„Lebensbilder“: Köchin Rebecca Clopath

In der neuen Reihe „Lebensbilder“ stellen wir Ihnen Menschen vor , die ihren ganz eigenen Weg gehen. Eine von ihnen ist die Köchin Rebecca Clopath.

In der neuen, losen Reihe „Lebensbilder“ möchten wir Ihnen Menschen vorstellen, die ihren ganz eigenen Weg gehen. Sie kommen aus Vorarlberg, leben hier oder stehen sonst wie in enger Beziehung zu dieser Region. Sie machen Musik, leben Kunst, schreiben Bücher, bauen Häuser, gestalten Landschaft, denken Gesellschaft oder kochen. Sie sind jung oder alt. Sie sind bekannt, werden es erst oder wollen es gar nicht sein. In jedem Fall aber tun sie das, was sie tun mit Leidenschaft und Liebe. So wie die Köchin Rebecca Clopath.

Rebecca Clopath

Claudia Link

Clopath stammt aus einem winzigen Bergdorf in Graubünden und gilt als DAS aufstrebende Talent der Schweizer Sterne- und Hauben-Küche. Die Feuilletons der deutschsprachigen Medien überschlagen sich und die besten Restaurants wohl in ganz Mitteleuropa hätten sie gerne - doch die 29-Jährige verbringt ihre Sommer lieber auf den Gemüseäckern im Lustenauer Ried und setzt Salat.

„Lebensbilder“ mit Rebecca Clopath im Kulturmagazin von ORF Radio Vorarlberg (21.11.2017):
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Kochen tut sie derzeit hauptsächlich auf dem elterlichen Hof auf 1600 Meter Höhe, daneben lässt sie sich zur Bäuerin ausbilden. Dass sie die cleanen Edelstahlküchen der angesagtesten Restaurants gegen den Gemüseacker eintauscht, ist für die smarte Frau mit dem breiten Lachen, dem winzigen Nasenring, den Mini-Tattoos und dem kurzen Pony nur konsequent. Sie will wissen woher ihre Zutaten kommen und wie sie wachsen. Herkunft ist ihr wichtig. Auch ihre eigene.

Die Kindheit ein Paradies - die Jugend der „Horror“

"Ich stamme aus einem winzigen Bergdorf, Lohn heißt es. Als ich ein Kind war, gab es dort etwa 50 Einwohner und rund 15 Kinder - für uns war das ganze Dorf ein Spielplatz. Lohn liegt auf 1.600 Meter Höhe und hat viel Sonne, was den Vorteil hat, dass unglaublich viel dort oben auch wächst. Das war und ist natürlich für meine Eltern wichtig, die einen Biobauernhof betreiben und es ist für mich wichtig. Ich bin so aufgewachsen, dass man sich selbst versorgt hat, ich dachte das wäre normal so, bis ich dann - viel später - gemerkt habe, dass das ein ungeheures Privileg ist. Die Kindheit im Schamsertal war das Paradies, die Jugend dann dafür der „Horror“.

Das Dorf ist kaum erschlossen, der letzte Postbus fährt um 19.00 Uhr hinauf und wenn man keine Eltern hat, die einen runter ins Tal fahren, dann ist es sehr einsam da oben. Also war für mich klar, dass ich bald weg muss. Eine Woche nach Beendigung der Schule habe ich meine Lehre als Köchin angetreten, im 300 Kilometer entfernten Bern. Das war gut, da lernt man früh selbständig zu sein."

Nach mehr als einem Jahrzehnt in der Spitzengastronomie will Rebecca Clopath nun wieder zurück in ihr heimatliches Bergdorf ziehen. Heute leben dort knapp mehr als 30 Einwohner. Für Clopath genug. In einigen Jahren, nach Abschluss ihrer Bäuerinnenausbildung und wenn die Eltern in Pension gehen, will sie den Hof übernehmen. Viele Dörfer im Alpenraum schrumpfen seit Jahrzehnten, Lohn wird dank Rebecca Clopath wachsen. „Gemeinsam mit mir wird ein befreundetes Paar nach Lohn ziehen, sie erwarten demnächst ein Kind - das sind 3 Einwohner mehr, also 10 Prozent Steigerung,“ lacht Clopath.

