Sexualität und Achtsamkeit - eine buddhistische Übung

Universitätsprofessor und Arzt Peter Riedl spricht in der ORF Radio Vorarlberg Sendung „Focus“ über den Buddhismus in allen seinen Aspekten - darunter auch die Sexualität.

Sendehinweis:

„Focus“, 4. Juni 2016, 13.00 bis 14.00 Uhr, ORF Radio Vorarlberg
9. Juni 2016, 21.00 bis 22.00 Uhr (WH), ORF Radio Vorarlberg

Man könne den Buddhismus als Religion, als Therapie, als Geistesschulung oder Philosophie betrachten, sagt Riedl. Es gebe eine Richtung des Buddhismus mit und eine ohne Glauben. Der Dalai Lama soll gesagt haben, sein Buddhismus sei jener mit Glauben. Peter Riedl pflegt den Buddhismus als geistige Übung ohne Glauben.

Die Sendung zum Nachhören:

Woher kommen die Probleme des Menschen?

Buddha lehre dazu zwei Dinge: „Die Ursache und die Lösung des Leidens.“ Es sei wichtig, die ganze buddhistische Lebensweisheit unter diesen beiden Aspekten zu sehen: Die Ursache und die Überwindung des Leidens, betont Riedl. Der Buddhismus sei nicht lebensfeindlich. Wesentlich gehe es ihm um die Leidfreiheit. Und das sei auch wesentlich für die buddhistische Übung.

Focus Peter Riedl

U/W Verlag Wien

Peter Riedl

Leiden und Freuden im Leben

Das Leben sei immer wieder mit Leid verbunden. Daraus habe sich eine Sichtweise herauskristallisiert, dass das Leben immer wieder mit Leiden verbunden sei. „Es sind nicht die großen Leidensformen, sondern auch die kleinen: wenn ich mich ärgere, wenn ich Stress habe, wenn ich aufgeregt bin.“ Und im Kontext mit schönen Dingen, wenn ich liebe, wenn ich geliebt werde oder der geliebte Mensch mich verlässt.

Das Leiden und das Wollen

Die Ursache des Leidens ist mein Wollen. Die Ursache des Leidens bin ich! Man unterscheide zwischen der geistigen und der materiellen Ursache des Leidens. Materielle Probleme werde ich dadurch nicht lösen können. Der geistige Aspekt am Problem ist: zu lösen und genau anzuschauen. Was sind unsere Probleme?

Ich könnte mich vom Ärger freimachen und müsste mich nicht ärgern. Man kann sich nach Meinung von Buddha vom Ärger freimachen. Der buddhistische Weg ist auch, sich aufhören zu ärgern, ohne sich etwas vorzumachen, ohne den Ärger zu unterdrücken, ohne ein positives Denken, ohne all die Hilfsmittel. Es sei ein subtiler Weg, wie ich geistig frei werden kann. Es geht um Freiheit. Wie kann ich ein glücklicher, gleichmütiger, liebevoller Mensch werden? letztlich geht auch um das Lösen vom Wollen.

Die buddhistische Übung

Sie geht über drei Pfeiler. Das Eine ist ein Wissen über die Zusammenhänge des Lebens, ein zusammenhängendes Wissen, das später zur Weisheit wird. Das Zweite ist eine ethische Übung. Ihr wird im buddhistischen Kontext ein großer Stellenwert beigemessen. Man kann sich üben und muss dies, weil alles auf Freiwilligkeit beruht. Das Dritte ist die geistige Übung. Sie besteht aus der Meditation, also der Konzentration durch die Sammlung des Geistes.

Sie besteht auch aus der Übung der Achtsamkeit, die nach innen gerichtete Aufmerksamkeit. Sie ist das zentrale Element der buddhistischen Übung. Buddha habe gelehrt, dass es einen Weg aus Jammer und Leiden, aus Trübsal und Kummer gebe, sagt Riedl. Mit der Achtsamkeit kann man den Geist üben. Es sei nicht unbedingt eine Übung, um die Welt zu verbessern. Die geistigen Übungen sind Hanteln für den Geist.

Die richtige Anstrengung

Die Achtsamkeit kann nach langem Üben anstrengungslos werden. Dabei kann geübt werden, Heilsames -Liebe, Freude, Großzügigkeit, Gleichmut, Gelassenheit - aufsteigen zu lassen und Unheilsames - Ärger, Wut, Hass, Gier - in mir nicht aufsteigen zu lassen, sagt Riedl.

