Alle Angeklagten schuldig gesprochen

Am Dienstag sind am Landesgericht Salzburg die restlichen Angeklagten um die Testamentsfälschungen am Bezirksgericht Dornbirn schuldig gesprochen worden. Das Gericht geht nicht davon aus, dass der Hauptbeschuldigte Jürgen H. ein Einzeltäter war.

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Video: Beitrag von Gernot Hämmerle, Reinhard Fuchs, Nikolaus Altmann

Nach 21 Verhandlungstagen und vier Schuldsprüchen in dem aufsehenerregenden Prozess wurden am Dienstag die restlichen sechs Urteile gesprochen. Der geständige Hauptbeschuldigte Jürgen H., suspendierter Geschäftsstellenleiter des Bezirksgericht Dornbirn, erhielt sieben Jahre Haft unbedingt.

Der Schöffensenat unter Vorsitz von Richter Andreas Posch ging nach 30-stündiger Beratung davon aus, dass Jürgen H. nicht der alleinige Drahtzieher der Manipulationen war: Alle Angeklagten wurden verurteilt.

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Video: ORF-Redakteur Gernot Hämmerle im Gespräch mit „Vorarlberg heute“-Moderatorin Martina Köberle. Gernot Hämmerle schildert dabei seine Beobachtungen im Landesgericht Salzburg

Drei Jahre Haft für Clemens M. und Kurt T.

Die ehemaligen Gerichtskollegen des Hauptbeschuldigten, Clemens M. (52) und Kurt T. ( 49), wurden zu je drei Jahren Haft, davon ein Jahr unbedingt, verurteilt. Der frühere Gerichtsbedienstete Walter M. (72) erhielt zwei Jahre Haft bedingt. Die Urteilsbegründungen im Detail - mehr dazu in Testamentsprozess: Die Urteilsbegründungen

Die suspendierte Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch, Kornelia Ratz (48), wurde zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, zehn Monate davon wurden unbedingt ausgesprochen - mehr dazu in Kornelia Ratz verliert ihr Richteramt. Schuldig gesprochen wurde auch ein geständiger Freund des Hauptbeschuldigten: Peter H. (48) kassierte eine unbedingte Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

Alle sechs Urteile nicht rechtskräftig

Die beiden Staatsanwälte Manfred Bolter und Andreas Pechatschek gaben keine Erklärung ab. Als einziger Angeklagter hat der Hauptbeschuldigte Jürgen H. das Urteil angenommen.

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Verteidiger von Kornelia Ratz kündigte Berufung an

Die Verteidiger von Kurt T., Walter M. und Peter H. erbaten drei Tage Bedenkzeit. Der Anwalt von Clemens M. gab keine Erklärung ab, der Verteidiger von Richterin Kornelia Ratz kündigte Nichtigkeit und Berufung wegen des Strafausspruches und des Privatbeteiligten-Zuspruches an. Senatsvorsitzender Andreas Posch erklärte, dass bei allen Beschuldigten, die einen Beamtenstatus haben, „der Amtsverlust unbedingt ausfällt“ - falls das Urteil rechtskräftig wird.

Der Hauptbeschuldigte habe in 17 Fakten einen inkriminierten Schaden von rund zehn Mio. Euro zu vertreten, wobei es bei 4,6 Mio. Euro beim Versuch geblieben sei, erläuterte Posch. Im Fall von Kornelia Ratz, der ein Faktum zur Last gelegt wurde, nahm das Gericht einen Schaden von rund 542.000 Euro an. Sie verließ wortlos den Gerichtssaal.

„Es hat ein System gegeben“

Richter Posch sagte in seiner Urteilsbegründung, dass er sich schnell von der Einzeltätertheorie verabschiedet habe. Es habe ein System gegeben. Das sei nur die Spitze des Eisberges, vieles werde nicht mehr aufgearbeitet werden können.

Zudem übte Posch Kritik an der Staatsanwaltschaft. Anstatt Tag für Tag die Aussagen, die H. über Monate hinweg getätigt hatte, zu protokollieren, seien alle Aussagen nur in einem Protokoll zusammengefasst worden. Es gebe keinen einzigen Schuldspruch, der allein auf den Aussagen H.s basiere, sondern alle beruhten auf Beweismitteln. Posch sagte in seiner Urteilsbegründung, dass man den Richtern am Bezirksgericht Dornbirn vorwerfen müsse, dass sie zu lange weggeschaut hätten. Es habe die Zivilcourage gefehlt, „auch bei Zeugen“. „Für jeden war das Winkeln normal. Auch Kollegen haben wirklich nicht geglänzt“, ließ Posch aufhorchen.

Kritik an Justizministerium

Posch kritisierte außerdem das Justizministerium. Für einen derartigen Fall habe es zu wenig Personal gegeben. Es sei unvorstellbar, dass ein Staatsanwalt alleine sich durch 55 Aktenbände und insgesamt 23.000 Seiten durchgearbeitet hatte.

Der Prozess habe aber auch Positives gezeigt: Es gebe trotzdem noch Leute mit Zivilcourage, etwa die junge Richterin am Bezirksgericht Dornbirn, die mit persönlichem Einsatz die ganze Affäre aufgedeckt hatte. Positiv sei auch, so der Richter, dass nahezu alle Geschädigten bereits befriedigt werden konnten. Posch kündigte an, dass es durchaus noch weitere Verfahren zur Testamentsfälscheraffäre geben könnte.

Vertrauen in die Justiz erschüttert

Das Auffliegen der Fälschungen und Betrügereien von Justizmitarbeitern am Bezirksgericht Dornbirn hat das Vertrauen in die Vorarlberger Justiz erschüttert. Laut Staatsanwaltschaft wurden von 2001 bis 2008 in 18 Verlassenschaftsverfahren 16 Testamente und zwei Schenkungsverträge manipuliert. Die Täter wollten offenbar sich und Angehörige bereichern. Der inkriminierte Gesamtschaden beträgt zehn Millionen Euro. Über 150 Personen haben sich als geprellte Erben gemeldet.

Urteilsvorbereitung dauerte einen Monat

Posch hatte sich in Ruhe auf die Urteile vorbereitet. Einen Monat nahm er sich Zeit, um die diversen Aussagen nochmals durchzugehen und um eventuell Widersprüche zu entdecken. Eine Woche lang beriet sich Posch mit den beiden Laienrichtern, einem Pensionisten und einem Tischler.

Widersprüche hatten die Staatsanwälte bei den nicht geständigen Justizmitarbeitern, darunter auch Ratz, entdeckt. Aus Sicht des Salzburger Anwalts Peter Lechenauer, der geschädigte Erben vertritt, hätten die nicht geständigen Angeklagten „Selbstherrlichkeit an den Tag gelegt“ und keine Einsicht gezeigt. Das müsse sich in Schuld und Strafe zeigen. Die Staatsanwaltschaft sei nicht davor zurückgeschreckt, in den eigenen Reihen der Justiz Sauberkeit und Klärung herbeizuführen. Die Urteile sollten dieser Arbeit nun gerecht werden, fordert Lechenauer.

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