Nur Ritsch mit Kritik an Seestadt und Seequartier

Viel Einigkeit demonstrierten die Teilnehmer der ORF/VN Wahldiskussion in Bregenz zum Thema Seestadt und Seequartier. Einzig SPÖ-Kandidat Michael Ritsch äußerte sich ablehnend - und brachte eine interessante Koalitionvariante ins Spiel.

Sendehinweis:

„Vorarlberg heute“, 25.2.2015
„Landesrundschau“, 25.2.2015

Als einziger Diskussionsteilnehmer kündigte Ritsch an, bei der Stadtvertretungssitzung am Donnerstag gegen die Änderungen am Projekt Seestadt und Seequartier zu stimmen. Denn das vorliegende Projekt weiche ganz wesentlich von jenem Plan ab, der vor fünf Jahren präsentiert worden sei. Jetzt werde dort ein Einkaufszentrum à la Messepark gebaut. Er, Ritsch, fürchte nur, dass sich davon relativ wenige Vorarlberger und Ausländer nach Bregenz locken lassen würden.

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Ein Beitrag von Jürgen Sebö, Gartner/Mohr/Wagner und Christina Lachner

Markus Linhart, gleichzeitig Amtsinhaber und Bürgermeisterkandidat der ÖVP, verteidigte das Vorhaben vehement. Die vorliegenden Projekte wären nahezu deckungsgleich mit den präsentierten Masterplänen. Gerade, dass man die international renommierte Marke „Zara“ nach Bregenz bekommen habe, würde als Türöffner für eine ganze Palette an Anbietern dienen. Darüber hinaus sagte Linhart wenig Konkretes: Er sei dafür, dass die Menschen auch dort einkaufen könnten, wo sie lebten und arbeiteten.

Die Wahldiskussion zum Nachhören:

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Übrige Parteien mit lobenden Worten

Auch die übrigen Parteien fanden lobende Worte. Andrea Kinz von den Freiheitlichen bezeichnete Seestadt und Seequartier als wichtig „für den Fortschritt unserer Stadt“, insbesondere aber für die Belebung von Tourismus und Wirtschaft. „Finde ich gut, finde ich toll“, meinte Alexander Moosbrugger vom erstmals antretenden NEOS, erinnerte aber an die dadurch entstehende Verkehrsproblematik. Karl-Heinz Marent, Bürgermeisterkandidat von „Bregenz denkt“, konnte nur beipflichten: „Das Seestadtareal ist eine gute Sache“.

Zusammenfassung in ORF Radio Vorarlberg von Jürgen Sebö:

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Ausweichend äußerte sich hingegen Heribert Hehle von den Grünen, der am Mittwochabend für die erkrankte Vizebürgermeisterin Sandra Schoch eingesprungen war. Er wollte sich nicht festlegen, stattdessen umschrieb er den Anspruch der Grünen damit, „bei diesem Projekt die öffentlichen Interessen abzusichern“. Was man etwa dadurch bewerkstelligt habe, dass man die Durchlässigkeit der Fußgänger in den Kaufvertrag mit den Investoren festgeschrieben habe. Außerdem habe man jetzt, nach dem Verkauf des Areals, ohnehin „keinen großen Einfluss mehr“.

Ritsch attackiert, Linhart staatsmännisch

In der Folge war es immer wieder SPÖ-Mann Ritsch, der versuchte, Akzente zu setzen. So auch beim Thema Verkehr: Der würde sich durch die Seestadt/Seequartier-Verbauung nur noch steigern. Weder die ÖVP noch die Grünen hätten ein Konzept vorgelegt, um die Stadt zu entlasten. „Die einzige Verkehrsentlastung, die es in den letzten 15 Jahren gegeben hat, war die zweite Pfändertunnelröhre“, tönte Ritsch – und die sei der SPÖ zu verdanken.

Die solcherart Attackierten wehrten sich nur bedingt. Ein sichtbar irritierter Hehle argumentierte, dass durch die Großvorhaben verkehrstechnisch keine Veränderungen eintreten würden. Außerdem gebe es sehr wohl ein Generalverkehrskonzept, das auch eine breite Mehrheit in der Stadtvertretung gefunden habe. „Wir probieren alles“, versicherte hingegen Linhart, nur um, betont staatsmännisch, auf laufende Kooperationen und Diskussionen mit anderen Gemeinden hinzuweisen.

„Grünes“ NEOS und „wunderbare Vision“

Die am ehesten „grüne“ Position in der Verkehrsdebatte nahm überraschenderweise NEOS-Mann Alexander Moosbrugger ein. Der Politneuling zeigte mit der Vision einer autofreien Landeshauptstadt auf. Andere Städte, etwa Athen, seien diesbezüglich auf gutem Weg. Kritisch merkte er an: „Wir werden die letzten sein in Europa, die das umsetzen“. Außerdem forderte er eine Citymaut für den Transitverkehr durch Bregenz.

Dieser letzte Vorschlag erregte den Unmut von Linhart. Die Abwicklung einer solchen Maut würde zu Stauerscheinungen führen, „die man in Bregenz überhaupt noch nie gesehen hat“. Und wenn man als einzige Stadt im näheren Umfeld nur noch mit Maut zu erreichen wäre, würde das nichts weniger als das wirtschaftliche K.O. bedeuten. FPÖ-Kandidatin Kinz bezeichnete den Vorschlag eines autofreien Bregenz immerhin als „eine wunderbare Vision, an die man glauben soll“. Gleichzeitig forderte sie aber, dass der Verkehr auf den Durchzugsstraßen den Vorrang gegenüber den Fußgängern erhalte - und nicht umgekehrt.

Kein Problem sah Marent: In anderen Städten stelle sich die Situation ähnlich dar wie in Bregenz. Und dass es die zweite Pfändertunnelröhre gebe, sei ohnehin eine „Wonne“.

Blau-Rote Koalition in Bregenz?

In den letzten Minuten der Wahldiskussion war es einmal mehr Michael Ritsch, der aufhorchen ließ. Auf die Frage, ob er sich in Bregenz eine Koalition mit den Freiheitlichen vorstellen könne, antwortete er zunächst ausschweifend: „Wenn man etwas verändern will, muss man Gewohntes auf den Kopf stellen“. Nur um die Frage dann doch unumwunden zu bejahen. „Die Frau Kinz ist für alles offen“, sagte auch Kinz über die Möglichkeit einer rot-blauen Liaison auf Stadtebene.

Linhart wollte vor der Wahl nicht über mögliche Konstellationen nachdenken. Anders die Grünen. Die Möglichkeit einer neuen schwarz-grünen Koalition kommentierte Hehle mit dem Satz: „Wir stehen für Verhandlungen bereit - aber nicht um jeden Preis“.

Markus Sturn, vorarlberg.ORF.at

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