Amoklauf: Reaktion laut Haller typisch

Bei den Vorfällen in Nenzing Sonntagnacht handelt es sich laut Psychiater Reinhard Haller um einen klassischen Amoklauf. Der Täter erschoss zwei Menschen, verletzte elf weitere und tötete sich dann selbst. Hintergrund war ein Beziehungsstreit.

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Psychiater Reinhard Haller

Laut Haller spricht bei der Tat in Nenzing alles für einen klassischen Amoklauf. Der 27-jährige Täter sei nicht auf seine Partnerin oder etwaige Nebenbuhler losgegangen - wie bei einem klassischen Beziehungsdrama, er hat wahllos um sich geschossen, nur um seiner Frustration und Aggression freien Lauf zu lassen. Das seien klare Anzeichen für einen Amoklauf, so Haller. Zudem gehe bei einem Amoklauf immer eine psychische Missbefindlichkeit voraus. Entweder wurde der Täter gekränkt, verärgert oder hat Angst - bis es zur Explosion und zum Ausbruch kommt. Auch das war laut Haller bei dem Amoklauf in Nenzing der Fall.

Zwei Drittel der Täter nehmen sich das Leben

Und auch die Rahmenbedingungen seien typisch für derartige Taten. Der 27-Jährige war in einem Zustand der Übermüdung, Alkohol sei bei 90 Prozent der Amokläufe auch mit im Spiel. Zudem nehmen sich zwei Drittel der Täter nach dem Amoklauf selbst das Leben, das trifft beim tragischen Amoklauf in Nenzing ebenfalls zu, so Haller.

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Primar Reinhard Haller im Interview mit ORF-Redakteur Martin Kopf.

Haller: Weiterer Amoklauf in Vorarlberg unrealistisch

Ob der Vorarlberger die Tat realisiert hat, ist laut Haller unklar. Meist sind die Täter in einem traumatischen Zustand und wissen - wenn sie selbst überlebt haben - oft nicht ob es nur ein Traum oder doch Realität war. Einige können sich klar daran erinnern, andere verdrängen das Geschehene vollkommen, so der Psychiater. Pro Jahr ereignen sich etwa zwei derartige Fälle auf 20 Millionen Einwohner. Daher geht Haller davon aus, dass ein weiterer Amoklauf in Vorarlberg unrealistisch sei. In seiner bisherigen Laufbahn, und die betrage mehr als 30 Jahre, sei so etwas in Vorarlberg noch nie passiert. Derart blindwütige Geschehnisse seien eher in primitiven Kulturen zu finden.

Täter sind großteils männlich

Der Begriff Amok stammt aus dem Malaiischen und bedeutet wütend und rasend. Man bezeichnet damit eine psychische Ausnahmesituation, die von Unzurechnungsfähigkeit, blindwütiger Aggression und absoluter Gewaltbereitschaft gekennzeichnet ist. Die Täter sind zum größten Teil männlich, heißt es bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. Kennzeichnend für eine als Amok definierte Gewalttat sei die Gefährdung mehrerer Menschen, die verletzt oder sogar getötet werden. Nach Erkenntnissen von Polizeipsychologen waren Amokläufer eher unauffällig, zeigten ihre Gefühle nicht und neigten zu Selbstüberschätzung.

Täter nicht gleich psychisch krank

Derartige Taten sind kein modernes Phänomen. Laut der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie (ÖGPP) gibt es sie seit Menschengedenken. In einem Amoktäter sofort einen psychisch Kranken zu sehen, ist laut der Fachgesellschaft falsch: Derartige Handlungen werden nicht vollzogen, weil man psychisch krank ist, sondern weil man psychische Probleme hat. Und psychische Probleme seien keine Krankheit. Zudem seien Gewaltbereitschaft und Gewaltausübung nicht mit psychisch krank gleichzusetzen.

Amoklauf mit drei Toten

Gegen 03.00 Uhr geriet der 27-jährige Amokläufer auf dem Festgelände des Motorradclubs „The Lords“ in Nenzing mit seiner Freundin in einen heftigen Streit. Als die Auseinandersetzung eskalierte, holte der Mann aus seinem Fahrzeug eine Langwaffe, begab sich auf das Konzertgelände und eröffnete das Feuer - mehr dazu in: Drei Tote bei Amoklauf in Nenzing (vorarlberg.ORF.at; 23.5.2016).