Alfried Längle: „Menschsein wirkt“

In der Sendung „Focus“ von ORF Radio Vorarlberg spricht Univ.-Prof. DDr. Alfried Längle über das Thema „Menschsein wirkt“. Damit meint er die Kunst, sein Leben persönlich zu gestalten und zu leben.

Die Sendung zum Nachhören:

Die Kunst sein Leben persönlich zu leben sei nicht an Beauftragungen zu delegieren und nicht anderen zu überlassen, so Längle. Vielmehr müsse man sich selbst inmitten dieses Milieus und Ambientes, in dem wir leben, positionieren, um in der eigenen Mitte sich selbst zu werden.

Sendungshinweis:

„Focus“, 13.7.2013

„Wir sind ja schon, aber unsere Aufgabe ist, noch mehr uns selbst zu werden, sein Leben persönlich zu gestalten, dann werde ich als Mensch wirken“, so Längle. Das was wir bereits sind, solle aufgegriffen und weitergeführt werden.

Viktor Frankl: das KZ-Schicksal

Viktor Frankl hat diese Perspektive ganz prominent in die Psychologie eingebracht. Er ist einer der Begründer der existenziellen Psychologie und Psychotherapie. Frankl hatte das Unglück, dass er als Jude im Zweiten Weltkrieg in Konzentrationslager verschleppt wurde. Mit dem Blick auf den Menschen - was er macht, entscheidet, erlebt und verantwortet - hat Frankl auf die Frage „Wer bist du Mensch?“ gemeint: „Die existenzielle Perspektive hat die Eigenschaft, dass sie den Menschen in Frage stellt. Der Mensch fragt sich selbst, wer bin ich, was macht mich aus, was ist wesentlich? Er stellt sich diese grundlegenden Fragen von Selbstverständnis.“

Alfried Laengle

Privat

Alfried Längle

Die existentielle Fragestellung ist die Infragestellung des Menschen. Viktor Frankl schreibt im Jahr 1946: „Inwiefern können wir nun behaupten, dass sie in der letzten Zeit weiter vorangetrieben wurde, denn je?“ Im Zweiten Weltkrieg war alles fragwürdig geworden - Geld, Macht, Ruhm, Glück - all das war vom Menschen weggeschmolzen. Aber in einem war der Mensch selber eingeschmolzen: verbrannt vom Schmerz und durchglüht vom Leid - eingeschmolzen auf sein Sein.

Was heißt: Ganz Mensch zu sein?

Der Mensch ist ganz Mensch in einer Mehrdimensionalität. Zum ganz Menschsein gehört sein Körper, mit seiner Kleidung, mit dem Geruch, die Gesundheit, das Aussehen, die Pflege des Körpers. Der Körper gibt einen Hinweis, weil wir schon einiges vom Menschen sehen können und wir wirken durch unsere Körperlichkeit, durch unsere Erscheinung, durch die Art, wie wir uns durch Gestik, Mimik ausdrücken, wie wir riechen.

Die Psyche ist ein anderer Teil, in dem es um vitale Kräfte geht, wie der Triebdynamik, die Impulse, die Stimmungen, die heftigen Aktionen zum Beispiel. Die Vitalität, die Kraft, die in uns aufbricht um uns zu schützen - die Lebenskraft, mit der wir durch den Alltag gehen, macht viel von unserer Wirkung aus. Ob jemand heiter oder ärgerlich gestimmt ist, verdrießlich, gereizt, das alles überträgt sich in Wirkungen nach außen. Wir sind eben mehr als unser Körper. Wir verkörpern eine vitale Kraft, die uns ein Leben lang trägt, auf deren Rücken wir durch das Leben reiten, wandern, gehen können.

Die Fähigkeit, entscheiden zu können

Mit und dank und auf ihrem Rücken - der Vitalität - den Weg zu finden, auf dem wir entlang reiten wollen: Den Weg gibt nicht das Pferd, sondern der Reiter vor.

Diese persönliche Situation, die Fähigkeit Verantwortung zu übernehmen, die Fähigkeit ein „Ja“ oder ein „Nein“ zu sagen, dieses nicht zur Gänze festgelegt sein, dieser nur kleine Spalt in manchen Situationen, das macht den Menschen im Besonderen aus. Darum kann der Mensch Fehler machen, sich einsetzen für Wertvolles. Sein Können hat laut Längle aber auch Grenzen, innerhalb dieser Grenzen steht ihm ein Spielraum zur Verfügung, den gilt es zu nützen.

Dieser Spielraum ist alles und sei er auch nur klein. Manche Menschen hätten gerne in gewissen Situationen einen größeren Spielraum um Entscheidungen zu treffen. In der Berufswahl: Sie wüssten genau was sie gerne täten, aber dieser Job ist nicht ausgeschrieben. es gibt ihn im Moment nicht. Dann fühlt man sich begrenzt, limitiert und hat bald das Gefühl ohnmächtig zu sein. Es können auch innere Gefühle sein, wie Depression oder Angst. Die kleine Schicht von Freiheit und Möglichkeit gilt es für sich selbst oder in der Beratertätigkeit auszuloten.

Freiheitsräume nützen

Das Leben ist ein Lehrmeister: zwischen null und unendlich. Das war das Entsetzliche im KZ für Frankl - trotzdem „Ja“ zum Leben zu sagen und so und so schwer zu ertragen, weil man entwürdigt wurde, weil man zur Nummer gemacht wurde und sinnlose Sachen machen musste, weil man einfach nicht als Mensch gegolten hat und keine Freiheit hatte, man war gefangen und musste tun, was beordert wurde. Das Entwürdigende ist, dass ich nicht Mensch sein kann in meiner Freiheit, dass ich zum Entscheiden nicht mehr den Raum und die Möglichkeit habe.

Selbst im KZ gab es einen winzig kleinen Freiheitsraum und diesen zu nützen, war das Entscheidende. Es muss Entscheidung sein, es muss Freiheit sein, es muss so sein, dass ich mich selbst wieder finden kann. Wenn wir Mensch sind, können wir wirken.

Prof. Alfried Längle hat diesen Vortrag auf Einladung des Management Centers Vorarlberg im Angelika Kauffmann Saal in Schwarzenberg gehalten.

Zur Person

Univ.-Prof. DDr. Alfried Längle Psychotherapeut, klinischer Psychologe, Arzt für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin, Dozent an der psychologischen Fakultät der Universität Klagenfurt, Gründungsmitglied und Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse (GLE) mit Sitz in Wien, ein Schüler sowie langjähriger Mitarbeiter von Viktor Frankl.

Musik:

LYRANTEN - POPMUSIK ZU HAYDNS ZEITEN
Titel: Maultrommelsolo

Titel The Whistler
Komponist:Colin Green

Titel: Der Besuch
Klaus Trabitsch