Pragmatismus statt Rechtsruck in Hohenems

Vor einem Jahr wurde der Freiheitliche Dieter Egger zum Bürgermeister der Stadt Hohenems gewählt. Die Angst vor einem Rechtsruck war damals groß. Der scheint ausgeblieben zu sein, stattdessen herrscht Pragmatismus.

Er sei „ein Wolf im Schafspelz“, der in der Vergangenheit immer wieder durch „antisemitische Aussagen“ und „hetzerische Wahlkampfkampagnen“ aufgefallen sei, hieß es während des Wahlkampfs von einer Protestgruppe, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, Dieter Egger als Bürgermeister zu verhindern. Prominente Namen wie Schriftsteller Michael Köhlmeier unterstützten die Gruppe.

Bilanz 1 Jahr Dieter Egger

APA/Dietmar Stiplovsek

Stichwahl am 29. März 2015: Egger (l.) gratuliert Amtsinhaber Richard Amann, der die Stichwahl mit 50,2 Prozent für sich entscheidet

Gut ein Jahr nach Eggers Amtsantritt scheint klar: Der befürchtete Rechtsruck in Hohenems ist nicht eingetreten. Das räumt selbst Bernhard Amann ein, ehemals Unterstützer der Anti-Egger Plattform und heute Vizebürgermeister von Hohenems: „Es ist so, dass die Befürchtung, dass hier eine rechtsradikale Politik betrieben wird, nicht eingetreten ist.“ Amann und seine Partei, die Emsigen und Grünen, seien diesbezüglich sehr wachsam.

Loewy: „Verhältnis sachlich und konstruktiv“

Ähnlich sieht das auch Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems und Ziel des berüchtigten „Exiljuden"-Sagers, der Egger 2009 seinen Posten als Vorarlberger Landesstatthalter gekostet hat - und für den er sich hinterher entschuldigt hat. „Er verhält sich pragmatisch und insofern ist auch das Verhältnis sachlich und konstruktiv“, sagt Loewy heute. Egger sei nicht an „ideologischen Scharmützeln“ interessiert, als Bürgermeister werde er an etwas anderem gemessen.

Egger spricht von „Aufbruchsstimmung“

Egger selbst wirkt in diesen Tagen entspannt, die Angriffslust früherer Tage scheint dahin. Stattdessen ist Egger heute voll und ganz Staatsmann: Nach seinen Erfolgen im ersten Jahr befragt, produziert er wie auf Knopfdruck eine lange Liste, die von der Umgestaltung des Schlossplatzes im Stadtzentrum über die Eröffnung eines neuen Betriebsgebiets an der Autobahn bis zum bevorstehenden Spatenstich für ein neues Rot-Kreuz-Zentrum reicht.

Ein Jahr FPÖ-Bürgermeister Dieter Egger

Vor einem Jahr ist Dieter Egger zum Bürgermeister von Hohenems gewählt worden. Damals gewann er die Stichwahl-Wiederholung gegen Amtsinhaber Richard Amann.

Über den politischen Mitbewerber verliert Egger kein schlechtes Wort. Die Zusammenarbeit in der Stadtvertretung funktioniere tadellos, man sei „sehr dynamisch“ unterwegs, es herrsche „Aufbruchsstimmung“: „Wir haben heute die Situation, dass die Stadtrats- und Stadtvertretungssitzungen sehr kurz, sehr sachlich sind, es gibt keine persönlichen Untergriffe, es steht die Sache im Vordergrund“, so Egger. Er habe sich bemüht, eine offene und transparente Politik zu machen und alle mit einzubinden - und das werde auch von den anderen so gesehen und goutiert.

Visionsprozess eingebunden

Doch wie viel „Aufbruchsstimmung“ herrscht tatsächlich in Hohenems? Die Wirtschaftstreibenden der Stadt scheinen jedenfalls zufrieden. „Hohenems hat jetzt schon einige Jahre eine sehr positive Entwicklung hinter sich gebracht“, sagt Gunther Fenkart, Obmann der Wirtschaftsgemeinschaft Hohenems. „Unter Dieter Egger hat diese Entwicklung schon noch einmal deutlich an Fahrt aufgenommen“. Gerade in der Innenstadt sei das zu spüren, dort, wo Fenkart ein Traditionscafé betreibt.

Auch das Bemühen um die Einbindung anderer Meinungen dürfte echt sein. Nirgendwo ist das deutlicher zu sehen als beim Visionsprozess, in dessen Verlauf sich Bürgerinnen und Bürger Gedanken über die Weiterentwicklung der Stadt gemacht haben. Im Wahlkampf hatte Egger den Prozess noch vehement kritisiert. Mittlerweile wirkt ein Vertreter von „Vision Stadt Hohenems“ bei der Überarbeitung des Räumlichen Entwicklungskonzepts mit, bestätigt Sprecherin Angela Jäger.

ÖVP mit neuer Rolle

Jemand, der allen Grund hätte, Egger seinen Erfolg abzusprechen, ist Arno Gächter von der Volkspartei. Gegen seinen Kandidaten, den ehemaligen Bürgermeister Richard Amann, hatte Egger im Wahlkampf scharfe Attacken gefahren und ihn schließlich in der Wiederholung der Bürgermeisterstichwahl entthront. Dann nahm er der Volkspartei im Stadtrat auch noch das wichtige Ressort Stadt- und Verkehrsplanung - sehr zu Gächters Unmut.

Bilanz 1 Jahr Dieter Egger

APA/Dietmar Stiplovsek

Moment des Triumphs: Am 20. Dezember 2015 gewinnt Egger die Wiederholung der Bürgermeisterstichwahl mit 55,75 Prozent

Von Bitterkeit ist bei Gächter dennoch wenig zu spüren. Die Fraktion habe ihre Rolle gefunden und bemühe sich redlich um eine konstruktive Zusammenarbeit. Das Gesprächsklima in der Stadt sei gut und konstruktiv. Allerdings sei Eggers Erfolg auch darauf zurückzuführen, dass er in vielen Bereichen den Weg seines Vorgängers weiterbeschreite, etwa bei der Innenstadtgestaltung oder bei der Entwicklung des Betriebsgebiets an der Autobahn.

„Volle Schubladen“ geerbt?

Es ist ein Argument, das man derzeit vielerorts hört. „Viele Veränderungen, die es im letzten Jahr gegeben hat in Hohenems, sind Veränderungen, die eigentlich unter seinem Vorgänger geplant und entschieden wurden“, sagt beispielsweise Gerhard Unterkofler von der SPÖ. Und Hanno Loewy spricht sogar von „vollen Schubladen“, die Egger von seinem Vorgänger geerbt habe.

Egger widerspricht diesen Aussagen gar nicht. Es sei aber eben ein Unterschied, ob man etwas plane oder ob man es auch umsetze: „Geplant hat man in der Vergangenheit sehr viel, aber halt sehr wenig umgesetzt.“ Es bleibt also abzuwarten, welche Ideen der neue Bürgermeister für die Nibelungenstadt noch vorlegen und umsetzen wird.

Markus Sturn, vorarlberg.ORF.at