J. Baberowski: „Von der Faszination des Bösen“

In der Sendung „Focus - Themen fürs Leben“ spricht Univ.-Prof. Dr. Jörg Baberowski, Historiker an der Humboldt-Universität Berlin, über das Thema Was weh tut, muss einem zugefügt werden. Von der Faszination des Bösen.“

Die Sendung zum Nachhören:

„Nur was nicht aufhört weh zu tun, bleibt im Gedächtnis" zitiert Baberowski Friedrich Nietzsche und ergänzt die Wahrnehmung von Schmerz mit dem Satz: „Man brennt etwas ein, damit es im Gedächtnis bleibt.“

Sendungshinweis:

„Focus" – Themen fürs Leben“, 27.10.2018, ORF Radio Vorarlberg

In eindrucksvollen Bildern schildert der Berliner Historiker die Verwundungen, die Ängste, das Ausgeliefertsein und die Trostlosigkeit von Menschen, die mit gezielter Gewalt gedemütigt werden. Baberowski schildert dies am Beispiel von Erfahrungen in sowjetischen Arbeitslagern. Er fügt hinzu, dass dieses Muster der Unterdrückung und Gewaltausübung sich auch in Gefängnissen, in Diktaturen aber auch im privaten Bereich in Gewaltexzessen finden lasse.

Jörg Baberowski

Privat

Historiker Jörg Baberowski

Drei Arten von Zerstörung der Seele

Was Prof. Baberowski gelingt, ist eine Hinführung an die „Brennpunkte" eines Menschen, der in die Klauen von Peinigern gerät.

Dieser Schmerz beginnt schon davor, mit der Angst. Ein Zeuge dieser Furcht vor der Abholung durch den NKWD - das Volkskommissariat für innere Angelegenheiten - ist der Komponist Dmitri Schostakowitsch. „Der Geheimdienst war jene Stelle, die staatlichen Terror über die Körper und Seelen in das eiserne Band der Gewalt spannte."

Die Zerstörung der menschlichen Seele „gelingt" laut Baberowski auf dreierlei Weisen: „Durch das, was andere einem Menschen antun; durch das, was ein Mensch sich selbst antut, weil andere ihn dazu treiben und durch das, was ein Mensch aus freien Stücken sich selbst antut."

Diese Willkür, mit der die Gewalt sich ihre Opfer suche und sich in das Gehäuse der Marter einsperre, sei das eigentliche Charakteristikum der Hölle. „Man weiß gar nicht, was geschehen wird, man ahnt, was möglich sein könnte, aber wenn es dann wirklich eintrifft, ist es ganz anders, als man es sich vorgestellt hat."

Die Gewalt sei nur auf dem Grund der Phantasie eine geruchlose und geräuschlose Aktion. In Wahrheit sei sie abschreckend und rieche nach Blut, Urin und Schweiß. Ihre Zeit sei eine Zeit des Lärms, der schrillen Töne, die man nicht wieder vergesse. Die körperliche Überwältigung steht laut Baberowski am Anfang aller Erniedrigung, die auf dem Weg in die Hölle ertragen werden muss.

Zur Person: Jörg Baberowski

Jörg Baberowski (geboren 1961) studierte Geschichte und Philosophie und ist seit 2002 Professor für Geschichte Osteuropas an der Humboldt-Universität zu Berlin. Prof. Baberowski ist Experte für die Geschichte der Sowjetunion und des stalinistischen Terrors.

Literaturtipp:

Jörg Baberowski: „Räume der Gewalt“
Fischer Taschenbuch 2018.

Musik:

CD* Kuschelklassik 7
Die Hornisse - Introduction
A: Andre Kostelanetz & Orch
K: Schostakowitsch

CD* Kuschelklassik 7
Klavierkonzert Nr. 2 F-Dur
A: Los Angeles Philharmonic Orch
K: Schostakowitsch