Richter wegen Amtsmissbrauchs verurteilt

Am Landesgericht Feldkirch ist am Freitag ein ehemaliger Bezirksrichter aus Tirol wegen Amtsmissbrauchs zu einer Geldstrafe von 18.000 Euro verurteilt worden. Laut Anklage hatte er sich in mehreren Gerichtsfällen nicht an die Verfahrensordnung gehalten.

Befangenheitsgründe

Aus Befangenheitsgründen fand der Prozess in Vorarlberg statt.

Der Angeklagte gab vor Gericht zu, Verhandlungen unter seinem Vorsitz stets recht locker geführt zu haben. Er habe aber niemals bewusst gegen bestehende Vorschriften verstoßen. Die Staatsanwältin zeichnete ein anderes Bild des seit heuer pensionierten Richters. Er habe etwa bei Verhandlungen in englischer Sprache auf Dolmetscher verzichtet und stattdessen unerlaubterweise selber übersetzt.

Richter vor Gericht

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Prozess

Verteidiger stellte Vorsatz infrage

Der Verteidiger des Angeklagten stellte hingegen den Vorsatz für die Taten infrage - schließlich habe der frühere Bezirksrichter niemanden geschädigt. Trotzdem wurde der 65-Jährige vom Schöffensenat wegen Amtsmissbrauchs schuldig gesprochen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte wissentlich Befugnisse missbraucht hat, indem er Zeugenaussagen in Abwesenheit verlesen hat. Das Urteil - eine Geldstrafe in Höhe von 18.000 Euro - ist nicht rechtskräftig.

Keine gewöhnliche Anklage

Es war keine gewöhnliche Anklage, mit der sich der Schöffensenat unter Vorsitz von Richter Andreas Böhler befassen musste. Immerhin saß ihm auf der Anklagebank ein ehemaliger Amtskollege gegenüber, der mehr als 36 Jahre lang als Straf- und Zivilrichter in Tirol tätig war. Die Staatsanwaltschaft warf dem Mann neben Amtsmissbrauch auch die Unterdrückung von Urkunden und Beweismittel vor.

Angeklagter bestreitet Vorwürfe

Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe, für ihn sei die Anklage aus heiterem Himmel gekommen. Er gab zwar zu, Verhandlungen auf teils unorthodoxe Weise geführt zu haben, wissentlich gegen bestehende Vorschriften habe er aber nie verstoßen. Ein Beispiel: In einem Verfahren gegen einen englischsprachigen Angeklagten wurde von der Staatsanwaltschaft ein Dolmetscher beantragt. Der Richter wies diesen Antrag ab – mit der Begründung: er werde selbst übersetzen, da er die Sprache fließend beherrsche. Er sei damals der Meinung gewesen, dass er damit nach Vorschrift handle. Ein Irrtum, wie sich später herausstellte, denn eine Änderung in der Strafprozessordnung macht mittlerweile die Hinzuziehung eines Dolmetschers in so einem Fall zur Pflicht.

„Habe nicht jedes Mail genau durchgelesen“

Die Frage von Richter Böhler, ob der Angeklagte gerade am Ende seiner beruflichen Laufbahn immer über die neusten Gesetzesänderungen informiert gewesen sei, bejaht der seit heuer pensioniert Richter grundsätzlich. Er habe regelmäßig Fortbildungen absolviert, aber vielleicht nicht jedes Mail, dass Gesetzesänderungen betroffen hat, genau durchgelesen. Sein Anwalt bringt es folgendermaßen auf den Punkt: Die Einhaltung von sämtlichen Verhandlungs-Vorschriften sei für Richter in der Praxis kaum möglich.