Willi: „Manche sehen Mutter als ungeeignet“

Neue Wende im Tauziehen um die Bürgermeister-Nachfolge in Egg: Carmen Willi wird nicht antreten. Die 35-Jährige spricht von verletzenden anonymen Angriffen. Einige Bürger hätten sie als Mutter von drei kleinen Kindern von vornherein für ungeeignet befunden. Sie wolle ihre Familie schützen.

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Bürgermeistersuche geht weiter

Im Beitrag von Georg Fabjan, Holger Weitze und Stefan Haberbosch sehen Sie Carmen Willi, Egger Bürger und Paul Sutterlüty.

Willi wurde erst am Montag einstimmig von ihrer Fraktion als neue Bürgermeisterin der Bregenzerwälder Gemeinde nominiert. Willi hätte am Freitagabend zur Nachfolgerin von Theresia Handler (Egger und Großdorfer Liste) gewählt werden sollen, die im Februar zurückgetreten war.

Freitagfrüh dann der Paukenschlag - Willi gab bekannt, für die Wahl nicht zur Verfügung zu stehen. Ihr Rückzieher erfolgte nicht freiwillig: Seit ihrer Nominierung habe sie zahlreiche bösartige anonyme Anrufe und Beschimpfungen ertragen müssen, berichtet Willi. Davor wolle sie ihre Familie schützen, auch wenn das Amt an sich ihr nach wie vor sehr interessant erschiene.

„Mit drei Kindern für ungeeignet befunden“

Offenbar gebe es immer noch einige Bürger, die kein Verständnis dafür haben, dass Frauen in führenden Funktionen tätig sind, sagt Willi. Sie sei von einigen als Mutter von drei kleinen Kindern von vornherein als für das Bürgermeisteramt ungeeignet befunden worden. Da habe man nicht lange gefragt, wie die Familie sich das aufteile, sagt Willi - die Tatsache allein habe genügt, sie für nicht geeignet zu befinden.

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Audio: Carmen Willi

Ihr sei bewusst, dass sie mit ihrer Entscheidung auch viele enttäusche, allerdings sei sie überzeugt, auch in anderer Funktion Wertvolles für die Gemeinde leisten zu können. Willi ist Mitglied der Gemeindevertretung, in der die „Egger und Großdorfer Liste“ 23 von 24 Sitzen einnimmt und von der sie als neue Bürgermeisterin nominiert wurde.

Sutterlüty sieht sich selbst nicht als Kandidaten

Fraktionsobmann Paul Sutterlüty sagte gegenüber dem ORF, er sei über Willis Rückzieher zunächst entsetzt gewesen - schließlich habe man nach umfangreichen Sondierungsgesprächen mit Willi eine Kandidatin gefunden gehabt. Einen Zusammenhang mit dem Rücktritt der Vorgängerin Handler schließt der Fraktionsobmann aus, dies hätte ganz andere Hintergründe gehabt. Die Stimmung in der Gemeindevertretung sei seit Willis Nominierung hervorragend gewesen. Der Rückzug Willis sei in der aktuellen Situation für eine gute Lösung aber sicher nicht förderlich.

Willis Presseerklärung

„Die Egger- und Großdorfer Liste hat mich am Montag einstimmig als Kandidatin für die Bürgermeisterwahl vorgeschlagen. Nach der anfänglichen Freude über das Vertrauen muss ich nun meine Kandidatur aus persönlichen Gründen zurückziehen: Einige anonyme und auch mediale Angriffe, die ich inhaltlich völlig zurückweise, haben mich derart verletzt, dass ich mich nicht mehr in der Lage sehe, Familie und Bürgermeisteramt auf gute Art und Weise zu vereinbaren. Ich bedauere, dass es so gekommen ist und ich mit dieser Entscheidung auch viele enttäusche. Allerdings bin ich davon überzeugt, mit diesem guten Team auch in anderer Funktion Wertvolles für unsere Gemeinde mitgestalten zu können.“

Noch im März will Sutterlüty mit der Fraktion einen neuen Kandidaten präsentieren. Auf die Frage, ob er selbst zur Verfügung stehe, sagte Sutterlüty: Er sehe sich nicht als Kandidaten. Statt der Gemeindevertretungssitzung gibt es am Freitagabend in Egg nun eine Fraktionssitzung mit dem Ziel, einen neuen Kandidaten zu finden.

Rückzug wenige Stunden vor Wahl

Der mit über 3.500 Einwohnern größte Ort im Bregenzerwald ist seit über vier Wochen ohne Gemeindeoberhaupt. Handler hatte am 1. Februar ihr Amt zurückgelegt. Weil Egg bereits länger als vier Wochen keinen Bürgermeister mehr hat, steht der Ort unter Beobachtung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz, denn laut Gemeindewahlrecht müsste binnen vier Wochen nach dem Rücktritt oder Tod eines Bürgermeisters ein neues Oberhaupt gewählt werden. Mehr dazu in Vier Wochen ohne Bürgermeister - Egg unter Beobachtung.

Grüne und ÖVP entsetzt und empört

Bei den Grünen ist man über die Angriffe auf Willi „entsetzt und empört“: „Da weht der Geist des 19. Jahrhunderts“, so Gleichstellungssprecher Daniel Zadra, die Angriffe seien „letztklassig und vorgestrig“. Er könne Willis Rückzug sehr gut nachempfinden, bedauere ihren Entschluss aber, denn nun hätten „Feigheit und Mobbing ihr Ziel erreicht“.

ÖVP-Frauensprecherin Martina Rüscher sagt, es sei unglaublich, dass junge engagierte Frauen angegriffen und so aus der Politik gedrängt würden.

Handler: Unstimmigkeiten vor Rücktritt

Handlers Abgang Anfang Februar waren wiederholt Unstimmigkeiten zwischen der Bürgermeisterin und dem Gemeindevorstand vorausgegangen. Auch die Beiziehung eines Mediators hatte diesbezüglich nichts geändert, so Handler in ihrer Rücktrittserklärung. Im Dezember hätten Mitglieder des dreiköpfigen Gemeindevorstands ihr das Vertrauen entzogen und sie sei fraktionsintern zum Rücktritt aufgefordert worden. Handler sprach von einer „fehlenden Kultur der guten Kommunikation“. Bei den Gemeindevertretungswahlen im März 2015 war die 57-Jährige noch mit großer Mehrheit in ihrem Amt bestätigt worden. Mehr dazu in Ex-Bürgermeisterin nimmt Stellung.

Schwieriges politisches Pflaster

Handler war drei Jahre lang Bürgermeisterin der größten Bregenzerwälder Gemeinde. Bei den Gemeindevertretungswahlen im März 2015 war sie noch mit großer Mehrheit in ihrem Amt bestätigt worden. Egg gilt generell als schwieriges politisches Pflaster. Schon 2003 hatte die Egger und Großdorfer Liste den eigenen Bürgermeister abgesägt - mehr dazu in Heißer Bürgermeister-Sessel in Egg.