Gewaltdelikte: Experten kritisieren Kurz-Vorstoß

ÖVP-Obmann Sebastian Kurz will, dass die Strafen bei Gewaltdelikten erhöht werden. Die Strafen müssen nach seiner Ansicht das Unrecht einer Tat widerspiegeln. Viele Experten sehen den Vorschlag kritisch.

Der stellvertretende Leiter der Staatsanwaltschaft Feldkirch, Manfred Bolter, weist darauf hin, eine Differenzierung der Strafen bei Gewalt- und Vermögensdelikten habe durch die jüngste Gesetzesnovelle 2016 gerade erst stattgefunden. Die Strafen jetzt bei Gewaltdelikten weiter zu erhöhen, treffe vor allem ärmere Schichten. In bildungshöheren Bevölkerungsschichten sei hingegen der Anteil an Vermögensdelikten höher. Bolter verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Anlage- und Internetbetrug stark zunehmen würden.

Skepsis bei Richtervereinigung

Yvonne Summer von der Richtervereinigung verweist ebenfalls auf die jüngste Novelle 2016. „Persönlich halte ich es schon für bedenklich, dass man hier bis zu einem gewissen Maß mit dem Sicherheitsgefühl der Bevölkerung spielt. Denn um nichts anderes geht es, wenn Minister Kurz suggeriert, dass der Strafrahmen für Körperverletzungsdelikte nicht passt.“ Bevor man wieder „am Rad“ drehe, so Summer, solle man erst prüfen, was die letzte Novelle tatsächlich gebracht habe.

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Ablehnung für Kurz-Vorschlag

Auf Ablehnung trifft in Vorarlberg der Vorschlag von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz, das Strafrecht weiter zu verschärfen.

Ender: Verhältnismäßigkeit gegeben

Die Verhältnismäßigkeit von Strafen bei Vermögensdelikten und Gewalttaten sei mit der Reform 2016 gegeben, meint Winfried Ender vom Verein Neustart. „Also eine schwere Vergewaltigung fängt bei fünf Jahren an, geht bis zu 15 Jahren. Ich denke, das ist hoch genug“, so Ender. Bestimmte Tatbestände würden stärker geahndet: So würde ein Einbruchsdiebstahl in eine bewohnte Wohnung anders gewertet als ein Einbruch in ein leeres Fabriksgebäude oder einen menschenleeren Lagerplatz.

Höhere Strafe als Anerkennung des Unrechts

Anders stellt sich die Angelegenheit aus der Sichtweise der Opfer dar. Ihre Klientinnen seien oft enttäuscht, dass das Strafmaß zu niedrig ausgefallen sei, sagt Cäcilia König von der Frauennotwohnung. „Für die Opfer ist es schwierig, es ist Überwindung, überhaupt eine Strafanzeige zu machen - und eine höhere Strafe ist eine Anerkennung, dass das, was passiert ist, ein Unrecht war.“

Dalpra: Hohe Strafe keine Abschreckung

Arno Dalpra von der ifs-Gewaltberatung weist darauf hin, dass hohe Strafen für Opfer nur eine „Genugtuung mit Ablaufdatum“ wären. Vielmehr helfe Opfern, wenn sich Täter mit ihren Handlungen ernsthaft auseinandersetzten und Verantwortung dafür übernähmen. Dalpra plädiert für gesetzliche Regelungen, die ein unmittelbares Reagieren nach Gewaltaten erlauben, etwa die Kontaktaufnahme mit psychosozialer Beratung im Zusammenspiel mit Exekutive und Justiz.

Opfern werde heute geholfen. Für Täter sei die Beratung nicht verpflichtend, sondern könne nur mit deren Zustimmung geschehen. Zwischen Tat und Justizverfahren verstreiche wertvolle Zeit. Mit einem guten Anwalt werde die Tat vor Gericht heruntergespielt, eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Veranwortung als Täter fehle.