Missbrauchsopfer klagt Land Vorarlberg

Ein heute 48-jähriger Mann gibt an, von seiner Pflegefamilie in den 1970er Jahren misshandelt worden zu sein. Er klagt das Land Vorarlberg deswegen auf Schadenersatz in Höhe von über 200.000 Euro. Das Land argumentiert mit Verjährung.

Am kommenden Montag wird der Zivilprozess fortgeführt, bei dem es um die Kernfrage geht: Soll das Land Vorarlberg für Fehlverhalten seiner Mitarbeiter finanziell gerade stehen, auch wenn die Fälle schon Jahrzehnte zurück liegen?

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Beitrag von Gernot Hämmerle, Holger Weize und Joachim Mark. Sie sehen Stephan Harg und Katharina Wiesflecker.

Konkret geht es um den Fall von Manfred Gobber. Gobber wurde 1966 als Säugling auf einer Baustelle in Bludenz ausgesetzt. In der Folge wurde er vom Land in einer ortsbekannten Alkoholikerfamilie untergebracht und dort offenbar schwer misshandelt. Sogar die Gendarmerie wurde bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vorstellig und empfahl dringend, ihn aus der Pflegefamilie herauszunehmen. Die Behörden reagierten nicht. So zumindest steht es in den Akten, auf die sich Stephan Harg bezieht, der Anwalt von Manfred Gobber.

Arbeitsunfähigkeit bedingt Schadenersatzforderung

Erst als Monate später nochmals Anzeige erstattet wurde, kam Manfred Gobber aus der Pflegefamilie heraus, in die Erziehungsanstalt am Jagdberg, und wurde offenbar wieder misshandelt und auch sexuell missbraucht.

Manfred Gobbers Psyche sei bis heute schwer beschädigt, er sei arbeitsunfähig, sagt Anwalt Harg. Laut Gutachten sei Gobber überdurchschnittlich intelligent, aber nicht in der Lage, eine ordnungsgemäße Berufsausbildung abzuschließen. „So erklärt sich auch die Höhe der Schadenersatzforderung“, so Harg. Die Klagssumme beträgt nämlich mehr als 200.000 Euro. 20.000 Euro hat Gobber bereits aus dem Opferschutz-Fond des Landes Vorarlberg erhalten.

Wiesflecker will Aussage Gobbers abwarten

Vor Gericht ist das Land nun beklagte Partei und hat gleich zu Prozessbeginn im September des Vorjahres jegliche Schuld bestritten. Und zudem versucht, das Formalargument der Verjährung geltend zu machen. Damals war noch Greti Schmid (ÖVP) die zuständige Landesrätin.

Auch die neue Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker von den Grünen bringt das Argument der Verjährung vor. Sie möchte sich aber die Möglichkeit eines Vergleichs offen halten. Sie wolle die Aussagen Gobbers im Prozess am 19. Jänner abwarten, sagt Wiesfleckler: „Wir werden uns dann entscheiden, ob wir auf diese Einrede der Verjährung pochen und dabei bleiben, oder ob wir andere Wege beschreiten, zum Beispiel auch im Sinne einer Vergleichszahlung.“

Das Gericht wird dann entscheiden, ob das Argument der Verjährung in diesem konkreten Fall überhaupt zulässig ist. Bei vergleichbaren Fällen, beispielsweise den Missbauchsvorwürfen im Kloster Mehrerau, hatte das Oberlandesgericht den Einwand der Verjährung abgewiesen.