Stirbt das „Gsi“ aus?

Der Vorarlberger Dialekt stirbt so schnell nicht aus - darin sind sich Mundartforscher einig. Das für Vorarlberg typische Wörtchen „gsi“ wird aber immer weniger verwendet. Das zeigt die Diplomarbeit des Wolfurters Lukas Österle auf.

Sendungshinweis:

„Guten Morgen Vorarlberg“, 4.11.2013

Lukas Österle hat im Rahmen seiner Diplomarbeit untersucht, wie sich der Dialekt in seiner Heimatgemeinde Wolfurt über die Generationen hinweg verändert hat.

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Audio: Beitrag von ORF-Redakteurin Beatrix Spalt über die Diplomarbeit von Lukas Österle

Lukas Österle

Lukas Österle

Lukas Österle

Dazu hat er zuerst alte Dialektbegriffe, die für Wolfurt typisch sind - bzw. waren - gesucht. Anschließend zeigte er insgesamt 24 Wolfurtern aus drei verschiedenen Generationen Bilder der gesuchten Begriffe - also etwa von Kaulquappen, einer Sicherheitsnadel oder eines Waschbeckens in der Waschküche.

Die Gruppe der von 1922 bis 1932 Geborenen verwendete dafür noch alte Dialektbezeichnungen wie „Krottêmüchele“, „Glufê“ oder „Firggar“. Die mittlere Generation (Jahrgang 1957 bis 1967) kannte die Wörter oft noch, verwendete sie jedoch nicht mehr. In Folge dessen kannte die jüngere Generation (Jahrgang 1991-1998) viele dieser Begriffe nicht mehr.

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PDF: Ergebnisse der Befragung zu den Wörtern „Firggar“, „Krottêmüchele“, „Glufê“, und „Gogummêrê“ (Quelle: Lukas Österle)

Interesse an der Diplomarbeit?

Die Diplomarbeit ist bei Lukas Österle erhältlich.

„Gsi“ wird immer mehr zum „war“

Gerade Begriffe aus der Landwirtschaft für Dinge, die kaum noch verwendet werden, verschwinden immer mehr aus dem alltäglichen Gebrauch. Aber auch das „Gsi“ ist in Gefahr, weiß Österle. Das für Vorarlberg typische Wörtchen werde nämlich immer mehr zum „war“ - so eine Erkenntnis seiner Untersuchung. „Über kurz oder lang wird das ‚Gsi‘ vermutlich leider aus dem Dialekt verschwinden“, prognostiziert der 27-Jährige.

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Jugend ist stolz auf Dialekt

Aufgezeigt hat Österles Diplomarbeit jedoch auch, dass Mundart bei jungen Vorarlbergern wieder hoch im Kurs steht. Das zeige sich unter anderem auch an der lebendigen Mundart-Musikszene oder an T-Shirts oder Taschen mit aufgedruckten Dialekt-Sprüchen.

Katharina Germann

ORF

Katharina Germann

„Rettet das Gsi“

Angeregt durch die Diplomarbeit von Lukas Österle entstand in der Redaktion des neuen „Ländle-Magazins“ die Idee, eine Rettungsaktion für das „Gsi“ ins Leben zu rufen. Auf der Facebook-Seite „Rettet das Gsi“ werden laufend ältere Dialektwörter gepostet, um festzustellen, ob die Vorarlberger das Wort noch kennen und wissen, woher es kommt. Die „Auflösung“ zu dem jeweiligen Begriff gibt’s dann ein paar Tage später, erklärt Katharina Germann von der „Ländle Magazin“-Redaktion.

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Audio: Beitrag von ORF-Redakteurin Beatrix Spalt zur Aktion „Rettet das Gsi“

Gleich das erste Wort stellte die Redaktion aber vor eine Herausforderung: Es handelte sich dabei um die Bezeichnung „Huurabürzel“, die für „Purzelbaum“ steht. „Herauszufinden, woher das Wort stammt, war gar nicht so leicht“, schildert Germann.

