Historiker nimmt ÖVP und SPÖ in die Pflicht

Die Aufarbeitung der Parteigeschichte in Bezug auf das sogenannte Dritte Lager ist laut dem Bregenzer Historiker Werner Dreier nicht nur eine Herausforderung für die FPÖ. Er wünscht sich, dass auch ÖVP und SPÖ wissenschaftlich auf die braune Spurensuche gehen würden.

Die FPÖ-Historikerkommission will für die Aufarbeitung ihrer Parteigeschichte im Zusammenhang mit dem Dritten Lager - also dem Lager der deutschnationalen Wählerschaft - die Burschenschaften nun doch nicht außen vor lassen. Kommissionsleiter Wilhelm Brauneder hat jetzt alle schlagenden Verbindungen aufgefordert, ihrer Archive zu öffnen. Ob sie das tun werden, bleibt zwar abzuwarten. Für den Bregenzer Historiker Werner Dreier vom Zeitgeschichte-Verein „erinnern.at“ ist es aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.

Er wünscht sich eine Aufarbeitung dieser Geschichte aber nicht nur von der FPÖ, sondern auch von ÖVP und SPÖ. Denn nicht nur der Verband der Unabhängigen, die Vorgängerpartei der FPÖ nach dem Zweiten Weltkrieg, sei ein politisches Auffangbecken für das braun eingefärbte Lager gewesen. „Ich glaube, dass man schon sagen könnte, dass der Nationalsozialismus eine Bewegung war, die mehr als nur das Dritte Lager in sich vereint hat, die auch hinauf gegriffen hat in einen guten Teil der Anhängerschaft der Sozialdemokratie und in den Bereich, der sich nach 1945 wieder in der ÖVP gefunden hat.“

Wallner: Intensive Diskussionen über Rolle der ÖVP

Laut Landeshauptmann und ÖVP-Landeschef Markus Wallner ist das in der ÖVP immer wieder geschehen: „Soweit ich das sehe, hat das in der Volkspartei immer wieder stattgefunden in unterschiedlichen Rythmen.“ Es habe intensive Diskussionen über die Rolle der Volkspartei in der gesamten Nachkriegsgeschichte gegeben.

„Die FPÖ hat sich jetzt dafür entschieden, ich glaube, da muss man abwarten, was herauskommt. Aber ich teile schon die Meinung, dass sich in der Frage niemand wirklich ausnehmen kann“, so Wallner. Eine Historikerkommission damit zu befassen, hält Wallner derzeit nicht für notwendig, einige Kapitel der schwarzen Parteigeschichte seien bereits wissenschaftlich aufgearbeitet.

SPÖ: „Weitere Arbeiten nötig, aber nicht jetzt“

Auch SPÖ-Landesobfrau Gabriele Sprickler-Falschlunger verweist auf eine entsprechende wissenschaftliche Aufarbeitung - zumindest in Zusammenhang mit dem Bund Sozialdemokratischer Akademiker. Weitere Arbeiten seien zwar notwendig, aber nicht jetzt, erklärt Sprickler-Falschlunger: „Zu diesem Zeitpunkt würde das den Eindruck erwecken, dass wir ähnliche Probleme wie die Freiheitlichen hätten - und das haben wir nicht.“

Wenn in der SPÖ jemand entsprechende Parolen verbreite, werde er aus der Partei ausgeschlossen, „bei den Freiheitlichen bekommt er ein wichtiges politisches Amt“, so Sprickler-Falschlunger. Dennoch will sich die Vorarlberger SPÖ-Chefin bei Parteipräsidium und Renner-Institut dafür stark machen, die SPÖ-Geschichte in Zusammenhang mit dem Dritten Lager grundlegend aufarbeiten zu lassen - aber zu passender Zeit.