Monika Müller: „Der letzte Atemzug“

Die Philosophin und Lebenstherapeutin Monika Müller spricht in der aktuellen Folge der Radio-Vorarlberg-Sendung „Focus - Themen fürs Leben“ über den Umgang mit dem Sterben - dem letzten Atemzug eines Menschen.

Die Sendung zum Nachhören:

Dieser Vortrag wurde beim Palliativtag 2011 im Kulturhaus Dornbirn aufgezeichnet.

Der Tod bricht mitunter „brutal“ in unser Leben ein. Wenn ein Angehöriger, ein Freund „ur-plötzlich“ stirbt; dann steht die Welt Kopf. Niemand hat eine Antwort auf die Frage „Warum lässt Gott das zu?“, macht die Hospiz- und Angehörigenbegleiterin Monika Müller deutlich. Man könne oft keine Antwort geben, aber man könne aber im entsprechenden Augenblick Antwort sein, sagt sie. Wir stellen fest, wir können nichts mehr machen, aber noch viel tun.

Sendungshinweis:

„Focus“, 5.4.2012

Würdigung des sterbenden Menschen

Selbst wenn wir uns auf unseren eigenen Tod vorbereiten, ist keineswegs gesagt, dass das eine Garantie ist, dass wir genau so „gehen“, wie wir uns das vornehmen, so Müller. Sie füllt diesen letzten Atemzug mit einer besonderen menschlichen Wärme, weil sie die zu beachtende Würde des Menschen in dieser Situation betont. Der sterbende und der tote Mensch müsse gewürdigt werden; man müsse ihm ein Ansehen geben.

Die letzten Atemzüge und das Sterben sind, so Monika Müller, ein großes Geheimnis, sie bringen aber auch Ohnmacht ins Leben. Gleichzeitig müssten wir diese Gegenwart, diesen Augenblick und damit das Leben gutheißen. Der letzte Atemzug müsse mit spiritueller Begleitung, mit dem Spiritus - dem Geist, dem Hauch, dem Lebensatem- in Verbindung gebracht werden.

„Würdigen heißt Ansehen“

Die Würde werde oft mit Füßen getreten, bedauert Monika Müller. Dem Anderen seine Würde zusprechen, bringe die Begleiter der letzten Atemzüge oft auch an ihre Grenzen, auch an die Grenzen eines würdevollen Umgangs mit den Betroffenen.

Es könneauch sein, dass man beschämt ist und sich abwendet. Man möge sich fragen: Sind diese Menschen der Ehrung wert? „Würdigen heißt Ansehen geben“ - das gelte auch für uns, sagt Monika Müller. Man habe den anvertrauten Schwerkranken, Sterbenden, aber auch den toten Menschen Ansehen zu geben.

Mysterium- das Geheimnis der letzten Atemzüge

Wie oft denken wir, dass unser heutiges Leben keinen Platz für ein Geheimnis habe, stellt Monika Müller fest.

Die Ohnmacht gutheißen

Wenn ich ohne Macht bin, dann war da vielleicht das Denken, dass ich einmal Macht hätte. Man leide oft darunter, dass man nichts mehr machen könne. „Wir können in der Situation nichts mehr machen, aber noch viel tun“, zitiert Monika Müller den norwegischen Palliativmediziner Stein Huseboe.

Es könne auch im Schweigen sehr viel Kraft und Leid-Unterstützung liegen. Es gebe keine Antwort auf das Warum. Man könne aber den Weg gemeinsam gehen.

Die Gegenwart und den Augenblick gutheißen

Was jetzt gerade ist, ist gerade das Wichtigste, macht Müller aufmerksam. Wie oft sind wir in Gedanken in der Vergangenheit oder der Zukunft - gerade dann würden wir „angefüllt“ in die nächste Begegnung gehen und uns darüber wundern, wenn kein Platz für Begegnung sei.

Das Leben gutheißen

„Was war ich, was bin denn noch?“ Es ist eine Frage nach der Identität, erklärt Monika Müller. Die alten Menschen leben von der Erinnerung. Sie ist gleichsam eine Hoffnung, die ihnen das Leben noch gelassen hat - ein Leben, das mit Blick auf die lange Vergangenheit nur noch kurz ist.

Daraus entstehe Beredsamkeit, da Menschen sich noch am Erinnern erfreuen. Das bedeutete, sich das Leben wieder zu holen, sagt Monika Müller.

Zur Person:

Monika Müller(www.monikamueller.com) ist Philosophin und Therapeutin für integrative gestaltorientierte Verfahren. Sie leitet die Ansprechstelle für Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung im Land Nordrheinwestfalen in Bonn. Darüber hinaus ist sie Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und Gründungsmitglied des Trauerinstituts Deutschland e.V.

Musik:

CD WINGS- Gulda Symphonisch