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Unterstützung gefragt

Personen, die sich mit dem Vorarlberger Dialekt und der Herkunft alter Mundart-Wörter auskennen, sind beim „Ländle-Magazin“ herzlich willkommen (Kontakt für Interessierte: info@laendlemagazin.com). Also: Ran an den Computer und los mit dem „Gsibergerisch“!

„Ländle-Magazin“

  • Was: Gratis-Magazin
  • Erscheinungsintervall: 2 Mal jährlich
  • Erhältlich: In verschiedenen Vorarlberger Geschäften, auf öffentlichen Plätzen und bei Veranstaltungen
  • Blog im Internet: www.laendlemagazin.com

Neue Medien und Dialekt

Apropos Computer: Auch die Neuen Medien haben durchaus einen Einfluss auf die Verwendung des Dialekts. Denn das digitale Medienzeitalter ermögliche eine Art von Kommunikation, die es vorher so noch nicht gegeben hat, erklärt Sprachwissenschaftler Manfred Glauninger. Er ist spezialisiert auf die Zusammenhänge zwischen Gesellschaft und Sprache und arbeitet an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien sowie am Institut für Germanistik an der Universität Wien.

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Audio: Beitrag von ORF-Redakteurin Beatrix Spalt; zu hören ist Sprachwissenschaftler Manfred Glauninger

Durch die Neuen Medien, so Glauninger, seien Menschen in einer Art und Weise verbunden, die Zeit und Raum relativiere. Über Internet könne man mit jemandem kommunizieren, der am anderen Ende der Welt sei. Man habe aber trotzdem das Gefühl, dass die Person da sei und man direkt mit ihr spreche.

Manfred Glauninger

Manfred Glauniner

Manfred Glauninger

Auf der anderen Seite, so Glauninger, vermute man, dass das Internet mit seiner unüberschaubaren Informations- und Kommunikationsfülle wieder verstärkt eine Sehnsucht nach überschaubaren, kleinräumigen Dimensionen erwecke. Diese Bedürfnis spiegle sich unter anderem auch in der Werbung nieder.

Jugend schreibt SMS im Dialekt

In der Praxis heißt das: In Regionen, in denen der Dialekt noch sehr lebendig ist - wie etwa in Vorarlberg - schlägt er sich auch in der digitalen Kommunikation nieder. SMS werden von jungen Vorarlbergern etwa vorwiegend in Mundart geschrieben.

Umfrage: Schreibst du deine SMS im Dialekt?

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Auch im Facebook und in Chats sind dialektale Merkmale zu erkennen: „Dialektwörter werden verschriftet, die Grammatik ähnelt oft eher dialektalem Sprechen als hochdeutschem Schreiben“, erklärt Glauninger.

3. Mundart-Festival „All’s Dialekt“

Wann: Mittwoch, 6., bis Samstag, 9. November
Wo: Hohenems, Löwensaal
Programm und weitere Infos auf www.hohenems.at

„Dialekt muss sich verändern“

Dass der „authentische Dialekt“ durch die Neuen Medien bewahrt wird, dürfe man sich nicht erwarten. Jedoch könnte die grundsätzliche Einstellung zum Dialekt bei jungen Leuten durch solche Kommunikationsformen gestärkt werden, führt Glauninger aus.

„Rettet das Gsi“ in „nbn“

In der ORF Radio-Vorarlberg-Sendung „Neues bei Neustädter" (nbn) ging es am 7. November um das Thema „Rettet das Gsi - werden wir zu ‚Warbergern‘“?. HIER können Sie die Sendung nachhören.

Verändern müsse sich der Dialekt aber laufend. Denn wenn er sich nicht an die neuen Kommunikationserfordernisse und die Gesellschaft anpassen würde, müsste man laut Glauninger Angst haben um ihn. Solange er sich aber lebendig an neue Zeiten anpassen könne, bestehe für den Dialekt keine große Gefahr.