Kochen wird sie dann in der Küche ihrer Mutter - wie bereits jetzt auch schon - im Frühjahr und im Herbst sogar besonders ausgiebig: Bis zu neun Stunden können ihre sogenannten Esswahrnehmungen dauern und bis zu zwölf Gäste können jeweils daran teilnehmen. "Ich verstehe die Esswahrnehmungen als ganzheitliches Erlebnis, da geht es nicht nur um das Essen, sondern auch um Musik, Kunst und Wissenschaft. Jetzt im Herbst ist alles dem Thema Jagd gewidmet - ich möchte das Bewusstsein schärfen dafür. In meiner Familie gibt es ganz viele Jäger, die sehr sorgsam mit dem Tier und dem Wald umgehen, ich möchte die Bedeutung dieser Naturverbundenheit aufzeigen. Ich werde mit Blut kochen und daran erinnern, wie wichtig das früher war, als man keine Eier hatte und stattdessen Blut als „Bindemittel" verwendete. Da wurde nichts weggeschüttet, sondern damit gebacken.“

Rebecca Clopath

Claudia Link

Gelernt hat Clopath beim Schweizer experimentellen Sternekoch Stefan Wiesner im „Rössli“ in Luzern, zuvor in der „Moospinte“ beim als „Chrüteroski“ bekannten Oskar Marti, mehrere Jahre war sie Teil der schweizerischen Kochnationalmannschaft. Die Herde in den Küchen der renommiertesten Häuser würden ihr offenstehen, die Medien überschlagen sich und feiern sie. Allein in den letzten zwei Monaten vor unserem Treffen hat Clopath dutzende Interviews, etwa für die „Süddeutsche Zeitung“ oder die „Neue Zürcher Zeitung“, gegeben, doch als Angestellte in der Spitzengastronomie werde man sie nicht mehr finden, sagt Clopath. Sie zieht es zurück in die Küche ihrer Mutter. Sie habe sie von allen am meisten geprägt.

„Meine Mutter kocht einfach aber gut, sehr gut. Ich habe mich schon als Kind immer auf das Essen gefreut, auf das Frühstück, das mal Brei war oder auch Misosuppe, auf das Mittagessen nach der Schule und das Essen am Abend. Ich habe es geliebt und von ihr gelernt, als ich lieber in der Küche geholfen habe, als auf den Feldern zu heuen. Bei Oskar habe ich das Fundament gelernt und bei Stefan Wiesner die Freiheit, herauszufinden, wie man selbst kochen will, wie man selbst ist.“

Medienhype um Koch und Küche

Köche, das sind die neuen Stars am Medienhimmel, von ihren jeweiligen Philosophien erwartet sich das Publikum nicht nur innovative Rezepte, sondern - so scheint es -auch Antworten auf brennende Fragen der Zeit. An diesen ist Rebecca Clopath auch interessiert, die Medienhypes rund um Köche und Küche sieht sie allerdings nur insofern positiv, als, dass sie sich dadurch ein breiteres Bewusstsein für Ernährung und Lebensmittel erhofft.

Grundsätzlich will sie ihren eigenen Weg gehen, mit offenen, aber kritischen Augen. Und der führte sie eben auch auf die Äcker Lustenaus, zu Bauer Simon Vetter. „Als ich letztes Jahr Simon kennengelernt habe, war ich sofort begeistert. Er sieht die Dinge positiv und ist sehr innovativ. Klar, die Lage ist schwierig und die meisten nörgeln vielleicht zu recht, aber er macht was und jammert nicht. Das entspricht mir. Ich glaube, es gibt heute ganz viele Menschen, die wieder etwas Echtes wollen, die lieber selber in der Erde graben, als genormte, gerade Gurken aus der Agrar-Industrie zu essen. Das will ich auch, wissen woher die Zutaten kommen, wer sie wie angebaut hat. Es ist erschreckend wie wenig die meisten Köche darüber wissen, die meisten interessiert nur, wie die Dinge auf den Teller kommen. Ich will auch sehen, wie sie in die Küche kommen.“

Wer nun neugierig auf Rebecca Clopaths Küche geworden ist, mache sich auf den Weg nach Lohn - in etwa eineinhalb Stunden ist man von Dornbirn aus dort.

Carina Jielg, Kultur-Redakteurin ORF Vorarlberg