dass eine Berührung einer Leiche den Tod bringt. „Dieses Leichentabu wirkt auch heute noch nach“, sagt Prein, „es gibt Menschen, die einem Bestatter nicht die Hand geben, die ihn meiden. Außerdem gibt es die Mär vom Leichengift, das für die Lebenden gefährlich sein könnte. Wir gruseln uns vor Leichen, haben Angst, dass sie doch noch einmal aufwachen können, obwohl es heute aufgrund der Expertentotenbeschau keine Scheintoten mehr gibt. Martin Prein erzählt über die Rituale, die die Menschen früher gelebt haben: Eine Schwangere durfte keinen Toten anschauen, der Tote musste mit den Beinen voraus aus dem Haus getragen werden, sonst bleibt der Tote im Haus. Erst, wenn der Verstorbene beerdigt war, war die Ordnung wieder hergestellt.
„Jede Empfindung gegenüber Toten ist normal, wenn man möchte, sollte man Tote berühren, sich intensiv verabschieden. Für viele Menschen ist es wichtig, sich zu verabschieden, den Toten/die Tote noch einmal zu sehen. Sie können dann erst abschließen.“ „Menschen sollen eingeladen werden, sich zu verabschieden und sich selbst entscheiden, ob sie das wollen oder nicht,“ sagt Prein. In solchen Ausnahmesituationen benötigen Hinterbliebene ein sogenanntes „Hilfs-Ich“, eine gute Freundin, einen guten Freund, die sie beim Durchsetzen ihrer Wünsche unterstützen, weil sie dazu selbst nicht in der Lage sind.
Sendungshinweis: „Focus – Themen fürs Leben“, 3. April 2021
Wie sollen wir Trauenden begegnen? Wir dürfen sprachlos sein, sollten das Verhalten der Hinterbliebenen aushalten und würdigen. Es geht um Wertschätzung, aufrichtiges Teilen des Schmerzes.

Buch: Letzte Hilfe Kurs- weil der Tod ein Thema ist
Dr. Martin Prein, Notfallpsychologe und Thanatologe, er hat als Bestatter und für die Krisenintervention gearbeitet. Sein Buch: Letzte Hilfe Kurs- weil der Tod ein Thema ist
Musik:
U. DALLINGER
Lonesome Park
HEART FEELINGS – Touching & Evocative
QUESTIONS OF LOVE
Zwischenmenschliche Dramen, Emotionen und Mitgefühl.