ORF-Wahldiskussion: Debatte über Kinderbetreuung

Montagabend standen sich die Landtagswahl-Spitzenkandidaten von ÖVP, FPÖ, Grünen, SPÖ und NEOS bei der Live-Sendung „Neues bei Neustädter spezial“ im ORF-Landesfunkhaus gegenüber. Die Themen Kinderbetreuung, Armut und Steuerreform dominierten den Diskussionsabend.

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Markus Wallner (ÖVP), Dieter Egger (FPÖ), Johannes Rauch (Die Grünen), Michael Ritsch (SPÖ) und Sabine Scheffknecht (NEOS) stellten sich am Montagabend in Radio Vorarlberg einer zweistündigen Live-Diskussion unter Moderation von Matthias Neustädter (ORF). Die Kandidaten spielten ihre langjährige Wahlkampferfahrung und Diskussionsroutine aus, die einzige Kandidatin versuchte mitzuhalten.

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Bildung, Krisen, Umwidmungen und Familie

Als Newcomerin machte Sabine Scheffknecht (NEOS) den Anfang. Sie nannte Schulautonomie und freie Sprengelwahl für Schüler als die beiden Hauptthemen in ihrem Wahlkampf im Bereich Bildung. Nachdem das Thema „Zwerge“ zu einem kurzen Schlagabtausch zwischen SPÖ und ÖVP geführt hatte, mahnte Johannes Rauch (Die Grünen) zur Ernsthaftigkeit im Wahlkampf, Syrien und weitere Krisengebiete gäben dazu allen Anlass. Das gehe auch Vorarlberg etwas an.

Dieter Egger (FPÖ) nützte seine erste Wortmeldung, um den FPÖ Wahlslogan „Umwidmungen- aber gerecht!“ zu erklären. Er habe 500 Interventionen hinsichtlich Umwidmungen pro Jahr zu behandeln. Oft spiele eben das richtige Parteibuch eine Rolle, so Egger. Markus Wallner (ÖVP) dagegen propagierte zu Beginn die „Allianz für die Familien“ und verwies auf eine ausgebaute Schülerbetreuung. „Wir sind eine Familienpartei“, so Wallner. Mit einem erhöhten Familienzuschuss und Pflegezuschuss hätte man die entscheidenden Weichen gestellt.

Zuhörer löst Illwerke-Verkaufs-Debatte aus

Die erste Hörer-Frage beschäftigte sich mit den Illwerken. Wallner antwortete, Illwerke-Anteile würden nicht verkauft und das Wasser werde nicht privatisiert. Scheffknecht warf ein, NEOS habe nie das Wasser privatisieren wollen. Ritsch konterte, NEOS wolle auch den sozialen Wohnbau privatisieren. Rauch sekundierte, bei NEOS sage jeder etwas anderes. Scheffknecht stellte klar, NEOS wolle an der Vorarlberger Situation nichts ändern. Wasser sei ein Grundrecht und dabei solle es auch bleiben. Auch die Illwerke zu privatisieren, mache keinen Sinn, schloss Scheffknecht.

Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit

Ein weiterer Hörer brachte dann das Thema Arbeitsplätze in die Debatte ein. Wallner sagte, Bildung zu focieren, sei das beste Rezept. Ritsch verwies auf 10.000 Arbeitslose und 3.000 Teilnehmer in Schulungen sowie 50.000 armutsgefährdete Menschen in Vorarlberg. Zu diesem Ergebnis hätten 69 Jahre ÖVP-Regierung geführt, so seine Analyse, die Maßnahmen hätten nichts gebracht.

Egger plädierte in dieser Frage für den Abbau von Bürokratie. Das schaffe Arbeitsplätze. Behörden-Verfahren sollten vereinfacht werden. 15 Prozent weniger Verwaltung und die Wirtschaft käme in Schwung. Rauch dagegen sprach von einem Arbeitsmarkt-Dilemma und den beiden Seiten: Jugendliche bekämen keine Arbeit und Ältere müssten zu früh aufhören. Man müsse den Unternehmen helfen und Sozialbeträge senken, damit Ältere beschäftigt werden.

Kinderbetreuung: Mehr und kostenlos?

Scheffknecht betonte, dass die Beschäftigung von Frauen eng von der entsprechenden Kinderbetreuung abhänge. Ritsch sagte, er unterstütze die Wahlfreiheit von Frauen zwischen Beruf und Familie sowie eine landeseinheitliche Kinderbetreuung, ganztags und ganzjährig und natürlich kostenlos. Es sei auch eine Integrationsmaßnahme, wenn Zweijährige kostenlos Deutsch lernen könnten. Rauch verwies auf Unternehmen, die mit ihren Betriebskindergärten die Zeichen der Zeit erkannt hätten. Der Bedarf an Betreuung sei vorhanden.

Wallner befürwortete den Ausbau der Kinderbetreuung. Die Ausgaben des Landes hätten sich zuletzt verdoppelt, der Weg müsse fortgesetzt werden. Kindererziehung zu Hause sei aber gleichberechtigt zu diskutieren, so Wallner. Egger sagte, eine kostenfreie Kinderbetreuung lehne er ab. Ritsch und Rauch dagegen waren sich einig, die Kinderbetreuung gehöre in die besten Hände und die Pädagogen müssten bestens bezahlt werden.

Regierungsbeteiligung und andere Wahlziele

Hat sich die ÖVP mit dem Verlust der absoluten Mehrheit abgefunden?, wollte man von Wallner wissen. Wallner führte dazu aus, er trete zum ersten Mal als Spitzenkandidat an und müsse vor dem Wähler Demut zeigen. Die Ausgangsbedingungen seien nicht leicht. Er strebe einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung an und sei für Partnerschaften offen.