Zur Sexualität

Im Buddhismus hat die Sexualität nicht den Stellenwert wie im Christentum. In den Schriften kommt Sexualität kaum vor. Riedl ergänzt: “Buddha hatte kein Problem mit der Sexualität, weil seine Mönche und Nonnen zölibatär gelebt haben.“

Buddha habe das Schwierige ausgeklammert, weil er erkannte, dass nichts den Mann so sehr anmacht, irritiert oder für ihn so wichtig ist, wie die Frau - und umgekehrt ist für die Frau nichts so wichtig wie der Mann. “Buddha hat das Problem darin gesehen, dass beide keinen Sex miteinander haben. Sie durften sich nicht einmal berühren.“

Achtsamkeit und Sexualität, was haben beide miteinander zu tun?

Im frühen Buddhismus habe man das Thema nicht „ausgelassen“, und daneben entwickelten sich Formen des tantrischen Buddhismus. Im Tantra geht es nur sehr bedingt um Sex. Tantra meint, dass nichts im Leben - so wie im früheren Buddhismus - ausgeklammert wird, sondern in die *Übung hineingenommen wird. Meine Neurosen, meine Begierden, die ich für mein Glück überwinden möchte, sollen nicht unterdrückt oder verdrängt, sondern sie sollen zugelassen werden.

In der Unterdrückung kommen nach Riedl die merkwürdigen Dinge der Pornografie heraus. Das Zulassen im therapeutischen Rahmen ermöglicht es uns, die dunklen Dinge in uns anzuschauen, mit ihnen zu arbeiten und umzugehen. Der spirituelle Weg ist jener, bei dem man sich mit den dunklen Seiten auseinandersetzt. Wo ist all das Schlimme in der Welt? Immer bei den Anderen. Der spirituelle Weg ist nicht ein Weg zur Heiligkeit, sondern in die Überwindung der Probleme.

In der Sexualität andere Dinge üben

Zum Beispiel kann man in der Sexualität großzügig oder liebevoll, aufmerksam sein und/oder tief in sich hineinspüren. Sexualität scheint, wenn man sich nicht mit ihr auseinandersetzt, ziemlich tierhaft zu sein. Wir haben ein gehemmte, kulturbedingte Haltung dazu. Entsteht ein Gefühl, ein Begehren, können wir uns dem Partner nähern.

Gibt es Sexualität ohne Begehren?

Man kann bei der Sexualität auf den ANDEREN schauen. Was will er/sie? Wer hat sich am besten im Griff? Derjenige, der mit den Gefühlen umgehen kann, der das eigene Denken und Fühlen unter Kontrolle hat. Ohne Unterdrückung oder Manipulation. Es habe mit dem Üben spiritueller Methoden zu tun, in denen man die Kontrolle über das Denken und den Verstand aufgeben kann. Und hier eröffnet sich ein mystischer Raum.

Die Kontrolle über die Kontrolle

So kann ich auch mit der Sexualität üben, um meine Kontrolle über mich zu bekommen. „Es gibt z.B. in den tantrischen Übungen ganz viele ausgefeilte Methoden der Orgasmus-Kontrolle. Um ihn zu haben oder nicht zu haben. Das kann man alles lernen“, sagt Riedl. Für ihn ist die Instanz der Kontrolle der eigene Menschenverstand und somit kein Lehrer und kein Guru.

Diesen Vortrag hat Prof. Riedl im Rahmen der Reihe „Wissen fürs Leben“ in der Arbeiterkammer in Feldkirch gehalten.

Zur Person:

Peter Riedl ist Universitätsprofessor für Radiologie und seit über 30 Jahren Meditations- und Achtsamkeitslehrer. Er ist Herausgeber der Zeitschrift Ursache\Wirkung, hat W.I.S.D.O.M., die Wiener Schule der offenen Meditation und das spirituelle Wohnheim Mandalahof gegründet. Seine öffentlichen Arbeiten umfassen zahlreiche medizinische und buddhistische Artikel, Videos, Audios und Vorträge, sowie ‚Auf ins Nirvana!’, die Beschreibung eines buddhistischen Übungsweges für den Westen.

Literatur:

Peter Riedl, Möge die Übung gelingen. U/W Verlag, Wien.

Musik:

CD* CHILDREN BEYOND - WITH CHILDREN UNITED IN PRAYER

T* Unity - Prayer of unity (Gebet der Einheit, Herkunft: Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus, Sikhismus)

TE* Amen, Amen, Amin, Om Sarva Mangalam, Om Shanti, Sat Nam (6 Bekräftigungsformeln aus sechs Religionen in einer Musik vereint)

CD* CHILDREN BEYOND - WITH CHILDREN UNITED IN PRAYER

T* Om am hum - Mantra of purification (Mantra der Reinigung, Herkunft: Buddhismus)

CD* CHILDREN BEYOND - WITH CHILDREN UNITED IN PRAYER

T* Buddham saranam gacchami - Mantra of refuge (Mantra der Zuflucht, Herkunft: Buddhismus)