Tödliche Messerattacke: „Kaltblütiger Mord“

Die Polizei stuft die tödliche Messerattacke auf einen Mitarbeiter der BH Dornbirn als „kaltblütigen Mord“ ein. Beim Verdächtigen handelt es sich um einen Türken, gegen den ein Aufenthaltsverbot erlassen worden ist. Motiv könnte ein Streit um Grundversorgungsleistungen gewesen sein.

Der amtsbekannte Mann, ein 34-jähriger Türke, hat am Mittwochnachmittag dem 49-jährigen Leiter des Sozialamts der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn mit einem Messer tödliche Verletzungen zugefügt. Der Beamte verstarb noch an Ort und Stelle.

Der Tatverdächtige sei Anfang des Jahres illegal nach Österreich eingereist, sagte Chefinspektor Norbert Schwendinger vom Landeskriminalamt am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Der Sozialamtsleiter habe vor zehn Jahren ein österreich- und EU-weites Aufenthaltsverbot gegen den Verdächtigen erwirkt.

Pressekonferenz Tödliche Messerattacke

Dietmar Mathis

Bei der Pressekonferenz am Donnerstag: Bezirkshauptmann Helgar Wurzer, Sicherheitslandesrat Christian Gantner (ÖVP), Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und Chefinspektor Norbert Schwendinger

Mehrere Stiche mit einem Küchenmesser

Im Büro des Sozialamtsleiters sei es zu einem Streit zwischen Täter und Opfer gekommen, so Schwendinger. Dabei dürfte es um Grundversorgungsleistungen gegangen sein, die der Verdächtige am Freitag vergangener Woche beantragt hatte. Der 49-Jährige habe den Mann abgewiesen und ihm erklärt, er solle sich um einen Termin bemühen.

Der Verdächtige habe die Bezirkshauptmannschaft verlassen und sei rund 30 Minuten später mit einem langen Küchenmesser bewaffnet zurückgekehrt. Dort sei er zielstrebig ins Büro des Sozialamtsleiters gegangen und habe mehrfach auf ihn eingestochen.

Schock nach Messerattacke

Die Polizei stuft die tödliche Messerattacke auf einen Mitarbeiter der BH als „kaltblütigen Mord“ ein.

Die Mitarbeiterin im Vorzimmer habe den Streit mitangehört und die Polizei alarmiert, so Schwendinger. Der Verdächtige konnte nach einer kurzen Flucht im Bereich der WC-Anlagen des Kulturhauses Dornbirn gefasst werden, das Tatmesser blieb im Büro liegen. Der mutmaßliche Täter habe bei der Vernehmung keine Reue gezeigt, so Schwendinger. Deshalb gehe man von einem kaltblütigen Mord aus.

Der Tatverdächtige hat sich bei seiner Attacke selbst an der Hand verletzt und wurde am Mittwochabend operiert. Über ihn wird die Untersuchungshaft verhängt.

Im Jänner Asylantrag gestellt

Beim 34-Jährigen handelt es sich laut Polizeiangaben um einen arbeitslosen türkischen Staatsangehörigen. Nachdem er zahlreiche kriminelle Taten begangen hatte, wurde 2009 ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen. 2010 musste der Mann das Bundesgebiet verlassen.

Messerattacke BH Dornbirn

Maurice Shourot

Der Tatort in Dornbirn

Der Verdächtige soll per Lkw mit einem Schlepper Anfang des Jahres illegal nach Österreich gekommen sein. Er stellte am 7. Jänner in Thalham einen Asylantrag und reiste privat nach Vorarlberg weiter. Sein Bruder soll mit seiner Familie in Vorarlberg leben.

Offene Frage: Warum keine Schubhaft?

Am 18. Jänner sei er vom Bund dem Land Vorarlberg zur Übernahme in die Grundversorgung angeboten worden, was das Land abgelehnt und dabei auf die kriminelle Vorgeschichte des Mannes aufmerksam gemacht habe, sagte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) bei der Pressekonferenz.

Dass der Verdächtige, der nach eigenen Angaben Kurdenkämpfer sein soll, trotz des wegen mehreren Eigentumsdelikten bestehenden Aufenthaltsverbots einen Asylantrag stellen konnte beziehungsweise dass er sich während des laufenden Asylverfahrens auf freiem Fuß befand, sei eine offene Fragestellung, so Wallner: „Damit kann man nicht zufrieden sein, das ärgert mich massiv.“

Tödliche Messerattacke auf BH-Beamten

Ein 34-jähriger Mann hat am Mittwoch einen Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn mit einem Messer tödliche Verletzungen zugefügt.

