Kassenreform bringt Machtverschiebung

Die geplante Reform der Krankenkassen erhitzt weiterhin die Gemüter. Die VGKK zittert um einen Teil ihrer Finanzmittel und befürchtet Leistungskürzungen. Indes bringt die Reform auch eine deutliche Machtverschiebung.

Im Hauptverband sind heute 21 Sozialversicherungsträger mit 2.000 Funktionären organisiert. Zukünftig sollen es nur noch fünf Sozialversicherungen und 480 Funktionäre sein. Aus den 9 Gebietskrankenkassen wird die Österreichische Gesundheitskasse. Die Kassen verlieren damit einige gut dotierte Posten - und damit auch Einfluss.

Unabhängiger Experte kritisiert Kassenfusion

Medizinjournalist Martin Rümmele bezweifelt, dass die geplante Kasseneform maßgebliche Einsparungen ermöglicht.

Einfluss verlieren auch die Arbeiterkammer und der ÖGB. Im Verwaltungsrat der neuen Gesundheitskasse büßen sie ihre bisherige Mehrheit ein, dort sind gleich viele Arbeitnehmer- wie Arbeitgeber-Vertreter. Abwechselnd sitzt immer wieder ein Arbeitgeber im Chefsessel. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung jubilieren naturgemäß. Insgesamt ergibt sich dadurch eine Machtverschiebung von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern. Zuvor dürfte aber der Verfassungsgerichtshof prüfen, ob die Reform gegen die Selbstverwaltung verstößt.

Unsicherheit über Gebietskrankenkassen-Gelder

Offen ist nach wie vor die Frage, ob mit der geplanten Krankenkassen-Fusion eine Milliarde Euro eingespart werden kann, ohne Leistungen zu kürzen. Sicher ist: Die Versicherten-Beiträge bleiben im Land und die künftige Länderkasse kann ihre regionalen Aufgaben relativ autonom wahrnehmen. Ihre Eigenständigkeit ist aber weg. Die Verwaltungsebene wird umstrukturiert, die Zahl der Funktionäre wird reduziert und Posten werden nicht nachbesetzt.

Für den Vorarlberger Verwaltungs- und Verfassungsjuristen Peter Bußjäger stellt dieser Gesetzesentwurf einen annehmbaren Kompromiss dar, wenngleich einige Details noch abzuklären seien. Bußjäger bezweifelt jedoch stark, dass allein mit der Strukturänderung eine Milliarde Euro eingespart werden kann. Dazu wären wohl Leistungskürzungen notwendig, meint Bußjäger.

102 Mio. Euro fehlen

Die Arbeiterkammer rechnet vor, dass die VGKK bis zu 100 Millionen Euro im Jahr verlieren könnte - mehr dazu in AK-Präsident befürchtet Verluste für Patienten. Das bestätigt auch die VGKK: Es würden sogar 102 Mio. Euro pro Jahr fehlen, sagt Christian Weiß von der Finanzabteilung der VGKK.

Laut Gesetzesentwurf bleiben nämlich nur die Versicherten-Beiträge im Land - die machen aber nur 85 Prozent aller Einnahmen aus. Der Rest - 102 Millionen Euro - sind sogenannte Leistungsersätze. Dazu zählen die Kosten für Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen, Wochengeld in der Schwangerschaft, Gebühren für die E-Card und auch Rezeptgebühren. Dass dieses Geld weiterhin dem Land zur Verfügung steht, ist laut Weiß unklar.

Fix ist bislang, dass die Mittel der AUVA für Arbeitsunfälle wegfallen - das sind in Vorarlberg 10 Mio. Euro im Jahr. Das steht so im Gesetzesentwurf, über den Rest ist dort nichts zu lesen. Wegen der angekündigten Milliarden-Einsparung rechnet die VGKK aber damit, dass auch der Rest des Geldes nicht mehr nach Vorarlberg fließen wird.

Experte Rümmele: Kein großer Wurf

Kritik kommt auch von Expertenseite: So meint etwa der Vorarlberger Medizin-Journalist Martin Rümmele, ein großer Wurf sei die Reform sicher nicht. Es handle sich um eine Strukturreform, deren Auswirkungen derzeit noch nicht abzuschätzen seien, sagt Rümmele. Es sei hier vor allem darum gegangen, Funktionäre wegzubekommen, möglicherweise auch darum, regierungstreue Leute in entsprechende Gremien zu platzieren

Wallner und Bernhard beruhigen

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) beruhigt: Diese Posten seien schon bisher separat durch Bundesgesetze geregelt und hätten nichts mit der jetzt geplanten Kassenreform zu tun. Wallner geht davon aus, dass der Bund diese Gelder auch weiterhin an Vorarlberg zahlt - auch wenn das nicht im Entwurf steht.

Auch Gesundheitslandesrat Christian Bernhard (ÖVP) verteidigt die Reform. Nach Ansicht von Bernhard fehlt für die Sichtweise der Arbeiterkammer jegliche Grundlage. Im Gegenteil: Die Vorarlberger Kasse werde sich zukünftig acht Millionen Euro sparen, die derzeit noch auf den Ausgleichfonds auf Bundesebene abzuführen seien.

SPÖ gegen Kassenreform, FPÖ-Vertreter dafür

Die Vorarlberger Sozialdemokraten befürchten Nachteile für die VGKK-Versicherten. „Die Kassenreform wird eines mit sich bringen – nämlich eine Verschlechterung des Leistungsangebots für die Versicherten und die Patienten“, sagt SPÖ-Landtagsabgeordnete Manuela Auer. Worum es der Bundesregierung in Wirklichkeit gehe, sei einzig und allein, mehr Einfluss an sich zu reißen und die Macht in die Hände der Wirtschaft zu legen, kritisiert Auer.

Der freiheitlichen Arbeitnehmervertreter Michael Koschat begrüßt hingegen die Kassenreform als „längst überfälligen und notwendigen Schritt“. Durch die Einsparungen im System und bei den Funktionären werde es in Zukunft mehr Leistungen für die Versicherten geben, so der FPÖ-Vertreter. Nachdem die Arbeiterkammer Vorarlberg angekündigt hat, die geplante Kassenreform der Bundesregierung bekämpfen zu wollen, fordert Koschat AK-Präsident Hämmerle auf „endlich seine unangebrachte Angst- und Panikmache zu beenden“.

Gesetzesentwurf präsentiert

Die ÖVP-FPÖ-Regierung hat am Freitag ihren Gesetzesentwurf für die Reform der Sozialversicherung präsentiert. Die Eckpunkte: Statt 21 Krankenkassen soll es in Zukunft nur noch fünf geben. Die Arbeitgeberfraktion bekommt mehr Gewicht, die Funktionärszahl soll sinken. Die Regierung erhofft sich eine Milliarde Euro Einsparung - mehr dazu in Regierung legt Kassenreform vor.