Markus Hengstschläger: „Was heißt hier Zukunft?“

Der Humangenetiker Professor Markus Hengstschläger, Autor des Buches die Durchschnittsfalle, vertieft in der Sendung „Focus“ bei ORF Radio Vorarlberg seine Überlegungen und Thesen über die Zukunft unserer Gesellschaft.

Univ.Prof. Markus Hengstschläger leitet das Institut für Medizinische Genetik an der Universität Wien. Er promovierte mit 24 Jahren zum Doktor der Genetik und ist Vater von zwei Kindern.

Hengstschläger fragt in einer „Focus“-Sendung zum Thema „Was heißt hier Zukunft ? Das Wissen der Welt verdoppelt sich alle 24 Stunden“, was wir für die Zukunft unserer Gesellschaft benötigen. Er spricht auch über individuelle Leistungsvoraussetzungen und legt ein überzeugendes Plädoyer dafür ab, dass wir unsere Verschiedenartigkeit - man könnte auch Einzigartigkeit sagen- zukunftsorientiert nützen müssen.

Die Sendung zum Nachhören

Sendungshinweis:

„Focus“, 22.6.2013

Vielfalt und Verschiedenheit

Markus Hengstschläger startet seinen Vortrag mit der Feststellung, dass die Vielfalt die Voraussetzung für eine Bestandssicherung sei, damit meint er, dass wir die Vielfalt der Menschen für Fragen und Antworten der Gesellschaft benötigen; und das für eine uns noch unbekannte Zukunft. Seine Formel lautet: Jeder Mensch entsteht durch sexuelle Fortpflanzung, jeder Mensch ist daher verschieden, dieser Verschiedenheit ist nichts wert, wenn wir sie nicht durch harte Arbeit entdecken und durch Üben, Üben, Üben daraus eine besondere Leistung - sprich Erfolg - machen. Der Erfolg ist letztlich messbar.

Markus Hengstschläger

ecowin-Verlag

Markus Hengstschläger

Die Angst vor den „Zuagroasten“

Professor Hengstschläger stammt aus dem Mühlviertel in Oberösterreich: Seine Gattin - auch eine Humangenetikerin - stellte anlässlich einer Reise mit ihm durch seine heimatliche Landschaft ein große Ähnlichkeit zwischen ihrem Gatten und den angetroffenen Gastgebern - fest: "Jeder zweite Bauer ist zumindest ein bisserl mit mir verwandt. Für das Überleben der Mühlviertler, wo ich herkomme war das Einführen des Postbusses existenziell, sonst schaut da oben jeder aus wie ich. Wir sind ein sehr tolerantes Völkchen; wenn wir jemanden sehen, der die Cholera oder die Pest hat, sind wir locker. Aber auf eines bin ich seit meiner Kindheit gedrillt, es gibt eine Sache, die wir hier auf 1000 Metern Seehöhe nicht haben wollen: das sind die Zugereisten.

Der 1,65-er Basketballspieler

In der National Basketball Association (NBA), sie gilt als die stärkste und populärste Basketball-Liga der Welt, ist die durchschnittliche Größe der Spieler 2,13 m, aber es gibt drei Spieler, die sind unter 1,65 m groß und spielen in der weltbesten Mannschaft. Was haben die mehr gemacht als die Großen fragt Markus Hengstschläger üben, üben, üben.

Genau dieses Beispiel der kleineren Basketballspieler belegt: sie haben das Talent entdeckt und haben abseits vom Durchschnitt hart daran gearbeitet, hier mitspielen zu können.

Wir müssen die Talente entdecken: Der Durchschnitt hat noch nie etwas Innovatives geleistet. Es gibt aber auch einfach keinen durchschnittlichen Menschen. Jeder hat spezielle, individuelle Talente. Aber wir leisten es uns zugunsten des Durchschnitts, diese Talente nicht zu fördern. Da schwärmt ein Vater: „Mein Sohn ist so problemlos, ist noch nie negativ aufgefallen.“ Aber auch positives Auffallen ist nicht erwünscht. Das wäre nämlich Stress: Das Kind hat dann wahrscheinlich Bedarf nach mehr. Wir sollten es aber gerade motivieren, neue Wege zu gehen, aufzufallen. Wer einen neuen Weg gehen will, muss den alten verlassen! Dafür müssen wir wieder den Mut aufbringen. Denn wir wissen nicht, welche Innovationen in der Zukunft gebraucht werden - und welche Talente wir dafür benötigen.

Wenn man Talente nicht messen kann

Was ist Talent? Eine angeborene Gabe oder das Produkt der Umwelt? Es gebe, so Hengstschläger, manchmal biologische Leistungsvoraussetzungen für ein Talent. Die Genetik spiele eine Rolle. Alleine sie sei aber nichts wert. Talente müssen entdeckt werden. Und dann: üben, üben, üben. " Aber umgekehrt gilt eben auch: Ein Elefant kann so viel üben, wie er will - er wird nie so locker auf den Baum klettern wie der Affe. Darauf muss unser Bildungssystem reagieren und jedes Kind individuell betrachten. Gene sind nur Bleistift und Papier, die Geschichte schreiben wir selbst, " ergänzt Hengstschläger.

Talent sollte man nicht werten

Prof. Hengstschläger meint, wir machen einen großen Fehler, wenn wir Talente werten. Warum ist ein herausragender Tischtennisstar weniger wert als ein Fußballer in der dritten Liga? Warum soll die Begabung von Lionel Messi größer sein als die einer Person mit einem besonderen Talent, die vielleicht einfach besonders empathisch ist ?

Entscheidend für die Zukunft

Gerade von diesen Fähigkeiten weiß man sogar schon, dass sie in Zukunft entscheidend sein werden. Musikalische oder sportliche Begabungen sind vielleicht nicht in jedem Beruf relevant, Empathie aber immer. Auch Spitzenleistungen im Handwerklichen sollten genauso viel wert sein wie im Musischen, im Sportlichen oder in der Wirtschaft. Denn wir kennen die Fragen der Zukunft nicht. Deshalb sage ich auch: Elite ist jeder, jeder hat besondere individuelle Begabungen, wir können es uns nicht leisten, auf nur eine zu verzichten, und es gibt so viele Eliten wie Individuen. Was trägt Messie mehr zur Lösung von Zukunftsproblemen bei als die Leser dieses Artikels? Darum darf nicht gewertet werden.

Nachdenken über die Zukunft

Die Spezies Mensch ist die einzige, die über die Zukunft nachdenkt; wir wissen dass, aber nicht warum, sagt Prof. Hengstschläger.

Diesen Vortrag haben wir bei den 19. Kleinwalsertaler Dialogen 2013 im Walserhaus in Hirschegg aufgezeichnet. Sie standen unetr dem Thema: „Bereitschaft und Notwendigkeit zur Veränderung (nicht nur) im Tourismus.“

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Bücher von Markus Hengstschläger:

Kranke Gene - Chancen und Risiken von Gentests. Facultas Verlag Wien 2003,

Die Macht der Gene. Ecowin Verlag sowie Piper Verlag

Endlich Unendlich. Ecowin Verlag,

Die Durchschnittsfalle: Gene - Talente - Chancen Ecowin Verlag, Salzburg 2012,

Musik:

CD John Williams spielt Gitarrenkonzerte

Phil Collins. ANOTHER DAY IN PARADISE,