Rauch, nach einer möglichen Regierungsbeteiligung der Grünen „um jeden Preis“ gefragt, antwortete: Die Grünen wollten mitgestalten und neuen Schub in die Regierung bringen. Egger sagte, der FPÖ-Wahlkampf richte sich gegen die Politikverdrossenheit. Man starte von 25 Prozent, die FPÖ wolle in Zukunft gestalten. Für diese Linie der Partei finde er unter jungen Menschen viel Zustimmung.

Ritsch erläuterte, seine Partei starte bei acht Prozent. Ein viertes Mandat zu gewinnen und mit zwei neuen SPÖ-Abgeordneten in den Landtag einzuziehen, sei sein Ziel. Dann wäre die SPÖ im Landtag „klein, aber hoho“ und könne die ÖVP vor sich her treiben. Scheffknecht meinte, NEOS sei eine Bürger/Innen-Bewegung und eine junge Bewegung. Damit erklärte sie einerseits die Turbulenzen in ihrer Partei und die rasanten, personellen Veränderungen gleich zu Anfang.

Geld, Pensionssplittung und Trennungsväter

Wallner betonte, das Wichtigste sei die Finanzkompetenz im Land zu behalten. Das sei bisher gelungen. Rauch verwies auf Kooperationen auf Gemeindeebene. So könnte finanzieller Spielraum im Land gewonnen werden. Rauch befürwortete eine Steuerhoheit für das Land. Egger ebenfalls.

Die ebenfalls kandidierende Männerpartei stellte ihre Frage aus dem Publikum an alle auf dem Podium: Was tun Sie für Trennungsväter? Wie stehen Sie zum Pensionssplitting? Scheffknecht antwortete, Pensionspslittung wäre für alle Eltern wichtig. Für Trennungsväter habe sie keine Lösung. Egger meinte, bei Trennungsvätern sei er vorrangig für die gemeinsame Obsorge, nur in Ausnahmefällen sei die Einzelobsorge angebracht. Die Frage der Besuchszeiten müsse man angehen.

Ritsch sagte, er lehne ein Pensionssplittung ab. Er plädiere vor allem für die Verlängerung der Ersatzzeiten für Kindererziehung auf vier Jahre bei jedem Kind. Er kämpfe gegen die 45-Jahre- Durchrechnung bei der Pensionsberechnung, „die schlechtesten zehn Jahre müssen weg“.

Rauch hält die gemeinsame Obsorge für richtig und sagte dann, „es gibt kein Gesetz gegen Kleinkriege diesem Bereich“. Sorgerechtsregelungen wären durchsetzbar, wenn die Justiz sie anwende. Das Besuchsrecht sei ebenfalls durchsetzen. Dazu wären keine neuen Gesetze nötig. Wallner räumte ein, die Scheidungsraten machten Probleme, von außen „hineinzuregieren“ sei aber keine Möglichkeit. Der Gesetzgeber habe vor allem das Wohl des Kindes im Auge zu behalten.

Reiches Land mit viel Armut

Rauch führte aus, Familien müssten heute die Hälfte des Einkommens für Miete ausgeben. Egger kritisierte, die Armutsverwaltung sei hoch, die Prävention gegen Armut zu gering. Bildung wäre eine gute Präventionsmöglichkeit. Es gäbe heute Menschen, die sich mit einem 40-Stunden Job nicht mehr über Wasser halten könnten. Deshalb halte er den Mindestlohn für richtig, so Egger. Wallner pflichtete bei, der Mindestlohn sei in Umsetzung und sinnvoll. Außerdem sei der Heizkostenzuschuss österreichweit der Höchste. Wenn das Armutsrisiko steige, dann müssten die Menschen aufgefangen werden. Vorarlberg habe das beste Netz dazu. In Österreich käme man im europaweiten Vergleich am schnellsten wieder aus der Armut heraus, so Wallner.

Publikumsfrage zu Steuersenkung

Dann richtete sich wieder eine Publikumsfrage an Wallner: „Warum versprechen Sie eine Steuersenkung, wenn Sie damit eigentlich nichts zu tun haben?“ Wallner antwortete, die Grundforderung müsse man als Landeshauptmann äußern, die Durchsetzung auf Bundesebene sei eine andere Frage. Egger pflichtete bei, „Steuerreform jetzt sofort“, das rentiere sich, das Geld wandere in den Konsum. Rauch wetterte, der „Oberblockierer“ heiße Spindelegger und deshalb sei es gut, wenn Landeshauptleute Druck auf Spindelegger ausübten. Scheffknecht meinte eine Steuerreform sei ab 1.1.2015 rechnerisch machbar.

Hat Wallner drei Wochen vor der Wahl in der Steuerfrage umgeschwenkt? wollte man von ihm wissen. Wallner widersprach, er sei immer für die Steuerreform gewesen. Eine Millionärsabgabe wolle er ausdrücklich nicht. Er halte allerdings die solide Finanzierung für unabdingbare eine Voraussetzung für eine Steuerreform.

Kurz vor Ende der Diskussion wollte die SPÖ-Landtagsabgeordnete Gabi Sprickler-Falschlunger noch von Wallner erfahren, warum Vorarlberg bei Fraueneinkommen österreichweit Schlusslicht ist? Wallner argumentierte, das liege an den Strukturen des Industrielandes, den damit verbundenen Löhnen. Mit der Landespolitik habe es nichts zu tun.