Passivhäuser oft konventionell beheizt

Das Konzept, Passivhäuser nur über Belüftungsanlagen zu beheizen, gilt in Expertenkreisen als überholt. So werden Passivhäuser von Vorarlbergs gemeinnützigen Wohnbauträgern meist mit Gas-Zentralheizungen erwärmt, berichtet die Wirtschaftspresseagentur.

Eigentlich sollten Passivhäuser ihre vorhandenen inneren Wärmequellen wie Leuchten oder Elektrogeräte und die natürliche Sonneneinstrahlung durch die Fenster nutzen. So werde das Haus passiv warm gehalten. Die Realität sieht aber offenbar anders aus, berichtet die Wirtschaftspresseagentur. In den Passivhaus-Wohnanlagen von Vorarlbergs gemeinnützigen Wohnbauträgern sorgen in fast allen Fällen weiterhin Warmwasser-Zentralheizungen für die Erwärmung der Raumluft. Und die Energie dafür wird in sehr vielen Fällen von herkömmlichen Gas-Thermen zur Verfügung gestellt.

Gas-Zentralheizungen auch in privaten Anlagen

Das ursprüngliche Passivhaus-Konzept, wonach ein Passivhaus über so gute Wärmedämm-Eigenschaften verfügt, dass es für das Heizen nur noch eine minimale Erwärmung der über automatische Belüftungen zugeführten Luft braucht, gilt unter Bauexperten mittlerweile als komplett überholt. „Die Wohnrealität gerade im sozialen Wohnbau hat hier die theoretisch errechneten Werte zunichte gemacht“, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Dazu komme: Den Bewohnern fehle in vielen Fällen einfach das Bewusstsein für die Funktion eines Passivhauses. Besonders pikant erscheint diese Erkenntnis, da gemeinnützige Wohnbauträger seit 2007 per Gesetz in Vorarlberg gar keine andere Wahl haben, als im teureren Passivhaus-Standard zu bauen. Der Einbau von Gas-Zentralheizungen findet jedoch auch in privat errichteten Passivhaus-Wohnanlagen statt.

Auf der Homepage des Vorarlberger Energieinstituts heißt es zum Passivhaus: „Diese Häuser nutzen ihre vorhandenen inneren Wärmequellen wie Leuchten oder Elektrogeräte und die natürliche Sonneneinstrahlung durch die Fenster. So wird das Haus passiv warm gehalten. Das Haus benötigt kaum noch aktive Wärmeeinträge, in der Regel von einem kleinen Ofen oder von einer Frischlufterwärmung durch ein Minipümpchen.“ Von einer Zentralheizung ist hier keine Rede, geschweige denn von einer mit Erdgas betriebenen Anlage.

Muzyczyn: Konzept von Himmelsrichtung abhängig

Die Aufgabe dieses „Minipümpchens“ übernimmt zum Beispiel in allen sieben neu errichteten Passivhaus-Wohnanlagen der Alpenländischen Heimstätte eine mit Gas befeuerte Warmwasser-Zentralheizung.

Der Ansatz, Passivhäuser über den Wärmeeintrag durch die Sonne ausreichend zu heizen, sei in Wohnanlagen problematisch, da die einzelnen Wohnungen in fast allen Fällen in unterschiedliche Himmelsrichtungen ausgerichtet seien. „In einer südlich ausgerichteten Wohnung mag das noch funktionieren, aber in einer Nord-Ost-Lage geht das kaum mehr“, so Muzyczyn. So habe dieses ursprüngliche Konzept bei der Alpenländischen Heimstätte bei einem Pilotprojekt in Bludenz Ende der 1990er-Jahre funktioniert, wo alle Wohnungen nach Süden ausgerichtet waren. „Derzeit funktioniert ein Passivhaus generell ohne konventionelle Heizung aber nicht“, so Muzyczyn. Relevant für ein Passivhaus sei jedoch nicht der Brennstoff, mit dem die restliche notwendige Raumwärme erzeugt werde, sondern ein Heizwärmebedarf, der nicht über 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter Nutzfläche und Jahr liegen dürfe. Zudem müsse ein Passivhaus luftdicht und wärmedicht sein, wodurch der Wärmebedarf generell „extrem“ gesenkt werden kann, sagte Muzyczyn.

