Bätzing: „Irrsinniger Wettbewerb“ der Skigebiete

Der Alpenforscher Werner Bätzing sieht den Zusammenschluss der Skigebiete am Arlberg äußerst kritisch. Im Samstaginterview sagt Bätzing, der „irrsinnige Konkurrenzwettbewerb“ der Skigebiete sei ökonomisch und ökologisch desaströs.

Lech-Zürs auf der einen und St. Anton auf der anderen Seite würden durch die Verbindung versuchen, in die Superliga der Skigebiete aufzusteigen, sagt der Alpenforscher Werner Bätzing. Diesen „irrsinnige Konkurrenzwettbewerb“, den es derzeit unter den Skigebieten in den Alpen gebe, könne kein Skigebiet gewinnen - vor allem in einer Situation, in der die Zahl der potentiellen Skifahrer sinke.

Denn Europas Gesellschaft schrumpfe zahlenmäßig und werde älter, so Bätzing. In einer solchen Situation werde derzeit der Skitourismus ausgebaut. „In diese Spirale der Aufwärtsbewegung darf man nicht einsteigen“, warnt Bätzing. Da mache man sich selbst seine eigene Lebens- und Wirtschaftsgrundlage kaputt.

Der Kulturgeograph Werner Bätzing ist derzeit der wohl prominenteste Alpenforscher des deutschen Sprachraumes. Mit seinen Thesen regt er zum Nachdenken über das Leben in den Alpen an.

„Wintertourismus muss umgebaut werden“

Der Wintertourismus sei für Vorarlberg wichtig, sollte aber von der Fixierung auf technische Aufstiegshilfen abkommen, fordert Bätzing. Vielmehr müsse der Wintertourismus umgebaut werden: „Ich denke, dass er gute Chancen hat, wenn er auf naturnahe Aktivitäten, Kulturaktivitäten und auf Wellness setzt“.

Das seien Positionen, die bei den Menschen sehr stark nachgefragt würden. „Da braucht es keine künstliche Beschneiung, da brauche es nicht das Skifahren. Es gibt andere Aktivitäten, die bereits jetzt stark nachgefragt werden, bei denen sich die Touristiker aber bislang noch nicht so richtig trauen, auf sie zu setzen.“

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Das Interview mit Werner Bätzing hat ORF-Redakteur Jürgen Peschina geführt.

Kritik an vorgefertigten Bergerlebnissen

Werner Bätzing äußert im Samstaginterview auch harte Kritik am konsumorientierten Gepräge der Tourismusindustrie. Anstatt die Berge zu besuchen und dort selber nach Erlebnissen zu streben, würden heute viele Menschen lieber Geld für ein Erlebnis etwa in einem Aktionspark zahlen, das dann als hochwertiger empfunden werde, weil es ja etwas gekostet habe, so Bätzings Einschätzung.

Die vorgefertigten Erlebnisse, wo man ein Programm erledige, das andere ausgearbeitet hätten, „diese Erlebnisse werden relativ bald schal - wenn man die zum dritten oder vierten Mal wiederholt, fängt es an, langweilig zu werden“, sagt Bätzing. Deshalb müssten diese Angebote eigentlich ständig aufgerüstet werden, „am Ende steht meines Erachtens ein Erlebnis-Burnout, wo die Menschen das einfach nicht mehr aushalten können.“

„Anhängseln der Metropolen“

Weiteres Thema im Samstaginterview ist die Situation des Vorderen Bregenzerwaldes. Für Bätzing ist es eine typische Entwicklung des Alpenraumes, dass die tieferen Lagen mit guter Erreichbarkeit - wie das Rheintal - boomen. Der Vordere Bregenzerwald sei daneben eine Möglichkeit, im Grünen und abseits von Lärm und Verkehr des Rheintals zu wohnen. Das große Problem für Bätzing: Damit werde der Vordere Bregenzerwald zum Anhängsel der Metropole. Eine solche Region fange an, ihre Identität zu verlieren.

„Orte des guten Lebens“ brauchen „Distanzschutz“

Bätzing spricht von „Orten guten Lebens“ im Alpenraum - er hat auch ein Buch mit diesem Titel geschrieben. Das seien meist Orte, in denen die Bevölkerungszahl in etwa gleich bleibe oder leicht steige. Mit einem Mix aus Landwirtschaft, Gewerbe, Tourismus und Dienstleistungen versuchten sich diese Orte wirtschaftlich am Leben zu erhalten.

Wichtig wäre es laut Bätzing, dass solche Orte „Distanzschutz“ genießen. Wenn man aber die Straße verbreitere und einen Tunnel baue, dass solche Orte auch von der Stadt schnell erreichbar seien, dann drohe die Verstädterung. Bätzings Gegenkonzept: „Es braucht Fördermaßnahmen für eine dezentrale Landwirtschaft, ein dezentrales Gewerbe und auch einen dezentralen Tourismus, nicht in diesen großen Strukturen, damit solche Orte guten Lebens in Zukunft mehr werden“.

„Gute demographische Entwicklung in Vorarlberg“

Im Vergleich zu anderen Regionen des Alpenraumes stehe Vorarlberg demographisch gut da. Anders als vor allem in den Südalpen, wo sich ganze Täler teilweise oder vollständig entsiedelt haben, sei in Vorarlberg wie auch in den bayerischen Alpen und in Südtirol die Bevölkerung über 140 Jahre hinweg immer gewachsen, sagt der Alpenforscher. Das sei für den Alpenraum insgesamt außergewöhnlich, bedeute aber auch, dass Rückgangsgebiete fehlen.

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