Gort: Christentum prägt Europa grundlegend

Karl-Martin Gort, Pater Guardian des Kapuzinerklosters in Feldkirch, äußert sich im ORF Radio Vorarlberg Samstagsinterview über das Ideal der Armut, den Mut des Papstes und die Relevanz und Lebendigkeit des Christentums in Europa.

Bruder Karl-Martin, in Europa hat der christliche Glaube seit dem frühen Mittelalter zur Grundlage der Kultur gehört. Jetzt scheint er manchmal wie eine Randerscheinung. Sehen Sie trotzdem Anlass zur Hoffnung, dass auch künftige Generationen diesen Glauben weitertragen?

Karl-Martin Gort: Natürlich sehe ich mich selber getragen von großer Hoffnung. Das, was im äußeren Erscheinungsbild sich heute abspielt, dieses Weggehen vom katholischen Glauben, von der gewohnten Art zu glauben und zu beten und zu leben, hat einfach zu tun mit der Globalisierung. Wir haben die ganze Welt täglich präsentiert über Fernsehen und Internet. Das stürmt eigentlich alles auf uns ein und das ist im Grunde genommen etwas, das uns komplett überfordert. Wir werden mit allen möglichen Denkarten konfrontiert und relativieren eigentlich unser eigenes, bisheriges Glaubensgut.

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Audio: Karl-Martin Gort im Gespräch mit Jürgen Peschina

Im Grunde genommen sind das, was wir heute in Europa leben - ich denke an die Menschenrechte, den Respekt voreinander, vor der Würde des Menschen - grundlegende Errungenschaften, die eigentlich der christliche Glaube geschaffen hat und wir wissen es nur nicht mehr und denken nicht mehr an diese Ursprünge.

Der Messbesuch ist in den letzten Jahrzehnten drastisch zurückgegangen. Würden Sie trotzdem Beispiele nennen können, die Sie zur Überzeugung bringen, dass die Kirche hier bei uns in Vorarlberg lebendig ist?

Gort: Natürlich gibt es Gruppierungen, die gerade das Glauben-leben noch ernst nehmen und aus Überzeugung praktizieren. Nur: Es werden immer weniger, viele treten aus wegen Dingen, die in der Kirche passiert sind. In Wirklichkeit gibt es aber Gruppen, die heute, vielleicht sogar mehr als früher, sehr persönlich ihren Glauben leben und zusammenkommen und sich gegenseitig bestärken, diesen Weg zu gehen.

Samstagsinterview Karl-Martin Gort

Ditmar Mathis

Karl-Martin Gort

Bruder Karl-Martin, der Kapuziner-Orden, dem Sie angehören, ist ein franziskanischer Bettelorden, damit ist er, seit er besteht, dem Ideal der Armut besonders zugetan. Jetzt hat die Menschheit Reichtümer angehäuft wie nie zuvor. Was kann Armutsorientierung, wie sie Ihrem Orden eigen ist, heutzutage noch für einen Sinn haben?

Gort: Es muss uns ständig ein Auftrag sein, uns genau um die am Rande zu kümmern. Die müssen uns interessieren, das ist ein Auftrag. Wir Kapuziner schreiben das sowieso in unser Programm an vorderster Stelle. Wir sind offen für Menschen, die bedürftig sind, die am Rande stehen. Wir selber haben an der Pforte, an der Klosterpforte, eine offene Tür für Bedürftige, die vorbeikommen. Die bekommen zum Beispiel zum Frühstück etwas, wenn sie erfroren daherkommen.

Wir können auch vermitteln, dass Kleider aufgetrieben werden, dass sie Unterkünfte bekommen. Dafür ist freilich heute die Caritas da, da können wir eine Vermittlerrolle spielen. Wir sind eine niederschwellige Ansprechstelle für solche, die in Not sind, und das wird auch genutzt.

Sie sprechen von Menschen, die am Rande stehen. Um die hat sich auch der heilige Franz von Assisi sehr bemüht. Und jetzt hat sich der Papst nach diesem Heiligen benannt. Dass er das getan hat, muss Sie als Kapuziner ja gefreut haben?

Gort: Ja, sehr sogar. Vor allem war das eine totale Überraschung, dass sich der getraut, diesen Namen anzunehmen, nachdem Franz von Assisi seinerzeit zum Papst gepilgert ist, um seine Regel akzeptiert zu bekommen. Was gar nicht so selbstverständlich war und leicht, weil jeder gesagt hat: Das Evangelium leben, das geht ja gar nicht.

Jetzt hat Papst Franziskus viele Kirchen-interne Kritiker. Sein Eintreten für die Armen wird durchaus nicht überall in der Kirche nur mit Begeisterung gesehen - oder auch der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Da werfen ihm Kritiker vor, er würde die Lehre der katholischen Kirche verwässern. Wie sehen Sie das?

Gort: Ich würde mich dieser Meinung natürlich nicht anschließen können. Was Papst Franziskus will: Im Geist Jesu handeln und leben. Also die geschiedenen Wiederverheirateten nicht zuzulassen zum Heil, zu dem, was die Kirche anzubieten hat, ist eigentlich eine falsche Linie, die kann man auf Dauer nicht halten. Entscheidend ist, dass wir uns um die Bedürftigen kümmern, um die Mühseligen, um die Gescheiterten, um Leute, die in Not sind. Da kann ich nur die Tür offen halten und nicht zuschlagen, wie das eigentlich beim Verweigern der Sakramente der Fall ist.

Wie werden Sie Ostern feiern?

Gort: Ich werde Ostern feiern wie alle anderen. Ich werde Gottesdienst feiern, einen fröhlichen, lustigen, mit viel Gesang bereicherten Gottesdienst. Der Gampelüner Dreigesang wird uns beim Ostergottesdienst unterstützen und dann werden wir miteinander ordentlich Frühstück feiern.

Das Gespräch führte Jürgen Peschina, ORF Vorarlberg