Risiko Fehldiagnose bei Videospielsucht

Wenn Videospielsucht nun eine offzielle Krankheit ist, neigten Ärzte zu einer vorschnellen Diagnose. Der Vorarlberger Experte für Suchtprophylaxe Andreas Prenn glaubt, aus Angst und Unkenntnis des Computerspiels, könnte es zu Fehldiagnosen kommen.

Videospielsucht wird jetzt eine offizielle Krankheit. Die Kennzeichen sind demnach: Freunde und Familie werden vernachlässigt, kein normaler Schlafrhythmus, schlechte Ernährung. Trotzdem haben Videospiele für Kinder und Jugendliche höchste Priorität. Künftig soll in solchen Fällen die Diagnose Video-Spielsucht gelten, sagt die Weltgesundheitsorganisation. Eine sogenannte „Gaming Disorder“ zeichnet sich durch ein Muster von wiederholenden Verhaltensweisen aus.

Grenzen zwischen Spiel und Sucht

Andreas Prenn, Leiter der Suchtprophylaxe (SUPRO) warnt vor vorschnellen Schlüssen. Es gibt klare Grenzen zwischen normalem Spielen und Spielsucht. Nur weil ein Kind viel Zeit am Computer verbringt, ist es noch lange nicht süchtig, so Prenn. Zwei Aspekte gelte es genau anzuschauen: Warum spielt ein Kind und gibt es noch Alternativen?

Für Prenn müssen eindeutige Hinweise auf eine Spielsucht vorliegen. Wenn die virtuelle Welt wichtiger werde als die reale, wenn Freundschaften aufgegeben werden für das Computerspiel, das Familienleben nicht mehr funktioniert, dann sei das ein Motiv, das es zu hinterfragen gelte. Wenn ein Jugendlicher noch dreimal pro Woche im Sportverein ist, in der Schule seine Leistungen halbwegs erbringt, dann könne das zwar sehr viel sein, müsse aber noch lange keine Sucht sein, so Prenn.

Hintergründe einer Sucht

Bei exzessiv spielenden Patienten muss vor allem auch geprüft werden, ob nicht eher der Sucht zugrunde liegende Probleme wie Depression oder soziale Angststörungen behandelt werden müssen, erläutert Prenn. Kinder und Jugendliche seien gefährdet, wenn sie keine richtige soziale Einbettung haben, also sich schwertun, Freunde zu gewinnen und Freundschaften aufrecht zu erhalten, die wenig Wertschätzung erfahren, wenig Erfolgserlebnisse haben und dementsprechend kein Selbstvertrauen entwicklen können.

Wenn dann viel Zeit mit Computerspielen verbracht werde, dann kann es sein, dass das Computerspiel ersetzt, was bisher vermisst wurde. Zwar braucht Suchtverhalten auch im Bereich Videospiele unsere volle Aufmerksamkeit, sagt Prenn, er plädiert aber dafür, die Kirche im Dorf zu lassen. Es bestehe durchaus das Risiko einer Fehldiagnose.

Erwachsene kennen Computerwelt zu wenig

Erwachsene und auch Ärzte verstünden die Faszination des Computerspiels nur schwer, so Prenn. Man sei ohne Computerspiel aufgewachsen. Man wisse zwar den Umgang mit Alkohol und Nikotin einzuschätzen, vor dem Computerspiel hätten Erwachsene Angst. Vor diesem Hintergrund ein Urteil zu fällen, sei wahnsinnig schwierig. Deshalb könnte es auch schneller zu Diagnosen kommen, als sie aufgrund von Tatsachen nötig wären.

Prenn schätzt, dass in Vorarlberg rund 2.500 Personen süchtig nach Videospielen sind. Unsichere Eltern können anonym bei der SUPRO anrufen und erhalten dort eine Einschätzung, ob das Spielverhalten ihres Kindes in Richtung Sucht geht.