Wallner sagte, er habe am Donnerstag mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) telefoniert. Er habe den Minister gebeten, sich die rechtliche Seite des Falls genau anzuschauen. Es stelle sich die Frage, warum etwa keine Schubhaft gegen den Mann verhängt worden sei oder warum kein Schnellverfahren eingeleitet worden sei.

Forderung nach raschem Asylverfahrenende

Wallner und Sicherheitslandesrat Christian Gantner forderten, es müssten im Rahmen der Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention auf Bundesebene die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass Personen, die rechtskräftig verurteilt seien bzw. trotz eines Aufenthaltsverbots um Asyl ansuchten, bis zum Ausgang des Verfahrens nicht auf freiem Fuß belassen werden.

„Das laufende Asylverfahren des Attentäters ist rasch zu beenden. Ein schnelles Handeln ist zum Schutz der Bevölkerung notwendig“, betonte Gantner. Er ersuchte die Behörden um rasches Handeln, Messerstecher und Attentäter hätten in Vorarlberg keinen Platz.

Ministerium: Einfache Abschiebung nicht möglich

Das Innenministerium reagierte am Donnerstag mit einer Klarstellung: Der Asylantrag des Mannes wäre wahrscheinlich negativ beschieden worden - eine Duldung in Österreich hätte ihm aber trotzdem zugestanden werden müssen. Wegen der „sensiblen Angaben“ im Verfahren wäre trotz negativen Bescheids keine Abschiebung erfolgt. Das wäre nicht vereinbar mit Artikel 3 der Menschenrechtskonvention, hielt das Ministerium fest.

Gespräch mit Bezirkshauptmann Wurzer

Helgar Wurzer spricht über die Hintergründe im Fall des getöteten BH-Beamten. Im Büro des Sozialamtsleiters sei es vor der Tat zu einem Streit zwischen Täter und Opfer gekommen.

Ein „Fast Track“-Verfahren, also ein Schnellverfahren mit einer derzeitigen Dauer von etwa einem Monat, würden nur bei sicheren Herkunftsländern mit geringer Aussicht auf Schutzgewährung durchgeführt, etwa Georgien - nicht in ermittlungsintensiven Verfahren, die wie im konkreten Fall zu einer Duldung führen könnten. Diese Normverfahren dauerten derzeit etwa drei Monate.

Und: Einen Antrag auf Asyl könne nach EU-Vorgaben auch dann gestellt werden, wenn ein Aufenthaltsverbot bestehe. Der Asylantragsteller erhalte damit auch ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht und einen faktischen Abschiebeschutz, so das Ministerium.

Innenminister Kickl „entsetzt“

Innenminister Kickl zeigte sich „entsetzt über den tragischen Vorfall“. Den Hinterbliebenen spreche er sein tief empfundenes Mitgefühl aus, so Kickl in einer Aussendung. „Leider zeigt auch dieses schreckliche Ereignis Unzulänglichkeiten im bestehenden internationalen Asylsystem, das wir genau analysieren werden“, sagte der Minister. Jetzt sei noch nicht der Zeitpunkt für allfällige rechtliche Schlussfolgerungen. Das erfordere eine sorgfältige Betrachtung des tragischen Vorfalls und der relevanten rechtlichen Bestimmungen im europäischen und internationalen Kontext, so Kickl.

Türkische Kulturgemeinde: „Große Betroffenheit“

„Mit großer Betroffenheit und Trauer“ reagierte auch die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) auf den Tod des Beamten. „Unser großes Mitgefühl gilt der Familie des Opfers und dessen Arbeitskolleginnen und -kollegen. Diese schreckliche Gewalttat in Worte zu fassen fällt uns schwer. In diesen schmerzvollen Stunden sind unsere Gedanken bei den Hinterbliebenen“, sagte Obmann Birol Kilic.

Die TKG biete den Angehörigen und Mitarbeitern gerne ihre Hilfe an. „Vergangenes Unrecht können wir nicht rückgängig machen, jedoch möchten wir gerne einen Beitrag leisten, um den Schmerz zu überwinden und die Wunden zu heilen“, so Kilic.

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