Testamentsprozess: Der erste Tag

Am Montag hat am Landesgericht Salzburg der erste Tag des Prozesses wegen mutmaßlicher Testamentsfälschungen beim Bezirksgericht Dornbirn stattgefunden. Staatsanwalt Manfred Bolter und die Verteidigung trugen ihre Eröffnungsreden vor.

In dem Verfahren sind insgesamt zehn Menschen angeklagt, die von 2001 bis 2008 in 18 Verlassenschaftsverfahren 16 Testamente und zwei Schenkungsverträge manipuliert haben sollen, um sich und Angehörige zu bereichern. Der Gesamtschaden beträgt zehn Millionen Euro, 158 Geschädigte sind bekannt. Die Vorwürfe lauten auf Amtsmissbrauch, gewerbsmäßig schweren Betrug unter Ausnützung einer Amtsstellung und Fälschung besonders geschützter Urkunden unter Ausnützung einer Amtsstellung. Im Falle eines Schuldspruchs drohen den Beschuldigten bis zu 15 Jahren Haft - mehr dazu in Testamentsfälscher: Der Prozess in Zahlen.

Im Bild der Feldkirchner Staatsanwalt Manfred Bolter vor Prozessbeginn

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Staatsanwalt Manfred Bolter

„Noch nicht alle Fälschungen geklärt“

Der Feldkircher Staatsanwalt Manfred Bolter stellte gleich in seinem Anklagevortrag klar, dass noch längst nicht alle Fälschungen geklärt seien: „Das sind wichtige Fälle, die ich herausgepickt habe. Es ist nicht alles entdeckt, was passiert ist. Wir haben nach wie vor Verfahren in Arbeit, die zum Himmel stinken.“

Bolter erläuterte auch, weshalb es so lange gedauert hat, bis die Fälschungen ans Tageslicht gekommen sind; er zitierte dazu jene Richterin, der Anfang 2009 eine Manipulation in einer Verlassenschaftssache ins Auge gestochen war. „Sie sagte: ‚Die Laus sitzt im eigenen Pelz‘. Das erste Mal ist das Unaussprechliche diskutiert worden - dass die Täter vielleicht in den eigenen Reihen sitzen. Es hat sehr lange in unseren Köpfen gedauert, bis wir den Gedanken zulassen konnten: Da passiert etwas in den eigenen Reihen.“

„Jürgen H. ist die noch lebende Hauptfigur“

Der Hauptbeschuldigte und Kronzeuge der Anklage, Jürgen H. (47), derzeit suspendierter Geschäftsstellenleiter des Bezirksgerichtes Dornbirn, ist für Bolter in den letzten zehn Jahren die „noch lebende Hauptfigur“ im ganzen Skandal. Eine weitere zentrale Figur, ein Vorarlberger Rechtsanwalt, sei bereits gestorben. Die vier angeklagten Angehörigen von Jürgen H. und dessen ebenfalls beschuldigter Freund Peter H. (48) bezeichnete der Staatsanwalt als „notwendige Mitspieler“. Die Kernfrage sei, ob die drei nicht geständigen damaligen Rechtspfleger am Bezirksgericht Dornbirn, Kurt T. (48), Clemens M. (52) und Walter M. (72), mit Jürgen H. im Boot saßen - mehr dazu in Staatsanwalt hält Eröffnungsrede und Gerichtsbedienstete bestreiten Vorwürfe.

Klaus Grubhofer

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Verteidiger Klaus Grubhofer

Jürgen H. übernimmt volle Verantwortung

Jürgen H., der wortlos, bleich, aber gefasst den Saal betreten hatte, übernahm die volle Verantwortung: „Jürgen H. weiß, was er getan hat, er kennt den Strafrahmen und er weiß, dass er zu Recht angeklagt ist“, erklärte dessen Verteidiger Klaus Grubhofer in seinem Eröffnungsvortrag. Sein Mandant sei von Anfang an voll geständig gewesen und wolle damit einen Beitrag leisten, das Vertrauen in die Justiz wieder herzustellen.

Grubhofer prangerte auch die Zustände am Bezirksgericht Dornbirn an. Gerichtsbedienstete hätten jahrzehntelang nebenberuflich Verträge errichtet, es habe Verfahren wegen Winkelschreiberei gegeben. Doch so gut wie nie habe es disziplinäre Sanktionen gegeben. „Durch das Verschließen der Augen vor der Wirklichkeit konnte es geschehen, dass das Unrechtsbewusstsein bei manchen verkümmerte.“ - mehr dazu in „Angeklagter will umfassendes Geständnis ablegen“.

Laut Anwalt Grubhofer ist unklar, ob Jürgen H. den Prozess auf der Anklagebank überhaupt durchstehen kann. „Er ist psychisch und physisch sehr stark angespannt, er ist in einem sehr erbarmungswürdigen Zustand, und ich hoffe, dass er dem Druck, der bei diesem Prozess auf ihn zukommen wird, auch standhalten kann“, so der Anwalt.

Richter Andreas Posch

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Richter Andreas Posch

Entscheidung über beschlagnahmtes Geld bald möglich

Richter Andreas Posch stellte in Aussicht, dass bereits Ende kommender Woche eine Entscheidung über die zurzeit beschlagnahmten Gelder gefällt werden könnte. Es sei denkbar, dass dann bereits die bisher von der Justiz gesperrten „Gelder in nicht unbeträchtlicher Höhe“ freigegeben werden könnten.

Einvernahmen erst ab Dienstag

Am Dienstag beginnen die Einvernahmen der Angeklagten. Die Zeugen werden ab Ende Mai befragt werden. Im Hinblick auf die schlechte gesundheitliche Verfassung des Hauptangeklagten H. wies der Richter darauf hin, dass während der gesamten Dauer der Verhandlung ein Rotkreuz-Team zur Verfügung stehe.

Vorerst völlig ausgeklammert wurde die Anklage der Staatsanwaltschaft Steyr, welche die angeblich von der Feldkircher Landesgerichts-Vizepräsidentin Kornelia Ratz in Auftrag gegebene Testaments-Fälschung betrifft. Dieses Faktum wird erst ab 14. Mai verhandelt. Ratz wie auch der Erste Staatsanwalt aus Steyr, Andreas Pechatschek, blieben dem Verfahren daher vorerst fern.

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Audio: ORF-Reporter Georg Fabjan mit einem Resümee vom ersten Prozesstag.

Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen

Die Sicherheitsmaßnahmen am Landesgericht Salzburg waren am Montag im Vergleich zu einem „normalen“ Gerichtstag deutlich verstärkt: Anstelle der üblichen zwei Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma kontrollierten gleich sieben die Besucher bei der Sicherheitsschleuse am Eingang zum Gerichtsgebäude. Schon vor Prozessbeginn waren eine Reihe von Kamerateams und Fotografen unterwegs, um Bilder einzufangen und erste Interviews durchzuführen.

Urteil frühestens im Sommer

Der Prozess findet in Salzburg statt, weil sich die Vorarlberger Richter für befangen erklärten - mehr dazu in Testamentsfälschungen: Die Chronologie.

Für den sehr aufwendigen Prozess wurden 17 Verhandlungstage bis 6. Juni anberaumt. Der Prozess könnte notfalls aber auch verlängert werden, kündigte Richter Posch an. Ein Urteil soll frühestens im Sommer ergehen.

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