Gesamtschule: Eltern dafür und dagegen

Vor einem Jahr hat das Land eine großangelegte Befragung zur gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen gestartet. Das diesen Donnerstag präsentierte Ergebnis fällt widersprüchlich aus.

Die Vorarlberger Eltern scheinen sowohl mit der aktuellen Zweiteilung Gymnasium-Neue Mittelschule (NMS) als auch mit einer Gesamtschule der Zehn- bis 14-Jährigen gut leben zu können. Volksschul- und NMS-Lehrer präferieren stark die Gesamtschule, während die AHS-Lehrer beim differenzierten System bleiben wollen. Das ist das Kernresultat des Forschungsprojekts der Vorarlberger Landesregierung.

Rund 22.000 Lehrer, Eltern und Schüler wurden angeschrieben und befragt. Insgesamt 19.700 Personen haben sich an der Umfrage beteiligt und die bis zu 130 Fragen beantwortet. Herausgekommen sind dabei knapp 1,8 Millionen Einzeldaten. Ihre Auswertung wurde am Donnerstag vorgestellt.

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Beitrag von Bruno Schratzer. Sie sehen Johann Engleitner, Bildungssoziologe, Gabriele Böheim-Galehr, Projektkoordinatorin, und LR Bernadette Mennel.

Befragung Schule

APA

Pflichtschullehrer wollen Veränderung

Die Ergebnisse der Studie fielen widersprüchlich aus. Bei den Eltern ergab sich eine tendenzielle Befürwortung einer „Schule für alle“ - dafür waren 56 Prozent der Eltern mit Volksschulkindern (Eltern VS), 58 Prozent der Eltern von Kindern aus der NMS (Eltern NMS) und 45 Prozent der „AHS-Eltern“. Aber auch für den Erhalt des aktuellen Systems gab es Zustimmung. Ja zum Ist-Zustand sagten 51 Prozent der Eltern VS, 42 Prozent der Eltern MS und 55 Prozent der Eltern AHS.

Bei den Pflichtschullehrern hingegen geht die Stimmung klar in Richtung Systemwechsel: 72 Prozent der VS-Lehrer sowie 77 Prozent der NMS-Lehrer wünschten sich die Gesamtschule, aber nur 25 Prozent der AHS-Lehrer. Umgekehrt befürworteten 45 Prozent der AHS-Lehrer die Beibehaltung des Status quo, hingegen nur 20 Prozent der VS- und 13 Prozent der NMS-Lehrer.

Einigkeit für spätere Entscheidung

Zwar erwarteten sich der überwiegende Großteil sowohl der Eltern als auch der Lehrer in einer Gemeinsamen Schule mehr Chancengerechtigkeit für alle Kinder, gleichzeitig befürchteten die Eltern aber eine Überforderung der schwachen Schüler wie auch eine Unterforderung der Begabten. Letzteren Punkt unterstrichen besonders die Eltern von AHS-Schülern und noch stärker die AHS-Lehrer (78 Prozent). Dass die Gesamtschule den Vorteil einer späteren Entscheidung über den weiteren Bildungsweg mit sich bringen würde, wurde überwiegend bejaht (Eltern: 69 bis 72 Prozent, Lehrer 54 (AHS) bis 91 Prozent (VS)).

Zufriedenheit mit den Schulen

Grundsätzlich waren die Eltern der NMS- und der AHS-Kinder mit den Schulen ihrer Sprösslinge sehr zufrieden. Sie sagten zu 90 bzw. 91 Prozent Ja zur Feststellung „Ich weiß mein Kind in guten Händen“. 85 Prozent (NMS) bzw. 88 Prozent (AHS) der Eltern würden ihr Kind wieder an der Schule anmelden.

Schullandesrätin Bernadette Mennel (ÖVP) freute sich insbesondere über diese große Zufriedenheit und wertete dies auch als Kompliment an die Lehrer. Es werde darum gehen, ein pädagogisches Konzept zu entwickeln, das es erlaube, die Kinder ihren individuellen Begabungen zufolge zu fördern und zu fordern. Ein Schulversuch zur Gemeinsamen Schule werde nur dann Unterstützung von den Betroffenen erfahren, wenn die Frage der Individualisierung schlüssig beantwortet werden könne.

Bis Mai soll es konkrete Ergebnisse geben

Bis Mai 2015 soll das Vorarlberger Forschungsprojekt abgeschlossen sein. Der Abschlussbericht wird auch Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Schulen der Zehn- bis 14-Jährigen enthalten. Auf diesem Bericht aufbauend will die Vorarlberger Landesregierung einen Schulversuch zur Gemeinsamen Schule aufsetzen und damit an den Bund herantreten. Wie dieser Versuch konkret aussehen soll, hängt von den Endergebnissen der Untersuchung ab und ist noch offen. Für Mennel war aber jedenfalls klar, dass im Unterricht die Individualisierung mehr Gewicht bekommen muss. „In diese Richtung werden wir gehen, dazu brauchen wir den Bund nicht“, sagte Mennel.

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