„Focus“

Was Gewalt Kindern und Jugendlichen antut

Gewalt gegen Kinder und Jugendliche kommt in vielen Formen vor. Viele Kindesmisshandlungen werden nie aufgeklärt und kommen nie an die Öffentlichkeit. Ruth Rüdisser beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit dem Thema und erzählt in der aktuellen „Focus“-Sendung von ihren Erfahrungen.

Gewalt gegen Kinder und Jugendliche kann von körperlicher, psychischer, sexueller und spiritueller Art sein. Wenn Kinder Opfer von Gewalt werden und Kampf oder Flucht nicht möglich sind, dann fühlen sie sich ausgeliefert.

Bei schwerer körperlicher Gewalt kommt es sogar vor, dass die Betroffenen die Gewalt ausblenden. Sie haben in dem Moment das Gefühl, ihren Körper zu verlassen und die Situation, wie an der Decke schwebend, von oben zu beobachten, erklärt Rüdisser.

Sendungshinweis:
„Focus – Themen fürs Leben“
Samstag, 30. Jänner 2021
13.00 bis 14.00 Uhr
ORF Radio Vorarlberg

Traumata können das ganze Leben beeinflussen

Im Erwachsenenleben der Opfer kann es vorkommen, dass das Gefühl ausgeliefert und machtlos zu sein, wieder eintritt, wenn es zu einem entsprechenden Auslöser („Trigger“) kommt. Wenn Kinder depressiv sind, Ess- oder Angststörungen haben, schlecht schlafen oder sich selbst verletzten, kann sexueller Missbrauch dahinterstecken. Sehr oft haben sexuell missbrauchte Kinder und Jugendliche später auch mit Schuldgefühlen zu kämpfen, was für Außenstehende nur schwer verständlich ist.

Dr. Ruth Rüdisser ist Psychologin und Psychotherapeutin
Privat
Ruth Rüdisser ist Psychologin und Psychotherapeutin

Zur Person:

Ruth Rüdisser beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit Gewalt gegen Kindern. Sie hat lange für das Institut für Sozialdienste gearbeitet, war Mitglied der Opferschutzkommission des Landes Vorarlberg und ist nach wie vor Ombudsfrau der Diözese Feldkirch.

Sie ist dort Ansprechperson für Betroffene, die in Heimen, Internaten oder anderen Einrichtungen der katholischen Kirche Gewalt erlebt haben. Im „Focus“-Interview erzählt Ruth Rüdisser, dass sie überrascht war, mit welch brutaler Gewalt Kinder Mitte des vorigen Jahrhunderts beispielsweise im Heim Jagdberg in Schlins gezüchtigt wurden.

Vorarlberg: 1.100 Kinder von Gewalt betroffen

Doch Gewalt an Kindern ist kein Phänomen der Vergangenheit. Umfragen in Deutschland und Österreich zeigen ein erschreckendes Ergebnis: Zwischen sieben und zehn Prozent der befragten Jugendlichen geben an, gelegentlich oder sogar öfter gezüchtigt zu werden. Bis zu 25 Prozent der sechs bis 14-Jährigen leiden unter einem gewaltbelasteten Erziehungsstil.

Für Vorarlberg muss angenommen werden, dass 1.100 Kinder aus dieser Altersgruppe alle Sanktionsformen bis zu schweren Körperstrafen erleben müssen, dass sieben Prozent der Kinder – das sind 300 pro Jahrgang – gravierenden körperlichen Angriffen ausgesetzt sind, berichtet der Kinderschutz Vorarlberg.