Messerattacke: Aufenthaltsverbot unzulässig?

Nach der tödlichen Messerattacke an der BH Dornbirn geht der Anwalt und Menschenrechtsexperte Stefan Harg davon aus, dass es gar nicht möglich gewesen wäre, den mutmaßlichen Täter schon vorher in Schubhaft zu nehmen. Und auch das Aufenthaltsverbot dürfte unzulässig sein.

Die Frage, ob die Bluttat an der BH Dornbirn verhindert hätte werden können, beschäftigt immer noch die Bevölkerung und die Politik. Vor allem die Tatsache, dass der mutmaßliche Täter trotz krimineller Vergangenheit und aufrechtem Aufenthaltsverbot auf freiem Fuß war, sorgt für Irritationen. Aber hätte der Mann tatsächlich weggesperrt werden können? Und gab es wirklich ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gegen den 34-jährigen Mann?

Experte: Schubhaft nicht möglich

Anwalt und Menschenrechtsexperte Stefan Harg beantwortet beide Fragen mit Nein. Laut Harg hätte der Tatverdächtige nach den geltenden Gesetzen nicht in Schubhaft genommen werden können. Eine solche ist möglich, wenn unter anderem auch die öffentliche Sicherheit gefährdet ist. „Schubhaft aus präventiven Gründen, weil jemand vor zehn Jahren oder noch länger zurückliegend, einmal kriminell war, ist absolut unzulässig“, sagt Harg.

BH Dornbirn: Fragen um Aufenthaltsverbot

Fast eine Woche nach dem der Sozialleiter der BH Dornbirn mutmaßlich durch einen türkischen Asylwerber erstochen wurde, versucht man bei der Bezirkshauptmannschaft, zum Alltag überzugehen.

Auch Hausarrest oder eine Sicherheitsverwahrung gibt es bei Menschen mit krimineller Vergangenheit nicht, wenn noch ein Asylverfahren läuft: „Das Gesetz sieht das nicht vor. Und nur weil jemand in der Vergangenheit gefährlich war, heißt das nicht, dass er es in Zukunft auch sein wird.“ Dazu bräuchte es eine sichere Zukunftsprognose - die es bekanntlich nicht gibt.

Aufenthaltsverbot auch unzulässig?

Auch bezüglich der zweiten Frage, ob das Aufenthaltsverbot gegen den Tatverdächtigen aufrecht war, verneint Harg. Wie auch das Innenministerium geht er davon aus, dass das Aufenthaltsverbot gegen den Mann nicht durchsetzbar gewesen wäre, als er zurück nach Österreich gekommen ist. Es sei nämlich „wahrscheinlich von Anfang an völlig unzulässig gewesen“, so Harg.

Wenn jemand, so wie der Tatverdächtige, in Österreich geboren und aufgewachsen sei, gelte die sogenannte Aufenthaltsverfestigung - besonders für türkische Menschen der zweiten Generation. Österreich habe für solche Personen auch eine Verantwortung, sagt Harg. Das Innenministerium hatte bereits vergangene Woche darauf hingewiesen, dass das Aufenthaltsverbot wahrscheinlich gar nicht mehr aufrecht gewesen wäre, weil es laut EU-Recht zeitlich befristet befristet sei - mehr dazu in Ministerium: Schubhaft war nicht möglich.

Probleme verschärft?

Generell meint Harg, dass man die zweite Generation Türken oft als Menschen zweiter Klasse behandelt und ihnen nicht die Möglichkeit gegeben habe, auch nach schwieriger Jugend auf die Füße zu kommen. In Wahrheit habe man die Probleme dadurch sogar verschärft, “weil man sie in eine unsichere Aufenthaltssituation hineinmanövriert hat.”

Bluttat in Dornbirner BH am Mittwoch

Am vergangenen Mittwoch hat ein amtsbekannter 34-jähriger Türke den Ermittlungen zufolge dem 49-jährigen Leiter des Sozialamts der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn mit einem Messer tödliche Verletzungen zugefügt. Der Beamte verstarb noch an Ort und Stelle - mehr dazu in Tödliche Messerattacke: „Kaltblütiger Mord“.

Über den mutmaßlichen Täter wurde 2009 ein Aufenthaltsverbot in Österreich und für den ganzen Schengen-Raum der EU verhängt, er musste 2010 ausreisen. Im Jänner 2019 reiste der Mann jedoch wieder ein und stellte einen Asylantrag. Das Opfer war nach Behördenangaben 2009 in anderer Funktion für das Aufenthaltsverbot des mutmaßlichen Täters verantwortlich, der Türke war in Österreich 14-fach unter anderem wegen Eigentums- und Gewaltdelikten vorbestraft.