Anfechtung: „ÖVP hat Wähler unter Druck gesetzt “

Massive Verstöße ortet Rechtsanwalt Anton Tschann bei der Stichwahl in Bludenz. ÖVP-Wahlwerber hätten Wähler unter Druck gesetzt und sie zum Ankreuzen des ÖVP-Kandidaten gezwungen. In der SPÖ-Wahlanfechtung werden mehrere Vorwürfe erhoben. Die ÖVP weist diese zurück.

Zur Wahlanfechtung der Bürgermeister-Stichwahl in Bludenz liegt nun die schriftliche Begründung des von der SPÖ beauftragten Anwalts Anton Tschann vor. In der Beschwerde habe er „zahlreiche Gesetzeswidrigkeiten im Zuge der Wahlkartenausstellung“ aufgelistet. Es gehe dabei keineswegs nur um bloße Formalitäten.

„Ohne Wissen der Wähler Wahlkarten bestellt“

„Völlig gesetzeswidrig bestellten ÖVP-Funktionäre bei der zuständigen Beamtin der Stadt Bludenz zuhauf Wahlkarten, teils ohne Wissen der Wähler. Diese wurden dann der Wählern bei den Wahlkampf-Hausbesuchen der Wahlwerber der ÖVP präsentiert“, schreibt Anwalt Tschann.

27 Stimmen waren entscheidend

Bei der Bürgermeister-Stichwahl am 29. März hatte sich der amtierende Bürgermeister Josef Katzenmayer (ÖVP) mit 27 Stimmen Vorsprung gegen SPÖ-Herausforderer Mario Leiter durchgesetzt. Die SPÖ fechtet die Wahl an.

Eine Wählerin habe am Donnerstag vor der Wahl im Rathaus wählen wollen, ihre Wahlkarte sei aber schon im Besitz einer ÖVP-Wahlwerberin gewesen. Ein ÖVP-Funktionär habe bereits am Montag zuvor die Wahlkarte ohne Wissen der Wählerin eigenmächtig im Rathaus beantragt und an sich genommen. Erst durch Nachfragen der Rathausbediensteten in der ÖVP-Zentrale habe sich herausgestellt, dass sich die Wahlkarte im Besitz einer ÖVP-Kandidatin befunden habe. Die Wählerin habe die ÖVP-Wahlwerberin nicht gekannt.

Rückgabe und Aufbewahrung der Wahlkarten

Gesetzeswidrig sei auch die Rückgabe der ausgefüllten Wahlkarten durch ÖVP-Wahlwerber und andere Unbefugte an die Wahlbehörde gewesen, so ein weiterer Vorwurf von Tschann. „Bemerkenswert ist, dass als Wahlkartenorganisatoren für die ÖVP unter anderem auch ein Personalbüro eines in Bludenz beheimateten Unternehmens sowie Mitarbeiter der SeneCura und des Landeskrankenhauses Bludenz eingebunden wurden“, so der Anwalt wörtlich.

„Zudem wurden durch die Gemeindewahlbehörde nahezu 800 Wahlkarten willkürlich - ohne jegliche Versiegelung - in zwei Wahlsprengel verbracht“, so Tschann. Gesetzeswidrig sei auch gewesen, dass bei der zuständigen Beamtin im Rathaus abgegebene Wahlkarten offen in deren Büro bei der Bürgerservicestelle herumgelegen und nur über Nacht weggesperrt worden seien. Nach dem Gesetz hätte der Leiter der Gemeindewahlbehörde die Wahlkarten sofort an sich nehmen und diese unter Verschluss halten müssen.

„Gegen den Willen den Bürgermeister angekreuzt“

„Es sind weiters Fälle dokumentiert, wo ÖVP-Wahlwerber Wähler unter Druck setzten und anhielten, sofort vor ihnen ihre Stimme abzugeben. Sie mussten entgegen ihrem Willen den Bürgermeister ankreuzen! Das Gebot der geheimen Wahl wurde mit Füßen getreten. Dies war wohl der „Höhepunkt“ dieses Wahlkarten-Desasters“, schreibt Tschann.

ÖVP Bludenz weist die Vorwürfe zurück

Die ÖVP Bludenz weist die Vorwürfe zurück. Es sei unstrittig, dass es im Zuge der Wahlkartenabgabe Formalfehler gebeben habe, so der Anwalt der ÖVP Bludenz Bernd Widerin gegenüber dem ORF Vorarlberg. Er spricht von einer gut gemeinten „Überservicierung“ durch die ÖVP-Wahlwerber. Von Wahlbetrug zu reden und zu sagen, dass Wähler unter Druck gesetzt worden seien, sei nicht richtig, so Widerin. Dieses Bild wolle die ÖVP so nicht stehen lassen.

Bürgermeister Josef Katzenmayer will zunächst die Beschwerde einsehen, bevor er dazu Stellung nimmt.

Staatsanwaltschaft ermittelt

In der Bludenzer Wahlkartenaffäre ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Amtsmissbrauchs. Das bestätigt der Sprecher der Feldkircher Staatsanwaltschaft, Heinz Rusch - mehr dazu in Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs.

Wahlanfechtung auch in Hohenems

Zu einer Wahlanfechtung kommt es auch in Hohenems. Die FPÖ begründet ihre Anfechtung der Bürgermeister-Stichwahl in Hohenems mit „groben Unregelmäßigkeiten“ - mehr dazu in FPÖ beschließt Wahlanfechtung in Hohenems.