Präsidentschaftswahl: Steigt die Wahlbeteiligung?

Bei der letzten Bundespräsidentenwahl verzeichnete Vorarlberg die geringste Wahlbeteiligung aller österreichischen Bundesländer. Dieses Jahr könnte sie wieder steigen, meinen Experten. Die ÖVP-Dominanz im Land bröckelt indes.

Die Trendumkehr erfolgte schon 2004. Statt knapp 90 Prozent wie noch 1998 gingen nur mehr 55,3 Prozent der Vorarlberger an die Wahlurne. Und das, obwohl zwei politische Schwergewichte um die Wählergunst buhlten: Auf der einen Seite Heinz Fischer, ehemaliger Nationalratspräsident und Kandidat der SPÖ, auf der anderen Seite Außenministerin Benito Ferrero-Waldner, Kandidatin der ÖVP.

Bundespräsidentenwahl 2016 Wahlbeteiligung Vorarlberg

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Anmerkung: 1951, 1986 und 1992 gab es je zwei Wahldurchgänge

Vorarlberg war plötzlich das österreichische Bundesland mit der geringsten Wahlbeteiligung. Sechs Jahre später ein weiterer Dämpfer: 37,7 Prozent Wahlbeteiligung bedeuteten einen neuen Tiefstand - und das in einem Bundesland, das noch kurz zuvor eine der höchsten Wahlbeteiligungen in Österreich aufwies. Was war geschehen?

Weber: Von „Freiheit“ Gebrauch gemacht

Ein wesentlicher Grund dürfte die Aufhebung der Wahlpflicht gewesen sein. Der Vorarlberger Landtag hatte sie am 28. Januar 2004 für Bundespräsidenten- und Landtagswahlen aufgehoben. Die Wähler machten daraufhin erstmals von ihrer neugewonnenen „Freiheit“, nicht zu wählen, Gebrauch, sagt Politologe Wolfgang Weber. Das sei nicht unüblich.

Und tatsächlich: Auch bei anderen Wahlen ging in diesem Zeitraum die Wahlbeteiligung zurück. So gaben bei der Vorarlberger Landtagswahl 2004 nur mehr 60 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab - 1999 waren es noch 88 Prozent gewesen. Bei den Nationalratswahlen stimmten etwa 70 Prozent der Vorarlberger mit, vier Jahre zuvor lag die Wahlbeteiligung bei satten 84 Prozent.

2010 fehlte das Angebot

Die Aufhebung der Wahlpflicht mag den Rückgang 2004 erklären - warum fiel die Wahlbeteiligung 2010 dann aber noch einmal, auf nicht einmal 38 Prozent? Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle verweist auf die besondere Situation: Bundespräsident Heinz Fischer trat zum zweiten Mal an, die ÖVP stellte nicht einmal einen Kandidaten auf. Für ÖVP-Wähler habe schlicht „das Angebot gefehlt“.

Auf die Spitze trieb es Karlheinz Kopf, damals Klubobmann der ÖVP im Nationalrat. Er deklarierte sich als Weißwähler, weil er sowohl FPÖ-Kandidatin Barbara Rosenkranz wie auch CPÖ-Kandidat Rudolf Gehring ablehnte. Diese Kandidaten seien „derart schwach“ gewesen, dass ohnehin klar gewesen sei, dass Fischer die Wahl gewinnen würde, sagt Politologe Weber. Das vorherrschende Gefühl sei gewesen: „Ich brauche nicht mehr zu Wahl gehen, sie ist ohnehin entschieden.“

Längerfristiger Trend?

Damit nicht genug: Die Wahlen 2004 und 2010 spiegelten auch einen generellen Trend in Richtung einer geringeren Wahlbeteiligung wider, sagt Experte Weber. Diese Entwicklung beruhe wesentlich auf einer Verweigerungshaltung oder einem Protest gegen die bestehenden politischen Verhältnisse. „So kann sie, so muss sie meines Erachtens auch gelesen werden“, so Weber.

Was nicht bedeuten muss, dass die Wahlbeteiligung bei zukünftigen Bundespräsidentenwahlen immer gleich niedrig bleiben muss. Die Wahlbeteiligung hänge im Wesentlichen von zwei Faktoren ab, sagt Stainer-Hämmerle: „Wie spannend ist ein Rennen, also habe ich, als Wählerin, als Wähler, das Gefühl, dass es jetzt auf meine Stimme ganz besonders ankommt.“ Der zweite Faktor sei die Stimmungslage. Je emotionaler und polarisierender ein Thema, desto höher sei auch die Wahlbeteiligung.

Unterschiedliche Prognosen

Entsprechend optimistisch blickt Stainer-Hämmerle auf die bevorstehende Wahl am 24. April. Einerseits habe es noch nie die Situation gegeben, dass gleich fünf Kandidaten eine realistische Chance auf den Einzug in die Stichwahl haben. Andererseits habe es nie eine vergleichbare Stimmung in der Bevölkerung gegeben - siehe Flüchtlingsfrage und Asylproblematik. „Also diese beiden Faktoren deuten auf jeden Fall darauf hin, dass die Wahlbeteiligung wieder steigen wird“, so Stainer-Hämmerle.

Weber fürchtet hingegen, dass sich der Trend zu einer geringen Wahlbeteiligung fortsetzen wird „und dass sich die Wahlbeteiligung auch bei der Bundespräsidentenwahl am 24. April auf einem sehr niedrigen Niveau einpendeln wird.“ Wahlberechtigt sind rund 269.940 Bürger in Vorarlberg.

Wie schlägt sich Khol?

Spannend wird bei dieser Wahl sein, wie sich ÖVP-Kandidat Andreas Khol in Vorarlberg schlagen wird. In der Vergangenheit haben sich hierzulande immer die Kandidaten der ÖVP durchgesetzt - mit zwei Ausnahmen. 1980 wurde Bundespräsident Rudolf Kirchschläger von SPÖ und ÖVP unterstützt, 2010 stellte die ÖVP keinen eigenen Kandidaten auf. Khol liegt derzeit laut einer Umfrage der „Vorarlberger Nachrichten“ bei rund 25 Prozent der Stimmen, das wäre das schlechteste Ergebnis eines ÖVP-Kandidaten überhaupt.

Khol sei mit dem Manko in den Wahlkampf gestartet, dass er lediglich als die zweite Wahl galt, analysiert Stainer-Hämmerle. Außerdem habe er damit zu kämpfen, dass es mit Alexander Van der Bellen und Irmgard Griss noch ein anderes Angebot an die Wähler des bürgerlich-konservativen Lagers gebe. Eine Pleite wäre vor diesem Hintergrund nicht überraschend. Für Weber wäre es sogar die Fortsetzung eines Trends: Nämlich des Einbruchs des ÖVP-Lagers zugunsten eines anderen bürgerlichen Lagers - verkörpert durch die Grünen.

Markus Sturn, vorarlberg.ORF.at