Matthias Lanzinger: Mein zweites Leben

Diese Woche spricht Behindertensportler Matthias Lanzinger, Gewinner der Silbermedaille im Paralympics-Super-G, in Focus über das Leben nach seinem schweren Skiunfall.

Die Sendung zum Nachhören

Sendehinweis:

„Focus“, 14.3.14

Die Unterschenkel-Amputation

Am 2. März 2008 zog sich Matthias Lanzinger beim Super-G-Weltcuprennen in Kvitfjell (Norwegen) einen mehrfachen, offenen Unterschenkelbruch mit schweren Gefäßverletzungen zu.
Der Abtransport anschließend ins Universitätsklinikum in Oslo dauerte sechs Stunden. Bei der anschließenden Operation kam es zu Komplikationen und wegen schwerwiegender Gefäßverletzungen und der daraus resultierenden Sauerstoffunterversorgung musste der linke Unterschenkel am 4. März 2008 unterhalb des Knies amputiert werden.

Nach dem Tiefschlaf

Das Aufwachen aus dem Tiefschlaf war der entscheidendste Moment in seinem Leben; ein Moment, an den er sich genau erinnere, sagt Matthias Lanzinger. Beide Beine seien vollkommen taub gewesen, er habe nichts gespürt und nichts machen können. Seine Frau sei von den Ärzten vorbereitetet worden, dass es sein könnte, dass er sie nach dem Aufwachen nicht mehr erkennen könnte.

„Meine zweite Lebenschance“

Dann war dieses Aufwachen und seine Frau, die beim Bett saß; er hat sie gefragt, was passiert sei und ob er jetzt im Rollstuhl sitze. Er habe das Strahlen seiner Frau nicht verstanden; er habe sie sofort erkannt und gewusst wer sie ist.
Ihr sei wichtig gewesen, dass er da war, dass er das Leben nochmals geschenkt bekommen habe und dass er sie beim Aufwachen erkannt habe. Sie habe gesagt, dass das größte Glück sei, dass sie beide für ihr Leben nochmals eine Chance bekommen hätten. Diese positive Energie, die er von seiner Frau bekommen habe, habe ihn beflügelt. Es sei ihm überhaupt nicht darum gegangen, was er nicht mehr machen kann, sondern er sah, was ihm alles geblieben ist.

Ein Leben abseits von Erfolgen und materiellem Überfluss

Er habe erkannt, das Leben bestehe nicht nur aus Erfolgen, aus materiellen Dingen, sondern das Leben an sich sei so etwas Schönes und berge viele positive Momente.
Die Suche nach dem Glück sei eine Suche nicht in Äußerlichkeiten, sondern im Innern, bekennt Lanzinger.

„Das Glück hat jeder in sich“, sagt M. Lanzinger. Das Leben sei genauso schön wie es vorher gewesen sei, vielleicht sogar eine Spur glücklicher.

„Im Kopf werden einem die Grundwerte im Leben bewusst, man kommt durch ein solches Geschehen eine Stufe von dem ganzen Treiben, das unser Leben ausmacht, herunter“, ergänzt der Sportler.

Beinstumpf und Prothese

Es sei die schwierigste und gleichzeitig die wichtigste Station während seiner Rehabilitation gewesen, sich mit dieser körperlichen Veränderung anzufreunden.
Es war ihm wichtig, die Bandagen herunterzunehmen, seinen Stumpf mit seiner Form zu sehen, ihn anzugreifen. Es sei ein leichter Körperteil geworden, man spüre den Fuß, obwohl er nicht mehr vorhanden sei. Gedanklich sei man darauf sehr fixiert, weil man sich in einer vollkommen neuen Situation antrifft.
Es sei ihm klar geworden, dass er mit diesem Stumpf das restliche Leben werde leben müssen.

Seine Aufgabe sei es gewesen, sich der Situation zu stellen und sich damit anzufreunden. Es sei ein wichtiger Tagesordnungspunkt, den Stumpf am Abend richtig zu pflegen, damit er am nächsten Tag wieder „relativ ungestört“ seinen Alltag bewältigen könne. Nicht zu übersehen seien natürlich auch die Prothesen, die angefertigt worden sind, sie anzunehmen und mit ihnen umgehen zu lernen. Das sei die Grundvoraussetzung dafür, dass er sein Leben in der Weise leben könne...

Diese Ausführungen von Matthias Lanzinger wurden im Rahmen der Kleinwalsertaler Dialoge 2013 in Hirschegg aufgezeichnet.

Zur Person:

Matthias Lanzinger, geb. 9. Dezember 1980 in Abtenau, Salzburg.
Er ist ein österreichischer Skirennläufer. Er wurde Juniorenweltmeister und zweifacher Österreichischer Meister, gewann in der Saison 2003/2004 die Gesamtwertung des Europacups und erreichte einen Podestplatz im Weltcup, ehe ein schwerer Sturz im März 2008, der eine Amputation des linken Unterschenkels zur Folge hatte, seine sportliche Karriere unterbrach.

Seit dem Winter 2011/2012 nimmt Lanzinger an Rennen im Behindertenskisport teil, und beim Super G hat es mit der ersten Medaille bei den Paralympics in Sotschi geklappt.
Mit der Silbermedaille erfüllte sich Matthias Lanzinger den Traum eines Podestplatzes beim wichtigsten Sportereignis für körperlich Behinderte.

Im Oktober 2008 begann Lanzinger ein Studium der Betriebswirtschaftslehre und des Sport- und Eventmanagements an der Privatuniversität Schloss Seeburg. Ebenso begann er als Marketingmitarbeiter bei der Skifirma Salomon (Sportartikelhersteller)zu arbeiten.
Ab dem Winter 2008/2009 war er auch als Kolumnist für die Kronen Zeitung tätig und als Experte in der Fernsehsendung Sport am Sonntag des ORF zu sehen. Er wurde 2008 mit dem Skieur d’Or (Serge Lang Trophy) und dem Special Award bei der Wahl zu Österreichs Sportler des Jahres ausgezeichnet.

Link:

www.lanzi.at

Musik:

S: Dave Brubeck/Piano m.Begl.
NI: Matthew Brubeck/Violoncello
NI: Chris Brubeck/Bass
NI: Randy Jones/Drums

K: Dave Brubeck/geb.1920

T: Afloat
S: Kristin Asbjornsen/Gesang m.Begl.
NI: Tord Gustavsen/Piano

K: Kristin Asbjornsen

G* THE TERMINAL / Original Filmmusik
T* Dinner with Amelia

K: John Williams