Vogewosi:Anlagen oft mit Gas-Zentralheizungen

Auch der größte gemeinnützige Wohnbauträger in Vorarlberg, die Vogewosi, hat in den rund 15 neu gebauten und sieben sanierten Passivhauswohnanlagen eine Warmwasser-Zentralheizung installiert. In vielen Fällen seien es Gas-Thermen, manchmal sei auch der Anschluss an eine Fernwärmeanlage erfolgt. „Keine Frage: Wir haben in allen Passivhausanlagen eine konventionelle Zentralheizung installiert“, so Geschäftsführer Hans-Peter Lorenz. Das ursprüngliche Passivhaus-Konzept (Erwärmung der Raumluft nur über die Lüftungsanlage), wo man in der Realität so ungefähr 18 Grad Celsius Raumtemperatur bekomme, sei „unmöglich umzusetzen“. „Den Mieter interessiert es nicht, wie das Haus geheizt wird. Es muss nur warm sein“, so Lorenz. Diese zusätzliche Wärme werde über herkömmliche Zentralheizungen zugeführt.

Theoretische Passivhaus-Werte nicht realistisch

In der Praxis hänge der schlussendlich erreichte Heizwärmebedarf, der beim Passivhaus mit den genannten 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter Nutzfläche und Jahr (oder mit 10 Kilowattstunden pro Quadratmeter Bruttogeschossfläche) gedeckelt ist, sehr stark vom Nutzerverhalten der Bewohner ab. „Diese theoretisch errechneten 10 Kilowattstunden erreichen wir in unseren Häusern nicht. Das geht nur im besten Fall zum Beispiel bei Einfamilienhäusern oder Kleinwohnanlagen, wo alle Bewohner das Konzept aktiv leben. In unseren Häusern mit externer Zuteilung von Mietern kommen wir auf einen Durchschnittsverbrauch von etwa 20 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, also den doppelten Wert“, so Lorenz. Die Definition der Passivhäuser sei deshalb zu hinterfragen, denn man dürfe dieses Thema nicht allzu blauäugig sehen. „Die Praxiswerte liegen fast überall doch deutlich über den theoretischen Werten.“

Torghele: Passivhaus ohne Heizung ist Irrglaube

Der Dornbirner Energieberater Karl Torghele erklärte, dass es ein Irrglaube sei, dass Passivhäuser keine Heizungsanlage benötigen. Er bestätigte jedoch, dass das Passivhaus-Konzept ursprünglich davon ausgegangen sei, dass man solche Häuser mit der innen erzeugten „Wärme“ durch Bewohner und Elektroanlagen heizen könne. „Das hat sich aber überholt, denn es ist nicht angenehm und komfortabel, in so einem Haus ohne zusätzliche Heizung zu wohnen.“ Die Heizung sei im Gegensatz zur automatischen Komfortlüftung aber keine zwingende Notwendigkeit. „Aber sie wird fast überall eingebaut.“ Dafür genügen würden Kleinstheizkörper oder wie in Vorarlberg teilweise Belegungen mit Fußbodenheizungen. Diese könne man dann über Fernwärme, Pelletsheizungen oder Wärmepumpen betreiben. Öl- und Stückholzheizungen seien aufgrund der nicht ausreichenden Dosierbarkeit weniger geeignet. In Wohnanlagen komme sehr oft Gas zum Einsatz. „Aber das rein luftgeführte Konzept ist problematisch. Es ist nicht zu empfehlen, da es nicht praxistauglich ist.“

Auf die Kosten angesprochen meinte auch Torghele, dass Passivhäuser zwar deutlich weniger Energie verbrauchen würden. „Doch Geld spart man sich mit einem Passivhaus nicht. Denn die erhöhten Baukosten, der Strombedarf für die automatischen Lüftungen sowie die Filterwartungen gleichen diese Ersparnis wieder aus.“ Im sozialen Wohnbau mache die automatische Lüftung jedoch durchaus Sinn, da sie für mehr Komfort sorge und das Schimmelproblem besser in Griff zu bekommen sei.