50 Jahre Fußacher Schiffstaufe

Die Taufe eines Bodenseeschiffs vor 50 Jahren brachte Aufruhr ins Land: Nach dem Willen der Bürger sollte es „Vorarlberg“ heißen, der damalige Verkehrsminister Otto Probst (SPÖ) wollte es hingegen „Karl Renner“ nennen. 20.000 erboste Vorarlberger verhinderten die Taufe und jagten Probst davon.

Schiffstaufe Fußach

ORF

Transparent bei der Demo

Heute gilt das legendäre Ereignis als Geburtsstunde des österreichischen Föderalismus. „Minister Probst brüskiert und provoziert ganz Vorarlberg. Die ‚Vorarlberger Nachrichten‘ als die größte Zeitung des Landes rufen deshalb heute die Bevölkerung zu einer Demonstration anlässlich des Taufaktes um 11.00 Uhr in Fußach auf.“ So begannen die „VN“ ihren Leitartikel an jenem 21. November 1964, einem für die Jahreszeit typisch nebeligen Samstag.

Fliegende Tomaten und Transparente

Die Massen folgten dem Aufruf. Tausende warteten am Bregenzer Bahnhof auf den Minister, der mit einem Sonderzug ankommen sollte. Als der Zug ohne Probst einfuhr, begab sich die Menge in das acht Kilometer entfernte Fußach - dem Ort der Schiffstaufe - wo sich ebenfalls bereits Tausende versammelt hatten. „Lasst den Wiener Schmäh, Vorarlberg liegt am Bodensee“ und „Mehr Demokratie weniger Personenkult“ war auf Transparenten zu lesen. Tomaten wurden geworfen, die Absperrungen überrannt, und die Exekutive hatte alle Mühe, die Ehrengäste auf einem Schiff vor der aufgebrachten Menschenmenge in Sicherheit zu bringen.

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Bericht aus der Wochenschau des ORF von 1964

Taufe mit Bodenseewasser

Probst, der mittlerweile per Schiff von Bregenz in Richtung Fußach unterwegs war, zog es in Kenntnis der Situation vor, umzukehren und die Schiffstaufe abzusagen. Nachdem sich auch die anderen Ehrengäste aus dem Fußacher Hafen entfernt hatten, war die Menschenmenge nicht mehr zu halten. Ein Demonstrant kletterte auf das neue Schiff, schrieb mit schwarzer Farbe „Vorarlberg“ auf den Bug, eine Frau vollzog die „Nottaufe“ - nicht mit Sekt, sondern mit Bodenseewasser. Anschließend wurde die Vorarlberger Landeshymne gesungen.

"Ich muss ausdrücklich feststellen, dass die Demonstrationen sich nicht bloß - was an sich bedauerlich genug wäre - gegen die Namensgebung des neuen Bodenseeschiffes „Karl Renner", sondern, wie Sprachchöre, Schmährufe und Aufschriften auf Transparenten bewiesen, auch deutlich gegen den Bund sowie ganz allgemein gegen Bundesdienststellen richteten“, sagte Probst, nachdem er in Sicherheit gebracht worden war.

Konflikt mit Taufe nicht erledigt

Die Auseinandersetzungen um das Flaggschiff gingen noch bis zum Frühling 1965 weiter. Probst beharrte weiter auf den Namen „Karl Renner“ und schlug als Kompromiss vor, ein anderes Schiff, die „Austria“, in „Vorarlberg“ umzubenennen. Am 3. April forderten rund 30.000 Vorarlberger bei einer Großdemonstration am Bregenzer Kornmarktplatz Probst zum Rücktritt auf. Erst Monate später, am 14. Juli 1965, ließ sich die SPÖ-Exekutive erweichen und empfahl Probst, dem neuen Bodenseeschiff doch den Namen „Vorarlberg“ zu geben. Am 30. Juli 1965 wurde das Schiff, fast heimlich, in einer kleinen Feier in Anwesenheit des Ministers auf „Vorarlberg“ getauft. Vorarlberg hatte seinen Willen durchgesetzt.

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Markus Barnay hat für seinen Beitrag mit dem Historiker Gerhard Wanner gesprochen. Dieser sagt, es sei nicht so gewesen, dass die Vorarlberger Nachrichten einem Volksaufstand Sprachrohr der Protestbewegung gewesen seien, sondern sie hätten diese überhaupt erst entfacht.

„Fußach“ als starkes Symbol

Für Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ist „Fußach“, wie die Geschehnisse vor 50 Jahren unter einem Schlagwort zusammengefasst werden, noch heute ein „starkes Symbol für Föderalismus und die Eigenständigkeit Vorarlbergs“, wie er der APA auf Anfrage sagte. Das damalige Ereignis sei tief in der Bevölkerung verankert. Selbst 50 Jahre danach falle das Stichwort immer wieder, etwa in Leserbriefen.

Sendehinweis

V heute, 21.11.14

Die rund 62 Meter lange und für 1.000 Gäste zugelassene MS Vorarlberg dreht derweil weiter ihre Runden auf dem Bodensee - allerdings nicht mehr in Diensten der ÖBB, sondern der „Vorarlberg Lines Bodenseeschifffahrt“. Die ÖBB verkauften die Bodenseeschifffahrt im Dezember 2005 um 6,9 Mio. Euro. Dabei stellte das Land sicher, dass die „Vorarlberg“ auch in Zukunft ihren Namen behält.